Sind kleine Kinder unruhig, greifen manche Eltern zum Smartphone oder zum Tablet, um den Nachwuchs zu beschäftigen und zu besänftigen. Dass das keine gute Idee ist, konnten Dr. Jenny S. Radesky von der Abteilung Pädiatrie der University of Michigan Medical School in Ann Arbor, USA, und Kollegen jetzt zeigen. Die Ergebnisse ihrer Kohortenstudie liefert Hinweise darauf, dass die häufige Verwendung von Handys & Co die Entwicklung der emotionalen Selbstregulation von kleinen Kindern stören kann [1].
Kinder zwischen 3 bis 5 Jahren untersucht
Radesky und Kollegen schlossen 422 Eltern-Kind-Paare in ihre Studie ein, die Kinder waren 3 bis 5 Jahre alt. Die Erhebung dauerte von August 2018 bis Januar 2020 und die Daten wurden zu Baseline (T1), nach 3 Monaten (T2) und nach 6 Monaten (T3) erhoben.
An der Baseline-Erhebung beteiligten sich 422 Eltern, nach 3 Monaten nahmen noch 375 (88,9%) daran teil und nach 6 Monaten noch 366 (86,7%). Die Kinder waren zu Studienbeginn im Durchschnitt 3,8 Jahre alt, 53,1% waren Jungen.
Zu jedem Zeitpunkt der Datenerhebung wurde die exekutive Kontrollfähigkeit (EF) mit dem Behavior Rating Inventory of Executive Function-Preschool Version Global Executive Composite und die emotionale Reaktivität mit der Child Behavior Checklist Emotional Reactivity Subscale bewertet. Festgehalten wurde auch die Wahrscheinlichkeit, mit der die Eltern Mobiltelefone oder Tablets zur Beruhigung ihrer Kinder einsetzten.
Höhere emotionale Reaktivität bei häufigerem Einsatz von Smartphones
Bei den Jungen, deren Eltern nach 3 Monaten angaben, Handys und Tablets häufiger zur Beruhigung einzusetzen, zeigte sich nach 6 Monate eine höhere emotionale Reaktivität (standardisierter Regressionskoeffizient r = 0,20; 95-Konfidenzintervall: 0,10-0,30).
Eine höhere emotionale Reaktivität der Kinder nach 3 Monaten war – wenn auch nicht signifikant – mit dem verstärkten Einsatz von Smartphones nach 6 Monaten assoziiert (r = 0,10; 95%-K: -0,01-0,21).
Bei Kindern mit lebhaftem Temperament war die Verwendung von Smartphones zur Beruhigung nach 3 Monaten mit erhöhter emotionaler Reaktivität nach 6 Monaten verbunden (r = 0,11; 95%-KI: 0,01-0,22). Eine höhere emotionale Reaktivität bei diesen Kindern nach 3 Monaten war mit einer erhöhten Gerätenutzung zur Beruhigung nach 6 Monaten verbunden (r = 0,13; 95% KI: 0,02-0,24).
Lernstrategien zur Selbstregulation beeinträchtigt
„Die Ergebnisse unserer Studie deuten darauf hin, dass die häufige Verwendung von Handys zur Beruhigung von Kleinkindern deren Möglichkeiten zum Erlernen von Strategien zur Selbstregulation im Laufe der Zeit verdrängen kann“, schreiben Radesky und Kollegen.
„Die Verwendung von Mobilgeräten zur Beruhigung von Kleinkindern mag wie ein harmloses, vorübergehendes Mittel erscheinen, um den Stress im Haushalt zu reduzieren, aber es kann langfristige Folgen haben, wenn es eine regelmäßige Beruhigungsstrategie ist“, so die Studienautoren. Sie heben hervor, dass Kinderärzte Eltern dazu ermutigen sollten, ihre Kinder auf andere Art und Weise zu beruhigen.
Was Kinderärzte zum Umgang mit Smartphones empfehlen
In ihrem Positionspapier zu medienbezogenen Störungen im Kindes- und Jugendalter fordert die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (DGKJP) schon seit Jahren den weiteren Ausbau präventiver Maßnahmen. Die gemeinsame Suchtkommission der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaft und Verbände (BAG, KJPP, BKJPP, DGKJP) hat dazu folgende Empfehlungen verabschiedet:
Bis zum Schulbeginn sollen Kinder nur analog und nicht mit Hilfe digitaler Medien lernen und spielen. Dies schließt die erste kindgerechte Vermittlung von Medienkenntnissen im Vorschulalter nicht aus.
Vor Besuch der 5. Klasse sollten die Kinder kein eigenes Smartphone besitzen. Danach sollte die Nutzung unter elterlicher Steuerung, Aufsicht und Medienkompetenzvermittlung (zeitlich und inhaltlich) erfolgen.
Für die Nutzung von PC, Spielekonsolen, Spiele am Smartphone und sozialer Netzwerke sowie für den Konsum von Serien, Filmen, Clips sollten folgende Zeiten gelten: max. 45 Minuten am Tag für Kinder im Alter von 7 bis 10 Jahren bzw. max. eine Stunde für Kinder im Alter von 11 bis 13 Jahren und max. 1,5 Stunden am Tag für Kinder ab 14 Jahren
PC im eigenen Zimmer: frühestens ab 12 Jahren, Regeln vereinbaren und kontrollieren (z.B. nicht nachts spielen)
Internetzugang nicht unter 8 Jahren, ab 8 Jahren nur für Kinder geeignete Seiten unter Aufsicht, ab 12 Jahren auch alleine
Chatten: nicht unter 8 Jahren, ab 8 Jahren nicht ohne Kontrolle und nur für Kinder geeignete Angebote, ab 11 Jahren Regeln vereinbaren und kontrollieren
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Credits:
Photographer: © Antonio Guillem
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Diesen Artikel so zitieren: Smartphone-Schnuller macht kirre: Handynutzung stört emotionale Selbstregulation von Kleinkindern – diese Regeln helfen - Medscape - 5. Jan 2023.
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