Warum junge Männer mit dem metabolischen Syndrom oft an Gicht leiden – und was Ärzte dagegen unternehmen sollten

Heidi Splete

Interessenkonflikte

2. Januar 2023

Das metabolische Syndrom bedeutet für junge Männer auch ein deutlich erhöhtes Gichtrisiko. Dieses Risiko lässt sich allerdings verringern, indem Ärzte einzelne Parameter des metabolischen Syndroms optimieren, wie Daten aus 2 populationsbasierter Studien zeigen [1,2]

Gicht wird immer öfter diagnostiziert

Zum Hintergrund: Die Gicht ist nach wie vor die häufigste Form der entzündlichen Arthritis bei Männern mit ansteigender Tendenz unter jüngeren Erwachsenen. Das berichten Dr. Yeonghee Eun und ihr Team von der Sungkyunkwan University im südkoreanischen Seoul. Es gibt immer mehr Belege für einen Zusammenhang zwischen Gicht und metabolischem Syndrom (MetS), doch fehlten bisher großen Studien, insbesondere mit jüngeren Erwachsenen, um dies zweifelsfrei zu belegen. 

Assoziation zwischen Gicht und dem metabolischen Syndrom

Die Forschenden untersuchten die Daten von 3.569.104 Männern zwischen 20 und 39 Jahren, die sich in Südkorea zwischen 2009 und 2012 einer ärztlichen Untersuchung unterzogen. Alle Daten stammten aus dem Korean National Health Insurance Service. 

Gicht als primärer Endpunkt wurde anhand von Leistungsdaten ermittelt. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer betrug 31,5 Jahre. 

Bei einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 7,4 Jahren lag die Gichtinzidenz bei 3,36 Fällen pro 1.000 Personenjahre. Das Risiko, an Gicht zu erkranken, war bei Patienten, welche die diagnostischen Kriterien des MetS erfüllten, mehr als doppelt so hoch im Vergleich zu Männern, für die das nicht galt (adjustierte Hazard Ratio [aHR]: 2,44).

Das MetS wurde hier definiert als das Vorhandensein von mindestens 2 der folgenden Kriterien:

  • Hypertriglyceridämie

  • abdominale Adipositas

  • vermindertes HDL

  • erhöhter Blutdruck 

  • erhöhter Nüchternblutzucker.

Insgesamt hatten Patienten, die alle 5 Kriterien erfüllten ein 5-fach erhöhtes Gichtrisiko im Vergleich zu Personen, die kein MetS hatten (aHR: 5,24). Bei einer Analyse der einzelnen MetS-Kriterien zeigten die Hypertriglyceridämie und die abdominale Adipositas den stärksten Zusammenhang mit einer Gicht (aHR: 2,08 bzw. 2,33).

Der Einfluss des MetS auf das Risiko eines Gichtanfalls war bei jüngeren Teilnehmern größer. Das spricht dafür, die Behandlung des MetS bei jungen Männern noch einmal hervorzuheben, so die Forschenden.

In einer weiteren Analyse der BMI-Untergruppen hatte das MetS den größten Einfluss auf das Gichtrisiko bei untergewichtigen Personen (aHR: 3,82). Insbesondere bei den Untergewichtigen stieg das Gichtrisiko um das 10-Fache, wenn eine abdominale Adipositas vorlag.

Limitationen der Studie

Mehrere Einschränkungen müssen bei der Studie in Kauf genommen werden: Es gab einen möglichen Selektions-Bias und aufgrund der Verwendung von Diagnosecodes auch eine mögliche Überschätzung der Gichtinzidenz. Weitere Limitierungen ergaben sich aus der fehlenden Kontrolle von ernährungsabhängigen Risikofaktoren und aus der Unmöglichkeit, Fälle einzubeziehen, die erst nach dem Erfassungszeitraum für die Studie auftraten.

