Der Wintersturm „Elliot“ hat in Teilen der USA bislang zu etwa 40 Todesopfern geführt, meist aufgrund von Verkehrsunfällen. Wissenschaftler warnen aber vor anderen, weniger offensichtlichen Folgen: In manchen Orten sind durch „Elliot“ die Temperaturen auf bis zu -45°C gesunken. Extrem kalte, aber auch extrem heiße Temperaturen stehen mit einer höheren kardiovaskulären Sterblichkeit in Verbindung. Das zeigt die Auswertung von Daten aus 27 Ländern [1].
Analyse zeigt Folgen des Klimawandels auf unsere Gesundheit
„Viele Umwelteinflüsse [auf die Gesundheit] werden sich durch den Klimawandel verstärken“, erklärt Dr. Barrak Alahmad von der Harvard T. H. Chan School of Public Health der Harvard University in Boston und Fakultätsmitglied am College of Public Health der Kuwait University in Kuwait City, gegenüber Medscape.
„Die Untersuchung der Belastung durch extreme Temperaturen wird es uns ermöglichen, besser zu verstehen, was der Klimawandel für kardiovaskuläre Risiken bedeuten könnte“, sagt er. Angesichts des sich rasch verändernden Klimas und des beispiellosen Tempos der Erwärmung sei es an der Zeit, hier gegenzusteuern.
Alahmad merkt an, dass keine bestimmten Temperaturen als „extrem“ gelten würden. „Hitze und Kälte sind kontext- und ortsspezifisch. Die Folgen eines extremen Temperaturereignisses (beispielsweise eines Tages mit 40°C) auf die menschliche Gesundheit hängen davon abhängen, wo und wann dies auftritt; 40°C in Kuwait ist ein typischer Sommertag, während 40°C in London zu weitreichenden, unkalkulierbaren Schäden führen könnten.“
Fachgesellschaften gefordert
Die Studie, die in Circulation veröffentlicht worden ist, hat ergeben, dass von 1.000 Todesfällen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD) 2,2 auf extrem heiße Tage und 9,1 auf extrem kalte Tage zurückzuführen waren. In den untersuchten Städten reichte die Temperaturspanne von -30°C in Helsinki bis 44°C in Kuwait City.
„Ich fordere die kardiologischen Fachgesellschaften wie das American College of Cardiology und die American Heart Association auf, wissenschaftliche Stellungnahmen zu erarbeiten, die Leistungserbringern im Gesundheitswesen genaue Anhaltspunkte bieten“, so Alahmad. „In der Zwischenzeit würde ich [den Patienten] sagen: ‚Wenn Sie eine Herzerkrankung haben, ist es ratsam, bei extremen Wetterbedingungen besondere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um die Gesundheit Ihres Herzens zu schützen.‘“
Daten aus 567 Städten in 27 Ländern
Für ihre Studie nutzen die Forscher Daten des Multi-Country Multi-City Collaborative Network, um Informationen zu kardiovaskulären Todesursachen aus 567 Städten in 27 Ländern auf 5 Kontinenten von 1979 bis 2019 zu sammeln.
Die Analysen umfassten Todesfälle durch jegliche kardiovaskuläre Ursache (32.154.935), durch ischämische Herzkrankheiten (11.745.880), durch Schlaganfälle (9.351.312), durch Herzversagen (3.673.723) und durch Herzrhythmusstörungen (670.859).
Die regionalen täglichen Umgebungstemperaturen wurden aus Wetterstationen und aus weiteren Klimadaten gewonnen.
Anhand verschiedener Modelle ermittelten Forscher die Perzentile der Extremtemperaturen mit der minimalen Sterblichkeitstemperatur (MMT) – der Temperatur mit der geringsten Sterblichkeit – an jedem Ort.
Relative Risiken steigen
Die gepoolte Gesamtbeziehung zwischen Temperatur und CVD-Mortalität war nicht linear. Das Sterberisiko stieg sowohl bei warmen als auch bei kalten Temperaturen. Das relative Sterberisiko (RR) stieg bei kalten Temperaturen unterhalb der MMT allmählich an. Bei warmen Temperaturen war der Anstieg etwas steiler, insbesondere bei Herzinsuffizienz.
Die gepoolten relativen Sterberisiken in Verbindung mit extremer Hitze (99. Perzentil gegenüber MMT) betrugen 1,07 für ischämische Herzkrankheiten, 1,10 für ischämische Schlaganfälle und 1,12 für Herzversagen.
Die gepoolten RRs in Verbindung mit extremer Kälte (1. Perzentil im Vergleich zur MMT) für ischämische Herzkrankheiten, ischämische Schlaganfälle und Herzversagen betrugen 1,33, 1,32 bzw. 1,37.
Das Risiko, an Herzrhythmusstörungen zu sterben, war bei extremer Hitze (1,05) und Kälte (1,19) mit statistisch größerer Unsicherheit behaftet, verglichen mit den erstgenannten Zahlen.
Insgesamt war eine Reihe extremer Temperaturen (definiert als heiße Tage über dem 97,5. Perzentil bzw. kalte Tage unter dem 2,5. Perzentil) für 2,2 bzw. 9,1 übermäßige Todesfälle pro 1.000 kardiovaskuläre Todesfälle verantwortlich.
Herzversagen war mit dem höchsten Anteil an übermäßigen Todesfällen an extrem heißen Tagen (2,6 pro 1.000 Todesfälle durch Herzversagen) und kalten Tagen (12,8) verbunden.
Die Ergebnisse blieben auch nach Bereinigung möglicher Störgrößen wie Temperaturschwankungen, der relativen Luftfeuchtigkeit und Luftschadstoffen (z.B. Ozon, Stickstoffdioxid, Feinstaub) bestehen.
Zu den Einschränkungen der Studie gehören die Unterrepräsentation einiger Regionen, etwa Südasien, des Nahen Ostens und Afrika sowie mögliche Einflussfaktoren auf individueller Ebene wie Alter, Geschlecht und Bildung.
Den Kohlendioxid-Fußabdruck minimieren
„Der erste Schritt, um die gesundheitlichen Auswirkungen extremer Hitze- und Kälteperioden, die mit dem Klimawandel einhergehen, abzuschwächen, besteht darin, dass wir alle unseren Kohlendioxid-Fußabdruck verringern“, sagt Dr. Nieca Goldberg, medizinische Direktorin des Atria New York und Professorin für Medizin an der NYU Grossman School of Medicine in New York City, gegenüber Medscape.
„Wir sehen immer mehr Elektroautos auf den Straßen, und die Modeindustrie konzentriert sich auf Nachhaltigkeit“, merkt sie an. „Die Gesundheitsbranche muss mehr Forschung über die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels finanzieren.“
Goldberg: „In der Praxis müssen Hausärzte und Kardiologen ihren Patienten raten, sich bei extremen Temperaturen nicht im Freien aufzuhalten, wenn sie an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden oder gefährdet sind. Außerdem kann ein herzgesunder Lebensstil mit einer pflanzlichen, mediterranen Ernährung und mit Spaziergängen dazu beitragen, das kardiovaskuläre Risiko und den ökologischen Fußabdruck zu senken.“
Der Beitrag wurde von Michael van den Heuvel aus Medscape.com übersetzt und adaptiert.
Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der Link zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine Nachrichten aus der Medizin verpassen.
MEHR
Credits:
Photographer: © Linqong
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2022 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Mehr kardiovaskuläre Todesfälle nach Winterstürmen oder Hitzewellen – Forscher warnen vor Folgen des Klimawandels - Medscape - 28. Dez 2022.
Kommentar