Drosten: „Die Pandemie ist vorbei“; Ende der einrichtungsbezogenen Impfpflicht; Long-COVID und Geruchsverlust

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

27. Dezember 2022

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 27. Dezember 2022

Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 188 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 23. Dezember lag der Wert bei 259. Die Daten sind aufgrund der Feiertage wenig aussagekräftig; ein Meldeverzug gilt als wahrscheinlich. Für den 22. Dezember hat das RKI 254 Fälle pro 100.000 Menschen angegeben.

„Aktuell wissen wir, dass die sehr starke Infektionswelle gerade ihre Spitze erreicht hat und die Zahl der Infektionen in den kommenden Tagen hoffentlich sinkt“, so Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin. Es zeichne sich bereits ein leichter Rückgang bei Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) und bei anderen Infektionserkrankungen ab.

Unsere Themen heute:

  • Drosten: „Die Pandemie ist vorbei“

  • 31. Dezember: Ende der einrichtungsbezogenen Impfpflicht

  • Molnupiravir bei Risikopatienten ohne Mehrwert

  • Warum Patienten mit Long-COVID an Geruchsverlust leiden

  • Neue Daten bestätigen: Impfungen sind der bessere Weg – und nicht Infektionen

Drosten: „Die Pandemie ist vorbei“

Die aktuelle Lage hat auch Prof. Dr. Christian Drosten von der Charité-Universitätsmedizin in Berlin kommentiert. „Wir erleben in diesem Winter die 1. endemische Welle mit SARS-CoV-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei“, sagte er. Die Immunität in der Bevölkerung werde nach diesem Winter so breit und belastbar sein, dass das Virus im Sommer kaum noch durchkommen könne.

Lockdowns oder Kontaktverbote bewertet der Experte retrospektiv betrachtet als sinnvoll. „Es ging nie darum, die Pandemie aufzuhalten, es war von Anfang an klar, dass das nicht möglich ist“, sagt der Virologe. „Aber hätte man gar nichts gemacht, dann wäre man in Deutschland in den Wellen bis zu Delta auf eine Million Tote oder mehr gekommen.“ Eine weitere gefährliche Mutation erwartet er derzeit nicht.

In der Ampel-Koalition diskutieren Politiker jetzt das weitere Vorgehen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb er auf Twitter : „Christian Drosten gehörte in der Pandemie zu den vorsichtigsten Wissenschaftlern. Nun lautet sein Befund: Die Pandemie ist vorbei. Wir sind im endemischen Zustand.“ Und weiter: „Als politische Konsequenz sollten wir die letzten Corona-Schutzmaßnahmen beenden.“

Mit der Erklärung von Drosten werde „jeglicher Grundrechtseinschränkung zur Eindämmung des Coronavirus die Grundlage entzogen“, sagte auch der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki.

Janosch Dahmen, Gesundheitsexperte bei den Grünen, mahnt zur Vorsicht. Bis zum Frühjahr sollte man wegen der aktuell noch starken Verbreitung des Virus und den damit einhergehenden Personalausfällen und der Belastung des Gesundheitswesens „weiter rücksichtsvoll sein und in Innenräumen deshalb Maske tragen, Händehygiene einhalten und auf regelmäßiges Lüften achten“, lautet sein Rat.

31. Dezember: Ende der einrichtungsbezogenen Impfpflicht

Mit dem Jahreswechsel endet auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Experten kommen zu recht unterschiedlichen Bewertungen.

„Es war eine richtige Entscheidung, die Impfpflicht zu etablieren und genau so richtig ist es, sie jetzt wieder aufzulösen“, sagt etwa Prof. Dr. Peter Kern, Leiter der Klinik für Immunologie am Klinikum Fulda.

„Aus unserer Sicht wäre sie in Kombination mit einer allgemeinen Impfpflicht nützlich gewesen“, erklärt hingegen Christel Bienstein, Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe. „Da diese aber nicht durchgesetzt wurde und sich bei den aktuellen Varianten des Virus gezeigt hat, dass man trotz Impfung das Virus weitergeben kann, lässt sich die Impfpflicht nicht mehr halten.“

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, findet deutliche Worte: „Die Politik hat mit der Impfpflicht aufs falsche Pferd gesetzt“. Besser wäre gewesen, flächendeckende Tests auf Viren und Keime wie Corona, Grippe oder MRSA zu Beginn eines Krankenhaus- oder Pflegeheimaufenthalts zu entwickeln.

Ein genereller Kritikpunkt war die unterschiedliche Handhabung von Sanktionen. In Rheinland-Pfalz beispielsweise gab es mehr als 1.900 Bußgeldverfahren gegen Angestellte, die keinen Impfnachweis vorgelegt haben – in Bayern kein einziges.

