MEINUNG

Neuro-Talk: „Eine aufregende Zeit – 5  Studien zu Alzheimer, spinaler Lähmung und Rückenschmerzen

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener

Interessenkonflikte

21. August 2023

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener präsentiert 5 spannende Studien: Echter Fortschritt bei Alzheimer, Rückenmschmerzen und erste Erfolge bei spinalen Lähmungen.

Transkript des Videos von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Duisburg-Essen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen.

Ich habe ihnen heute 5 interessante Studien mitgebracht, die im Juli 2023 erschienen sind.

Donanemab bei Alzheimer-Krankheit

Ich würde gerne mit der Alzheimer Erkrankung beginnen. Ganz spektakulär war Anfang des Jahres eine 1. Publikation, die zeigte, dass ein Antikörper, der sich gegen Beta-Amyloid richtet, beim beginnendem Alzheimer wirksam ist, das war die Lecanemab-Studie [1].

Jetzt gibt es eine 2. Substanz, gerade publiziert in JAMA, nämlich Donanemab, die ebenfalls ein positives Ergebnis zeigte [2]. Die TRAILBLAZER-ALZ-2-Studie war eine randomisierte Studie mit einer 18-monatigen Therapiedauer.

Eingeschlossen waren 1.736 Teilnehmer mit mild cognitive impairment oder beginnender Alzheimer-Erkrankung und Nachweis entweder von Beta-Amyloid und oder Tau-Protein im PET-Scan. Diese Patienten wurden über 72 Wochen alle 4 Wochen einmal behandelt mit Donanemab oder mit Placebo. Der primäre Endpunkt war die Alzheimer Disease Rating Scale, daneben gab es noch 24 sekundäre Endpunkte.

Diese Studie war sowohl für den primären wie für 23 von 24 sekundären Endpunkten positiv. 24% der Patienten zeigten in der Kernspintomografie die bei dieser Therapie bekannten Nebenwirkungen, nämlich entweder ein Hirnödem oder Mikroblutungen.

Das ist eine aufregende Zeit, weil wir jetzt 2 monoklonale Antikörper haben, die offenbar beim beginnenden Alzheimer wirksam sind.

Was die praktischen Implikationen sind, wenn diese beiden Antikörper in Europa und Deutschland zugelassen sind, ist im Moment noch nicht abzusehen, ebenso wenig wie die Behandlungskosten.

Diät zur Prävention von kognitivem Abbau

Die 2. Studie beschäftigt sich mit einem früheren Stadium der Erkrankung, nämlich mit Personen, die älter sind und noch keine kognitiven Störungen haben, aber eine positive Familienanamnese für Alzheimer und die übergewichtig sind. Die MIND-Studie wurde im New England Journal of Medicine publiziert [3].

Die Patienten wurden in 2 Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe erhielt eine spezielle Diät, nämlich eine mediterrane Diät angereichert mit der DASH(Dietary Approaches to Stop Hypertension)-Diät, das heißt also ganz überwiegend Obst und Früchte, Vermeidung von Fett, Fleisch und frittierter Nahrung. Die Kontrollgruppe bekam lediglich eine Diät mit Kalorienreduktion. Diese Studie in den USA hat 604 Patienten eingeschlossen und über 3 Jahre beobachtet.

Leider fand sich kein wesentlicher Benefit. Beide Ernährungsformen führten interessanterweise zu einer Verbesserung kognitiver Funktionen über die Zeit, aber es zeigte sich kein Unterschied zwischen den beiden Diäten.

Das heißt natürlich nicht, dass diese Diät unwirksam ist, sondern vermutlich war der Beobachtungszeitraum zu kurz, um einen therapeutischen Nutzen zu zeigen.

Zervikale spinale Lähmungen

Meine 3. Studie beschäftigt sich mit zervikalen spinalen Querschnittslähmungen. Hier gibt es wichtige tierexperimentelle Befunde, die zeigen, dass es bestimmte biologische Wachstumsfaktoren gibt nach einer spinalen Läsion, die das Aussprossen von Nerven und die Regeneration fördern. Interessanterweise gibt es auch biologische Faktoren, nämlich sogenannte Nogos, die diese Reparaturmechanismen hemmen. Jetzt gibt es ein lösliches Nogo-Rezeptor-Fc-decoy, das diese Hemmung des axonalen Wachstums hemmt.

In Lancet Neurology ist nach erfolgreichen Studien im Tierexperiment die erste Studie am Menschen erschienen [4]. In einer ersten Studienphase erhielten die Patienten diese Substanz intrathekal in steigenden Dosen zur Untersuchung der Sicherheit und Pharmakokinetik, in einer 2. kleinen Phase wurde sie Placebo-kontrolliert bei Patienten mit zervikalem Querschnitt eingesetzt.

Die Studie zeigt, dass diese Substanz die notwendigen Konzentrationen im Liquor erreicht, um einen Effekt zu erzielen. Der Placebo-kontrollierte Teil mit 24 Patienten zeigt einen gewissen positiven Trend. Da ist jetzt eine große Phase-3-Studie notwendig.

Rückenschmerzen: Verhaltenstherapie und Opioide

Die beiden letzten Studien beschäftigen sich mit Rückenschmerzen. Die erste Studie, die RESTORE-Studie, wurde bei fast 500 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen durchgeführt und im Lancet publiziert [5]. Die australische Studie hat die Patienten in 3 Gruppen randomisiert, sie erhielten kognitive Verhaltenstherapie, kognitive Verhaltenstherapie und ein Bewegungssensoren-Biofeedback im Vergleich zu einer üblichen Behandlung.

Der primäre Endpunkt war die Roland-Morris-Disability-Skala, die den Behinderungsgrad durch die Rückenschmerzen misst. Die Behandlung dauerte 13 Wochen. Es zeigte sich ein eindeutiger Effekt der kognitiven Verhaltenstherapie. Das zusätzliche Biofeedback mit Biosensoren, die kontaktlos, also ohne Kabel, die Bewegung des Rückens messen, hatte keinen zusätzlichen therapeutischen Effekt.

Einziger Nachteil: Es gibt in Deutschland viel zu wenig Verhaltenspsychologen in der Schmerztherapie, die diese kognitive Verhaltenstherapie vermitteln können.

Die letzte Studie hat eine große praktische Konsequenz. Es ist die OPAL-Studie, die in Lancet publiziert ist [6]. In der Studie wurden 347 Patienten mit akuten Rückenschmerzen im Lumbal- und im Nackenbereich randomisiert mit einem Opioid, nämlich Oxycodon in Kombination mit Naloxon bis maximal 20 mg pro Tag, oder Placebo über 6 Wochen behandelt.

Es ist keine Überraschung, dass es keinen Unterschied gab. Es war sogar so, dass Placebo bessere Wirkungen hatte als die Opioide, das war aber nicht signifikant.

Das unterstützt die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, dass, wenn überhaupt, Opioide bei akuten Rückenschmerzen nur ganz kurzfristig gegeben werden sollten und auf gar keinen Fall über längere Zeit. Dies nicht nur, weil sie wenig wirksam sind, sondern weil auch ein erhebliches Missbrauchs- und Abhängigkeits-Risiko besteht, wenn diese Medikamente insbesondere in unretardierter Form über längere Zeit genommen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das waren 5 spannende Studien, von denen 2 meiner Meinung nach jetzt bereits Konsequenzen für die Behandlung von Patienten haben.

Ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
 

Kommentar

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