Pau (Frankreich) – Bei Frauen mit Endometriose besteht ein Ungleichgewicht der Bakterienpopulationen in ihrer Vagina und in ihrem gesamten Fortpflanzungssystem. Dies geht aus einer Literaturübersicht hervor, die sich auf eine Reihe von Fall-Kontroll-Studien stützt. Alle Ergebnisse wurden auf der Konferenz Infogyn 2022 vorgestellt. Jetzt schlagen Wissenschaftler Präventivmaßnahmen vor, um die Entwicklung eines ausgewogenen Mikrobioms ab dem Jugendalter zu fördern [1].
„Eine Dysbiose des vaginalen Mikrobioms kann ein Risikofaktor für Endometriose sein. Daher sollten zwischen der Pubertät und dem Erwachsenenalter, einer Schlüsselperiode für die Entwicklung von Endometriose, bestimmte Umweltfaktoren, die das vaginale Mikrobiom aus dem Gleichgewicht bringen könnten, vermieden werden“, sagte der Gynäkologe Dr. Chadi Yazbeck von der Pierre Cherest Klinik in Neuilly-sur-Seine, Frankreich, gegenüber Medscape.
Zu diesen Faktoren zählt Yazbeck gynäkologische und sexuell übertragbare Infektionen, endokrine Störungen, aber auch Umweltgifte, die vor allem in Kunststoffen vorkommen. Um das Endometrioserisiko einzuschränken, „sollten Teenager auch zu einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung ermutigt werden“, da das vaginale Mikrobiom durch das gastrointestinale Mikrobiom beeinflusst werde, sagte Yazbeck.
Endometriose – die Ursachen sind immer noch unklar
Zum Hintergrund: Endometriose ist eine entzündliche und chronische gynäkologische Erkrankung, die durch das Wachstum von Fragmenten des Endometrium-Gewebes außerhalb der Gebärmutterhöhle gekennzeichnet ist. Die auf Östrogene und auf den Menstruationszyklus empfindlich reagierenden Herde verursachen Unterleibsschmerzen und können zu Unfruchtbarkeit führen. Schätzungen zufolge sind fast 10% aller Frauen weltweit von dieser Krankheit betroffen. Endometriose kann sich zwischen der Pubertät und der Menopause entwickeln.
„Die Pathophysiologie der Endometriose ist noch immer nicht vollständig geklärt“, so Yazbeck. Die Endometriose wird häufig als Folge einer retrograden Menstruation erklärt, bei der vermutlich Teile der Gebärmutterschleimhaut über die Eileiter zurück in das Becken gelangen.
„Heutzutage ist die Rate der retrograden Menstruation bei Frauen mit und ohne Endometriose ähnlich“, betont Yazbeck. Damit sei eine retrograde Menstruation sicher nicht die alleinige Ursache. „Die Endometriose ist wahrscheinlich eine multifaktorielle Erkrankung“, die mit mechanischen Problemen, der Ursache einer Obstruktion des Genitaltrakts, einer genetischen Veranlagung, hormonellen Faktoren oder auch einer unangemessenen Entzündungsreaktion zusammenhänge, so der Gynäkologe.
Jüngste Daten deuten auch darauf hin, dass eine bakterielle Kontamination eine Dysbiose in der Vagina, im gesamten Fortpflanzungssystem und in der Peritonealflüssigkeit verursacht. Ein gesundes Mikrobiom (Eubiose) im Genitaltrakt besteht zu mehr als 90% aus Laktobazillen. Unterhalb dieser Schwelle besteht ein Ungleichgewicht (Dysbiose), das mit der Einschleppung pathogener Bakterien verbunden sein könnte.
Vermehrtes Vorkommen von Pseudomonas bei einer Dysbiose
Mehrere Fall-Kontroll-Studien fanden Hinweise auf eine Dysbiose bei Frauen mit Endometriose. Forscher haben einen Fall von Endometriose im Stadium 3 und 4 mit einer Dysbiose in Verbindung gebracht, die durch ein erhöhtes Vorkommen von Bakterien des Gardnerella-, Escherichia- und Shigella-Typs im Mikrobiom der Gebärmutterhalsschleimhaut gekennzeichnet war, während Atopobium vaginae-Bakterien in der Vagina und am Gebärmutterhals völlig fehlten.
In einer anderen Studie wurde bei etwa 30 Frauen mit tiefer Endometriose ein erhöhtes Vorkommen von Bakterien des Typs Enterococcus und Pseudomonas im vaginalen und endometrialen Mikrobiom sowie in Endometriose-Läsionen festgestellt, verglichen mit Frauen ohne Endometriose.
Um die Endometriose-bedingte Dysbiose des weiblichen Genitaltrakts auf globaler Ebene zu bewerten, führten brasilianische Forscher des Universitätsklinikums São Paulo eine Literaturübersicht durch. Sie schlossen 12 Fall-Kontroll-Studien ein.
Ihre Analyse ergab, dass Bakterien vom Typ Pseudomonas in der Peritonealflüssigkeit von Frauen mit Endometriose in mehreren Studien überrepräsentiert waren. Auch in vaginalen, endometrialen und intraläsionalen Proben wurden sie vermehrt beobachtet. Die Arten Gardnerella, Enterococcus, Streptococcus und Staphylococcus wurden ebenfalls in großer Zahl gefunden.
Dennoch habe die Analyse ihre Grenzen, betonte Yazbeck. Die Kontrollgruppen basierten nicht nur auf Fall-Kontroll-Studien, sondern umfassten auch asymptomatische Frauen, was keineswegs sicherstellt, dass sie gesund sind und dass ihr Mikrobiom gesund ist. „Diese Frauen können Endometriose haben, ohne es zu wissen“, so Yazbeck.
Hypothesen zur Entstehung einer Endometriose
Forscher haben mehrere Hypothesen aufgestellt, um die Auswirkungen der Dysbiose auf die Entwicklung der Endometriose zu erklären. „Es ist wahrscheinlich, dass das Mikrobiom, insbesondere in einem Zustand der Dysbiose, zu einer Immunaktivierung beiträgt, die die Entzündung des Bauchfells verstärkt und verlängert und schließlich die Entwicklung von Endometriose fördert“, so Yazbeck. Dann funktioniere der Abtransport dieser Zellen aus der Gebärmutterschleimhaut nicht mehr korrekt.
Künftige Studien müssten bestätigen, dass eine Dysbiose tatsächlich eine Ursache für Endometriose sei und nicht das Gegenteil, so Yazbeck. Weitere Einzelheiten über die Zusammensetzung der mit Endometriose assoziierten Dysbiose und die Identifizierung krankheitsspezifischer Bakterienarten stehen ebenfalls noch aus. Erst dann könnten Ärzte damit beginnen, diagnostische Strategien sowie Behandlungen mit Antibiotika oder Probiotika zu testen, erklärte Yazbeck.
Der Artikel ist im Original erschienen bei Medscape French Edition und wurde für Medscape.com ins Englische übersetzt. Er wurde von Michael van den Heuvel ins Deutsche übersetzt und adaptiert.
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Credits:
Photographer: © Zerbor
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: Neue Daten: Endometriose – eine Ursache oder eine Folge von Änderungen im Mikrobiom des Fortpflanzungssystems? - Medscape - 24. Feb 2023.
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