Molnupiravir bei Risikopatienten ohne Mehrwert

Die Sicherheit und Wirksamkeit von Molnupiravir, einem oralen antiviralen Medikament zur Behandlung von SARS-CoV-2, wurde bei geimpften Patienten, die ein erhöhtes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko durch COVID-19 aufweisen, noch nicht untersucht. Neue Erkenntnisse liefert PANORAMIC, eine multizentrische, offene, prospektive, adaptive, randomisiert-kontrollierte Studie.

Eingeschlossen wurden Personen mit erhöhtem Risiko für schweres COVID-19:

  • Patienten ab 50 Jahren

  • Patienten ab 18 Jahren mit zusätzlichen Komorbiditäten

Alle Teilnehmer litten seit maximal 5 Tagen an symptomatischem COVID-19.

Zwischen dem 8. Dezember 2021 und dem 27. April 2022 wurden 26.411 Personen den beiden Studienarmen nach dem Zufallsprinzip zugewiesen, davon 12.821 der Gruppe Molnupiravir plus übliche Versorgung, 12.962 der Gruppe mit Standard-Versorgung allein und 628 anderen Behandlungsgruppen.

Das Durchschnittsalter der Population betrug 56,6 Jahre, und 24.290 (94%) der 25.708 Teilnehmer hatten mindestens 3 Dosen eines SARS-CoV-2-Impfstoffs erhalten.

Krankenhausaufenthalte oder Todesfälle wurden bei 105 (1%) von 12.529 Teilnehmern in der Gruppe Molnupiravir plus übliche Behandlung gegenüber 98 (1%) von 12.525 in der Gruppe mit üblicher Behandlung verzeichnet (bereinigte Odds Ratio 1,06 [95%- Bayes'sches Glaubwürdigkeitsintervall 0,81-1,41].

Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten bei 50 (0,4%) von 12.774 Teilnehmern in der Gruppe Molnupiravir plus übliche Behandlung und bei 45 (0,3%) von 12.934 Teilnehmern in der Gruppe mit üblicher Behandlung auf. Bei keinem dieser Ereignisse wurde ein Zusammenhang mit Molnupiravir festgestellt.

Bleibt als Fazit: „Molnupiravir verringerte die Häufigkeit von COVID-19-assoziierten Krankenhausaufenthalten oder Todesfällen bei geimpften Erwachsenen mit hohem Risiko … nicht“, schreiben die Autoren.

Warum Patienten mit Long-COVID an Geruchsverlust leiden

Der Grund, warum manche Menschen ihren Geruchssinn nach COVID-19 nicht wiedererlangen, hängt mit einem anhaltenden Immunangriff auf olfaktorische Nervenzellen und einem damit verbundenen Rückgang der Anzahl dieser Zellen zusammen. Das zeigt eine neue Studie.

Forscher analysierten Proben des olfaktorischen Epithels aus 24 Biopsien. Darunter waren 9 Proben von Personen mit Long-COVID und mit Geruchsverlust.

Einzelzellanalysen zeigten eine starke Infiltration von T-Zellen, die an einer Entzündungsreaktion im olfaktorischen Epithel beteiligt sind. Dieses Gewebe ist in der Nase lokalisiert; dort sich Geruchsnervenzellen zu finden. Trotz negativer Tests auf SARS-CoV-2 trat der inflammatorische Vorgang auf.

Darüber hinaus war die Anzahl der olfaktorischen sensorischen Neuronen verringert, möglicherweise aufgrund einer Schädigung des empfindlichen Gewebes durch die anhaltende Entzündung.

Neue Daten bestätigen: Impfungen sind der bessere Weg – und nicht Infektionen

US-Forscher haben geimpfte und genesene Patienten hinsichtlich ihres immunologischen Schutzes verglichen. Ihre Daten kamen aus Indiana, USA. Sie glichen 267.847 Personenpaare ab.

  • 6 Monate nach dem Indexdatum, also einer Impfung oder einer Infektion, war die Inzidenz der SARS-CoV-2-Infektion bei den Geimpften signifikant höher (6,7%) als bei den zuvor Infizierten (2,9%).

  • Die Gesamtmortalität war bei den Geimpften jedoch um 37% niedriger als bei den zuvor Infizierten.

  • Die Häufigkeit von Besuchen in der Notaufnahme und stationären Behandlungen war bei den Geimpften um 24% bzw. 37% niedriger als bei den zuvor Infizierten.

„Die signifikant niedrigeren Raten von Krankenhausaufenthalten, Krankenhausaufenthalten und Sterblichkeit bei den Geimpften unterstreichen den realen Nutzen der Impfung“, so die Autoren.

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Kommentar

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