Die dunkle Seite der ACE-Hemmer: Lungenkrebs-Risiken womöglich um bis zu 20% erhöht – wer ist besonders gefährdet?

Helga Gutz

Interessenkonflikte

9. Januar 2023

Angiotensin-Converting-Enzyme-Hemmer (ACEIs) werden seit den 1970er-Jahren als Mittel der 1. Wahl zur Behandlung von Bluthochdruck und Herzinsuffizienz eingesetzt, insbesondere bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung oder Diabetes mellitus. Sie haben unerwünschte Wirkungen auf die Atemwege, darunter trockener Husten, das Risiko von Atemwegsobstruktionen, und ein erhöhtes Risiko für Bronchokonstriktion oder Asthma.

Vor Jahrzehnten durchgeführte randomisierte klinische Studien (RCTs) untersuchten ACEIs nicht auf das Lungenkrebsrisiko. Mögliche Assoziationen zwischen ACEIs und Lungenkrebs wurde in Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien untersucht, mit widersprüchlichen Ergebnissen. Eine neue Metaanalyse von 11 Studien mit mehr als 13 Millionen Teilnehmern ergab, dass ACEIs das Lungenkrebsrisiko gegenüber Kontrollen um fast 20% erhöhen könnten [1]

Die Assoziation zwischen ACEIs und Lungenkrebs wird durch die Studien zum Wirkmechanismus untermauert, die zeigen, dass ACEIs an der Zellproliferation, der Angiogenese und der Tumorprogression beteiligt sind. Die Autoren dieser Metaanalyse empfehlen Haus- und Fachärzten, bei klinischen Entscheidungen Nutzen und Risiken von ACEIs abzuwägen.

Metaanalyse mit Daten von 13 Millionen Teilnehmern

Bei der Veröffentlichung handelt es sich um Metaanalyse von 11 Studien mit insgesamt 13.061.226 Teilnehmern auf Grundlage einer Suche in 5 Datenbanken: PubMed, Embase, Cochrane Library, Ovid und Web of Science. Eingeschlossen wurden 7 Kohortenstudien und 4 methodisch schwächere Fall-Kontroll-Studien.

Die eingeschlossenen Studien betrafen Erwachsene (Alter ≥18 Jahre) mit einer Nachbeobachtungszeit von mindestens 1 Jahr. Die Kontrollgruppen nahmen Angiotensin-Rezeptorblocker oder andere blutdrucksenkende Medikamente ein. Primärer Endpunkt war eine neue Lungenkrebs-Diagnose.

Signifikant höheres Lungenkrebs-Risiko

Die Gesamtinzidenz von Lungenkrebs bei ACEI-Anwendern betrug 1% bis 3%. Die Einnahme von ACEIs war mit einem um 19% erhöhten Lungenkrebsrisiko im Vergleich zu den Kontrollen verbunden (OR 1,19; 95% KI 1,05-1,36). 

In Subgruppen mit mindestens 20% Rauchern betrug die OR 1,28, was einen Anstieg um 28% gegenüber den Kontrollen bedeutete. Die OR in Subgruppen mit ≤20% Rauchern betrug 1,11, was einem Anstieg von 11% entsprach.

Die Assoziation war auch in der Untergruppe mit Diabetes mellitus bei >10% der Teilnehmer erhöht. Die OR betrug 1,33, was einem Anstieg des Lungenkrebsrisikos um 33% gegenüber den Kontrollen entsprach. In Subgruppen, in denen ≤10% der Teilnehmer Diabetes mellitus hatten, war der Effekt nicht statistisch signifikant.

Bei Teilnehmern mit einer mittleren Nachbeobachtungszeit von >5 Jahren war die Assoziation ebenfalls erhöht. Die OR betrug 1,21, was einem Anstieg um 21% entsprach. Die Subgruppe mit einer mittleren Nachbeobachtungszeit von ≤5 Jahren wies eine OR von 1,06 auf, d. h. ein um 6% erhöhtes Risiko.

Methodische Einschränkungen

Die Autoren erwähnen eine hohe Heterogenität zwischen den Studien (I2=98%). Es handelt sich nicht um RCTs, sondern überwiegend um retrospektive Beobachtungsstudien, die anfällig für mögliche Störfaktoren sind. Details, etwa unterschiedlichen Wirkungen verschiedener ACEIs oder molekularbiologische Informationen über die Arten von Lungenkrebs, fehlen bei der Analyse.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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