Prof. Dr. Hans-Christoph Diener stellt 6 spannende Studien aus dem Monat Januar vor – unter anderem wie man Spannungskopfschmerz ohne Medikamente effektiv behandelt.
Transkript des Videos von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Duisburg-Essen
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen. Heute will ich Ihnen berichten, welche Neuigkeiten es in der Neurologie im Januar 2023 gab.
Spannungs-Kopfschmerzen: nicht-medikamentöse Therapie
Sie wissen, dass es in den letzten Jahren unzählige Studien zur Prophylaxe der Migräne gab. Es gibt allerdings leider nur sehr wenige Studien zur Behandlung des häufigen und chronischen Spannungskopfschmerzes und insbesondere fast keine Studien zur nicht-medikamentösen Therapie.
Eine Arbeitsgruppe aus Göttingen hat vor 1 Jahr eine Studie publiziert [1]. Sie hat in diese Studie Patienten mit häufigen episodischen oder chronischen Spannungskopfschmerzen in 4 Gruppen randomisiert.
Die 1. Gruppe erhielt 12 Sitzungen Akupunktur innerhalb von 3 Monaten,
die 2. Gruppe ein Fitnesstraining 1 Stunde pro Woche für 12 Wochen,
die 3. Gruppe eine Kombination von beidem und
die 4. Gruppe bekam Standard of Care.
Nach 6 und 12 Monaten zeigte sich damals, dass diese Therapie einen Einfluss auf die Intensität der Kopfschmerzen hat, aber nicht auf die Häufigkeit.
Jetzt hat die Autorengruppe in Cephalalgia 3 weitere Endpunkte publiziert, nämlich Depressions-Skalen, Angst-Skalen und Lebensqualität [2]. Alle 3 aktiven Therapien haben diese Parameter signifikant verbessert. Standard of Care hatte keinen Einfluss auf Depressivität, Angst und Lebensqualität.
Diese Studie zeigt m.E. sehr gut, dass nicht-medikamentöse Verfahren tatsächlich wirksam sind beim chronischen Spannungskopfschmerz und die Lebensqualität signifikant verbessern.
Kopfschmerzen und COVID 19
Die 2. Arbeit ist in Headache erschienen [3]. Die Literaturübersicht zum Thema Kopfschmerzen und COVID 19 zeigt, dass die häufigsten Beschwerden bei COVID 19 Kopfschmerzen sind, dass jüngere Menschen und Menschen mit vorbestehenden Primär-Kopfschmerzen wie Migräne stärker betroffen sind von Kopfschmerzen nach COVID 19. Der Phänotyp kann der Migräne oder dem Spannungskopfschmerz ähneln.
Wichtig ist: Bei den meisten Menschen haben diese Kopfschmerzen eine gute Prognose. Es gibt aber eine kleine Untergruppe von Patienten, die einen New Daily Persistent Headache entwickeln, für den es bisher noch keine vernünftige Therapie gibt. Weiterhin fehlen Therapiestudien für diese sekundären Kopfschmerzen.
Fluvoxamin bei COVID-19
Die 3. Arbeit erschien im JAMA [4]. Zur Therapie von COVID 19 gab es ganz widersprüchliche Daten zum Einsatz von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern. Deswegen haben die Autoren nochmal eine große Studie bei ambulanten Patienten mit COVID 19 durchgeführt und Fluvoxamin 50 mg 2x täglich über 10 Tage mit Placebo verglichen. Dieser selektive Serotonin Wiederaufnahmehemmer war nicht wirksam.
Blutdrucksenkung und Demenz
Eine Arbeit im European Heart Journal ging der Frage nach, ob bei älteren Menschen mit arterieller Hypertonie die antihypertensive Therapie die Entstehung einer Demenz verhindern kann [5]. Diese Analyse von 5 randomisierten Placebo-kontrollierten Studien mit über 28.000 Patienten zeigt eindeutig, dass eine wirksame antihypertensive Therapie die Wahrscheinlichkeit, eine Demenz zu entwickeln, signifikant reduziert, und das gilt auch für sehr alte Menschen.
Der Therapieeffekt ist umso stärker, je mehr der Blutdruck gesenkt wird, wobei natürlich zu beachten ist, dass hier Nebenwirkungen auftreten können.
Thrombozytenfunktionshemmer nach intrazerebraler Blutung
Eine Studie in Stroke stellt die Frage, wann bei Patienten, die unter Thrombozytenfunktionshemmer eine intrazerebrale Blutung erlitten haben, erneut Thrombozytenfunktionshemmer eingesetzt gegeben werden können [6].
In der Registerstudie aus dem taiwanesischen Gesundheitssystem wurden 1.584 Patienten mit intrazerebraler Blutung in eine frühe Gruppe, bei denen die Thrombozytenfunktionshemmer innerhalb von 30 Tagen erneut gegeben wurden, und eine späte Gruppe aufgeteilt, die Thrombozytenfunktionshemmer erneut nach 31 bis 365 Tagen erhielten.
Die Häufigkeit von erneuten intrazerebralen Blutungen betrug etwa 3,2% und war unabhängig davon, wann die Thrombozytenfunktionshemmer erneut gegeben wurden.
Körperliche Aktivität bei Morbus Parkinson mit Depression
In Neurology ist eine Metaanalyse von 19 randomisierten und Placebo-kontrollierten Studien zum Einfluss von körperlicher Aktivität auf Patienten mit Morbus Parkinson und begleitender Depression erschienen [7].
Diese Metaanalyse zeigt eindeutig, dass eine regelmäßige sportliche Betätigung nicht nur die Symptome der Parkinson-Erkrankung bessert, sondern auch eine Begleitdepression. Der Effekt hängt davon ab, wie intensiv die körperliche Betätigung ist.
Also auch hier wieder eine wirksame nicht-medikamentöse Therapie mit wenig oder keinen Nebenwirkungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das waren 6 neue Studien aus dem Januar 2023.
Ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit.
Medscape © 2023
Diesen Artikel so zitieren: Neuro-Talk: Spannungskopfschmerz ohne Medikamente behandeln, Blutdruck senken als Demenz-Prophylaxe und Sport bei Parkinson - Medscape - 27. Feb 2023.
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