Montreal – Personen, die eine Levothyroxin-Behandlung wegen einer subklinischen Hypothyreose absetzen, neigen zwar dazu, wieder eine leichte Schilddrüsenunterfunktion zu entwickeln. Allerdings zeigen sich keine Unterschiede hinsichtlich der Symptomatik und der Lebensqualität. Mitunter kommt es gar zu einer Verbesserung im Vergleich zu Personen, welche die Behandlung fortsetzen – so lautet das Ergebnis einer neuen Studie [1].
„Unsere Resultate zeigen, dass … das Absetzen von Levothyroxin bei Patienten mit subklinischer Hypothyreose sicher ist“, sagte die Erstautorin der Studie Dr. Spyridoula Maraka von der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel an der University of Arkansas for Medical Sciences in Little Rock auf der Jahrestagung 2022 der American Thyroid Association (ATA).
Da es Hinweise auf eine Überversorgung mit Levothyroxin aus vielfältigen Gründen gebe, „ist eine Absetzstudie wie diese wichtig, um die tatsächliche Notwendigkeit einer lebenslangen Thyroxingabe zu erkennen“, kommentierte Dr. James V. Hennessey, Direktor der klinischen Endokrinologie am Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston, Massachusetts, gegenüber Medscape.
Levothyroxin wird bei subklinischer Hypothyreose oft verordnet
Zum Hintergrund: Die subklinische Hypothyreose wird häufig überdiagnostiziert. Es hat sich auch herausgestellt, dass die Levothyroxingabe als Hormonersatzstoff den Betroffenen, wenn überhaupt, allenfalls geringe Vorteile in Bezug auf ihre Lebensqualität oder die Linderung ihrer schilddrüsenbedingten Symptome bringt.
Inzwischen rücken bei der Therapie zunehmend die Kosten und die Anpassungen des Lebensstils ins Blickfeld, und so hat auch kürzlich ein Leitliniengremium eine deutliche Empfehlung gegen die routinemäßige Levothyroxingabe bei den meisten Erwachsenen mit subklinischer Hypothyreose ausgesprochen.
Dennoch hat die Behandlung mit Levothyroxin stark an Popularität gewonnen, und so zählt es auch nicht nur in Deutschland (L-Thyroxin Henning® im Jahr 2020 auf Platz 9) zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten.
Randomisiert-kontrollierte Studie zum Therapieabbruch
Da es bislang kaum Studien über das Absetzen einer Levothyroxinbehandlung bei dieser Gruppe an Patienten gegeben hat, führten Maraka und ihr Team am Central Arkansas Veterans Healthcare System eine doppelblinde, placebokontrollierte Studie durch. Sie haben 50 Patienten, die wegen einer subklinischen Hypothyreose behandelt wurden, randomisiert einer Gruppe mit Levothyroxin (25-75 µg täglich) oder Placebo zugewiesen. Als Nachbeobachtungszeitraum waren 6 Monate vorgesehen.
In einer Zwischenanalyse berichtete Maraka jetzt über die ersten 40 Patienten – jeweils 20 aus der Placebo- und der Verumgruppe.
Zu Studienbeginn gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen der Placebo- und der Levothyroxin-Gruppe. Das mittlere Alter lag bei 66,2 bzw. 70,8 Jahren. In der Placebogruppe waren mehr Frauen (75%) und in der Verumgruppe mehr Männer vertreten (85%).
Die TSH-Ausgangswerte waren mit 3,0 vs. 2,6 mIU/l in den Gruppen ähnlich. Bei den Werten für das freie T4 (beide 0,9 ng/dl), den Anteil mit positiven Schilddrüsenperoxidase-Antikörpern (17% vs. 11%). Bei den klinischen Symptomen sah es nicht anders aus. Alle Patienten hatten mindestens einen erhöhten TSH-Wert, bevor sie mit der Levothyroxin-Behandlung begonnen hatten.
Nach einem Nachbeobachtungszeitraum von 6 bis 8 Wochen wiesen 36,8% der Patienten in der Placebogruppe eine subklinische Hypothyreose auf. In der Levothyroxingruppe waren es 10% (p=0,0648). Die TSH-Werte lagen bei 5,5 gegenüber 2,7 mIU/l (p=0,001) und die Werte für das freie T4 bei 0,8 gegenüber 0,9 ng/dl (p=0,011).
