Risikopatienten für Folge-Schlaganfall rausfiltern: Arrhythmie-Monitoring noch am Krankenbett – früherer Start der Prophylaxe!

Dr. Jürgen Sartorius

Interessenkonflikte

9. Januar 2023

Die von forschenden Ärzten entwickelte Methode Catch-up ESUS bedient sich einer stationären fortlaufenden Elektrokardiogramm-Aufzeichnung über mindestens 72 Stunden nach dem Ereignis, um eventuelle Rhythmus-Auffälligkeiten aufzuzeichnen. Hieraus wurde ein Risikoabschätzer, der sog. Rhythm Irregularity Burden etabliert, um das Risiko für die Entwicklung eines Vorhofflimmerns besser beurteilen zu können. Die Studie wurde aktuell von Dr. Aenne S. von Falkenhausen und Kollegen, LMU München, in Annals of Neurology publiziert[1].

Etwa 20% aller Schlaganfälle sind auf eine Embolie unbekannter Ursache zurückzuführen (ESUS), darunter viele durch stilles Vorhofflimmern. Für diese ist eine orale Antikoagulation indiziert, für die übrigen Patienten eher nicht. Aber die Risikobestimmung für Vorhofflimmern ist in der Praxis bisher unzureichend gelöst.

 „ESUS ist ein Schlaganfalltyp, von dem man denkt, dass er überwiegend durch Vorhofflimmern ausgelöst wird“, erklärt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schäbitz, Direktor der Universitätsklinik für Neurologie im Evangelischen Klinikum Bethel, Bielefeld, Koautor der Studie und Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG).

 
ESUS ist ein Schlaganfalltyp, von dem man denkt, dass er überwiegend durch Vorhofflimmern ausgelöst wird. Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schäbitz
 

„Deshalb macht es Sinn, die betroffenen Patienten besonders genau auf ein sogenanntes intermittierendes Vorhofflimmern zu untersuchen, welches schwer detektierbar ist. Genau dieses Ziel verfolgt die Studie, indem sie diejenigen Patienten bereits in den ersten Tagen auf Station nach dem Schlaganfall herausfiltert, die aufgrund von detektierten Arrhythmien ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern tragen.“

Bedsite-Monitoring auf Arrhythmie direkt nach dem Schlaganfall

Insgesamt 297 Patienten nahmen an der Studie teil und wurden zwischen 8 und 23 Monaten nach dem Ereignis beobachtet, entweder mit implantierten Kardiomonitoren (ICM) oder engmaschigen EKG-Kontrollen. Bei 46 (15,4%) von ihnen kam es als primärem Endpunkt im Median nach 3,5 Monaten zu mindestens einem Vorhofflimmern von 30 Sekunden. Bei Patienten mit kontinuierlichem Monitoring durch einen implantierten Kardiomonitor betrug die Rate an Vorhofflimmern 18,4% (n = 33), bei wiederholten Langzeit-EKGs 11% (n = 13).

 „Einem solchen ICM - oder im Fachjargon Loop Recorder genannten - Aufzeichnungsgerät entgeht natürlich bei korrekter Funktion kein einziges Vorhofflimmern“, erläutert Schäbitz. „Damit erklären sich die höheren Fallzahlen bei Patienten mit einem solchen Gerät. Aber das können wir nicht bei Allen routinemäßig einsetzen.“

Arrhythmie schon auf Station ist bester Prädiktor für Vorhofflimmern

Nach Multivariablen-adjustierten Analysen zeigten sich die Rhythmus-Auffälligkeiten, die in den ersten Tagen aufgenommen worden waren, als einziger signifikanter Faktor zur Prognose für Vorhofflimmern (Hazard Ratio: 3,1; 1,6-5,8 im 95%-Konfidenzintervall, p < 0,001) im Vergleich zu den Risikofaktoren Lebensalter, CHA2DS2-VASc-Score und NT-proBNP (N-terminales pro-B natriuretisches Peptid). Unabhängig analysiert, stellten sie sich ebenfalls als signifikantester Prognosefaktor heraus (HR: 2,2; 1,5-3,3 im 95%-KI, p < 0,001).

 
Sinnvoll ist eine solche Risikostratifikation, um Patienten für den Einsatz eines ICM auszuwählen. Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schäbitz
 

„Sinnvoll ist eine solche Risikostratifikation, um Patienten für den Einsatz eines ICM auszuwählen“, betont Schäbitz. „Dieses wird aktuell u.a. in einer großen durch die DFG finanzierten klinischen Multicenterstudie untersucht.“

Bei Menschen über 60 Jahren kam es häufiger zu solchem stillen Vorhofflimmern, unabhängig von allen anderen Faktoren. Als sekundäre Endpunkte der prospektiven Studie trat in 23 Fällen (7,7%) ein erneuter Schlaganfall und in 18 Fällen (6,1%) der Tod ein. Die Endpunkte summierten sich damit auf 77 Fälle (25,9%) von n = 297.

Ergebnisse in anderer Studiengruppe validiert

In einer Validierungsgruppe (n = 118), die an der Universität Tübingen untersucht wurde, kam es in einem entsprechenden Setting zu 47,5% Fällen von Vorhofflimmern in einer gesamten Follow-up Zeit von 5 Jahren. Allerdings waren die Patienten älter (71 ± 10,5 vs. 67,9 ± 12,7 Jahre) und zeigten ein stärkeres kardiovaskuläres Risikoprofil (Bluthochdruck bei 84,7% vs. 71,3% und höheres NT-proBNP (median 258 pg/ml vs. 191 pg/ml) als in der Münchner Gruppe. Zusätzlich trugen alle Tübinger Patienten während des Follow-ups einen ICM.

 
Catch-up ESUS wäre eine einfache, nicht invasive und routinemäßig durchführbare Methode, um das Risiko für Vorhofflimmern (...) zu bestimmen. Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schäbitz
 

„Catch-up ESUS wäre eine einfache, nicht invasive und routinemäßig durchführbare Methode, um das Risiko für Vorhofflimmern bei Patienten nach Schlaganfall durch Embolie unbekannter Ursache direkt auf Station zu bestimmen“, resümiert Schäbitz. „Damit könnten diejenigen, die ein hohes Risiko für Vorhofflimmern und damit ein erhöhtes Risiko für sekundäre Schlaganfälle tragen, direkt einer intensivierten Rhythmusdiagnostik wie mit Loop Recorder/ICM zugeführt und bei Nachweis eines Vorhofflimmerns gezielt einer antikoagulativen Therapie als Sekundärprävention zugeführt werden.“

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