Die Ergebnisse wurden möglicherweise durch die große Anzahl von Teilnehmern mit MetS, die unter- oder normalgewichtig waren, verstärkt. Weitere Untersuchungen zum Wirkmechanismus seien erforderlich, schreiben die Autoren. Die Daten deuteten jedoch darauf hin, dass das MetS ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung einer Gicht bei jungen Männern sei.

Wie gelingt es, das Gicht-Risiko zu verringern? 

In einer 2. Studie untersuchten Eun et al. den Zusammenhang zwischen Veränderungen des MetS und dem Auftreten von Gicht bei jungen Männern. 

Obwohl frühere Studien gezeigt hätten, dass Veränderungen des MetS-Status das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, Vorhofflimmern, Nierenerkrankungen im Endstadium und die Gesamtmortalität verändern könnten, seien Effekte dieser Veränderungen mit Blick auf die Gicht bisher nicht gut untersucht worden, so die Forschenden. 

Sie verwendeten dieselbe Studienkohorte, nämlich die Datenbank des National Health Insurance Service in Südkorea und prüften die Daten von 1.293.166 Personen zwischen 20 und 39 Jahren. Bei 18.473 von ihnen wurde eine Gicht diagnostiziert, was einer Inzidenz von 3,36 Fällen/1.000 Personenjahren entspricht. Die Forschenden verglichen die Gichtinzidenz bei Männern, die bei 3 Vorsorgeuntersuchungen die MetS-Kriterien erfüllten, mit der bei Männern ohne MetS.

Insgesamt hatten MetS-Patienten bei allen 3 Kontrolluntersuchungen ein beinahe 4-mal so hohes Gichtrisiko wie Personen, die nie ein MetS hatten (aHR: 3,82). Die Entwicklung eines MetS während des Studienzeitraums ließ das Gichtrisiko um mehr als das Doppelte ansteigen. Die Erholung von einem MetS reduzierte das Gichtrisiko auch wieder um etwa 50% (aHR: 0,52).

Die stärksten Assoziationen mit einer Gicht wurden ganz ähnlich wie bei der Studie aus Frontiers in Medicine bei der Änderung der erhöhten Triglyceride und der abdominalen Adipositas festgestellt (aHR für Entwicklung und Erholung bei erhöhten Triglyceriden 1,74 bzw. 0,56 und bei abdominaler Adipositas 1,94 bzw. 0,69).

Weitere Untersuchungen seien sicherlich erforderlich, um den verantwortlichen Mechanismus zu erforschen, über den sowohl die abdominale Adipositas als auch erhöhte Triglyceridwerte eine Gicht vorantreiben können, schreiben die Forschenden.

Ähnlich wie in der Frontiers-Studie waren die Assoziationen zwischen Veränderungen des MetS und dem Auftreten einer Gicht bei den jüngsten Teilnehmern (in ihren 20er-Jahren) und in den BMI-Gruppen mit Unter- oder Normalgewicht größer.

Limitationen der 2. Studie

Zu den Einschränkungen in der 2. Studie gehörten ebenfalls ein möglicher Selektionsbias aufgrund der Studienpopulation aus Beschäftigten am Arbeitsplatz, die an regelmäßigen Gesundheitsprüfungen teilnahmen, sowie das Fehlen von Daten über Frauen oder über Männer ab 40, so die Forschenden. 

Zudem konnten Fehleinstufungen von MetS aufgrund unterschiedlicher Ergebnisse von Gesundheitsprüfungen und Medikamentenangaben nicht ausgeschlossen werden und es fehlten Daten zum Harnsäure-Spiegel im Serum, was eine Bewertung der Gicht als Folge einer Hyperurikämie verhinderte.

Die Ergebnisse konnten sich jedoch auf eine riesige Stichprobe stützen, sodass die Hinweise auf das metabolische Syndrom als beeinflussbaren Gicht-Risikofaktor blieben, so die Forschenden.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

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