Keine Unterschiede bei Symptomen und bei der Lebensqualität
Auffällig war, dass in Bezug auf die Symptome keine signifikanten Unterschiede zwischen der Verum- und der Placebogruppe, die ja die Behandlung mit Levothyroxin abgesetzt hatte, zu finden waren.
Es konnten im Gegenteil sogar Verbesserungen durch das Absetzen der Medikation beobachtet werden. So gab es im ThyPRO-Hypothyroid Symptoms-Score (Thyroid-Specific Quality of Life Patient-Reported Outcome) einen Rückgang von 4,6 Punkten in der Verum-Gruppe gegenüber einem Anstieg um 2,2 Punkte in der Placebo-Gruppe und beim Thema Müdigkeit einen Rückgang um 2,6 Punkte gegenüber einer Verbesserung um 1,1 Punkte. Beim EQ-5D (EuroQoL 5-Dimension Self-Report Questionnaire) zur Lebensqualität fanden Wissenschaftler keine Unterschiede zwischen den Gruppen.
Berichte über manifeste Hypothyreosen, Hyperthyreosen, kardiovaskuläre Ereignisse wie Vorhofflimmern, Schlaganfall oder Herzversagen, osteoporotische Frakturen oder Todesfälle gab es keine.
1 Patient in der Absetzgruppe wies nach 6 bis 8 Wochen einen TSH-Wert von 11 mIU/l auf und wurde auf Levothyroxin 75 µg täglich umgestellt. 1 weiterer Patient in der Absetzgruppe wechselte nach 10 Wochen aufgrund von Müdigkeit auf eine Tagesdosis von 75 µg Levothyroxin, doch wurde bei ihm einen Monat später ein metastasiertes Dickdarmkarzinom diagnostiziert.
Mit etwa 1 Drittel subklinischer Hypothyreosen unter den Personen, die das Levothyroxin abgesetzt hätten, liege dieser Wert niedriger als die Forschenden erwartet hatten, bemerkte Maraka.
„Das war schlicht unerwartet“, sagte sie. „Wir waren davon ausgegangen, dass mehr Personen, die das Levothyroxin absetzten, in eine Hypothyreose gleiten würden, doch aber zu unserer Überraschung war das nicht der Fall.“
„Noch wichtiger aber ist die Tatsache, dass es keinen Unterschied bei der Bewertung der Lebensqualität in den beiden Gruppen gab“, fügte sie hinzu. „Wenn überhaupt, schlug das Pendel eher zur Seite der Placebogruppe aus, wenngleich der Unterschied statistisch nicht signifikant war.“
Maraka erklärte zudem, dass sie und ihr Team in weiteren Untersuchungen und einer abschließenden 6-Monats-Analyse nach Faktoren suchen wollten, die mit der Entwicklung einer subklinischen Hypothyreose nach dem Absetzen der Behandlung in Zusammenhang stehen könnten.
Absetzen von Levothyroxin eine sinnvolle Option
Die Ergebnisse seien ermutigend, denn sie führten zu der Gewissheit, dass das Absetzen von Levothyroxin beherrschbar sei, betont Maraka.
„Diese Forschungsergebnisse werden den Weg für Initiativen ebnen, die das Absetzen von Levothyroxin und die Umsetzung einer stärker evidenzbasierten Versorgung von Patienten mit subklinischer Hypothyreose fördern“, sagte sie.
Hennessey wies auf das signifikante Dilemma hin, dass Patienten, die Levothyroxin erhielten, möglicherweise von der Behandlung überhaupt nicht profitierten, aber manchmal zögerten, ihre Therapie abzubrechen, weil sie befürchteten, Hypothyreose-Symptome wie Bewusstseinstrübungen und eine Zunahme des Körpergewichts zu entwickeln.
Er wies jedoch darauf hin, dass „sich bei vielen Patienten ein leicht erhöhter TSH-Wert mit der Zeit normalisiert, sodass keine wirkliche Schilddrüsenunterfunktion vorliegt, und wenn wir Menschen mit normaler Schilddrüsenfunktion das Thyroxin nicht mehr geben, bleibt ihre Schilddrüse normal“.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Credits:
Photographer: © Jarun011
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: Levothyroxin bei subklinischer Hypothyreose absetzen oder nicht? Wie neue Daten bei der Entscheidung helfen - Medscape - 24. Feb 2023.
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