Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.
Corona-Newsblog, Update vom 22. Dezember 2022
Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 254 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 21. Dezember lag der Wert bei 251.
Unsere Themen heute:
China: Ohne weitere Maßnahmen bis zu 1 Million Tote?
Myokarditis/Perikarditis nach Impfungen: Was ist bekannt?
Neue Wissensdatenbank: Infektionen richtig behandeln
Von welchen Arzneimitteln profitieren COVID-19-Patienten wirklich?
„Never-COVID“-Menschen: Genetik oder Glück gehabt?
COVID-19: Mehr Endokarditis-Fälle bei Patienten mit Opioid-Konsum
Nach COVID-19: Wie wir von der mRNA-Technologie künftig profitieren
China: Ohne weitere Maßnahmen bis zu 1 Million Tote?
Berichte aus China geben Hinweise auf eine gigantische Corona-Welle, lassen sich aber nicht immer neutral überprüfen. Viele Krankenhäuser scheinen überfüllt zu sein und es soll 3- bis 4-mal mehr Tote bei Krematorien geben, verglichen mit dem Zeitraum vor der Pandemie.
Eine derzeit nur als Preprint verfügbare Simulation zeigt das mögliche Ausmaß. Forscher haben die Wirksamkeit heterologer Auffrischungsimpfungen bewertet. Sie rechnen ohne besondere Maßnahmen mit insgesamt 1 Million COVID-19-Toten innerhalb der nächsten Monate.
Bei einer Durchimpfungsrate von 85% mit der 4. Dosis und einer antiviralen Behandlung von 60% aller Patienten würde die kumulative Sterblichkeit um 26-35% auf 448-503 Fälle pro Million gesenkt, verglichen mit einer Politik ohne eine dieser Maßnahmen. Die gleichzeitige Wiedereröffnung aller Provinzen ohne solche Maßnahmen hingegen würde zu einem Bedarf an medizinischer Behandlung führen, welche der 1,5- bis 2,5-fachen Spitzenkapazität der Krankenhäuser entspricht.
„Obwohl der Anstieg der Krankheitslast durch die Wiedereröffnung im Dezember 2022 bis Januar 2023 wahrscheinlich viele lokale Gesundheitssysteme im ganzen Land überfordern würde, könnte die kombinierte Wirkung von Impfung, antiviraler Behandlung und Public-Health-Maßnahmen die COVID-19-Morbidität und -Mortalität beim Übergang Chinas … zur Normalität erheblich reduzieren“, schreiben die Autoren.
Myokarditis/Perikarditis nach Impfungen: Was ist bekannt?
In einem Update informiert die Deutsche Herzstiftung über Risiken einer Myokarditis oder Perikarditis in Zusammenhang mit COVID-19-mRNA-Impfungen. Der Verlauf sei oft mild und selbstlimitierend, heißt es in der Übersicht.
Wie bekannt, ist die Rate solcher Ereignisse nach der 2. Impfung, speziell bei Männern, erhöht.
Eine Übersichtsarbeit mit 23 Studien hat gezeigt, dass die günstige Prognose von Erwachsenen auch bei Patienten zwischen 12 und 20 Jahren gilt. Zwar wurden die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufgrund ihrer Beschwerden stationär überwacht. Todesfälle gab es aber nicht.
Auch die 180-Tage-Prognose war, verglichen mit Myokarditiden aufgrund von Virusinfektionen, gut.
Das Risiko einer Myokarditis/Perikarditis nach COVID-19-Impfungen istvähnlich hoch wie bei anderen Impfungen, etwa Influenza.
Neue Wissensdatenbank: Infektionen richtig behandeln
Nicht nur bei COVID-19, sondern bei Infektionen aller Art gibt es zahlreiche Möglichkeiten der Diagnostik und der Therapie. Jetzt hat die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) einen webbasierten Leitfaden für Ärzte entwickelt. Infektiopedia stellt evidenzbasiertes Wissen für Ärzte zusammen. „Ziel ist es, eine schnellere und bessere Entscheidungsfindung zu ermöglichen – etwa bei der Verordnung von Antibiotika“, schreibt die DGI. „Die stille Pandemie der Antibiotikaresistenzen verlangt die größtmögliche Aufmerksamkeit hinsichtlich eines adäquaten Einsatzes dieser Medikamente.“
Von welchen Arzneimitteln profitieren COVID-19-Patienten wirklich?
Seit Beginn der Pandemie haben Forscher zahlreiche Studien zum Nutzen von Pharmakotherapien bei schwerkranken COVID-19-Patienten veröffentlicht. Dabei ging es meist um kurzfristige Effekte. Der längerfristige Nutzen jenseits von 30 Tagen war unbekannt. Die randomisierte, kontrollierte Studie REMAP-CAP sorgt jetzt für mehr Evidenz.
4.869 kritisch kranke erwachsene Patienten mit COVID-19 wurden zwischen dem 9. März 2020 und dem 22. Juni 2021 an 197 Standorten in 14 Ländern eingeschlossen. Die 180-Tage-Nachbeobachtung endete am 2. März 2022.
Alle Patienten wurden randomisiert einer oder mehreren Interventionen in 6 Behandlungsbereichen zugewiesen: Immunmodulatoren (n = 2.274), Rekonvaleszenzplasma (n = 2011), Thrombozytenaggregationshemmer (n = 1.557), Antikoagulation (n = 1033), Virostatika (n = 726) und Kortikosteroide (n = 401).
Primärer Endpunkt war das Überleben bis zum Tag 180. Eine Hazard Ratio (HR) von weniger als 1 bedeutete eine Verbesserung des Überlebens (Überlegenheit), während eine HR von mehr als 1 eine Verschlechterung des Überlebens (Schaden) darstellte. Ein fehlender klinischer Nutzen wurde durch eine relative Verbesserung des Ergebnisses von weniger als 20%, also durch eine HR von mehr als 0,83, definiert.
Von den 4.869 randomisierten Patienten (Durchschnittsalter 59,3 Jahre; 1.537 [32,1%] Frauen) hatten 4.107 (84,3%) einen bekannten Vitalstatus; 2.590 (63,1%) waren am Tag 180 noch am Leben. Die Ergebnisse für die verschiedenen Therapeutika sind:
IL-6-Rezeptor-Antagonisten verbesserten mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 99,9% die 6-Monats-Überlebensrate (bereinigte HR: 0,74; 95%-Kredibilitätsintervall: 0,61-0,90] im Vergleich zur Kontrollgruppe.
Bei Thrombozytenaggregationshemmern betrug die Wahrscheinlichkeit 95% (bereinigte HR: 0,85; 95%-KrI: 0,71-1,03) im Vergleich zur Kontrollgruppe.
Der Kortikosteroid-Teil der Studie wurde vor Erreichen eines vordefinierten statistischen Ziels frühzeitig gestoppt; die Wahrscheinlichkeit einer Verbesserung des 6-Monats-Überlebens lag bei unterschiedlichen Hydrokortison-Dosierungsstrategien bei 57,1% bis 61,6%.
Dagegen war die Wahrscheinlichkeit einer Nutzlosigkeit (HR > 0,83) hoch für:
therapeutische Antikoagulation (99,9%; HR 1,13; 95-%-KrI 0,93-1,42),
Rekonvaleszentenplasma (99,2%; HR 0,99; 95-%-KrI 0,86-1,14) und
Lopinavir-Ritonavir (96,6%; HR 1,06; 95-%-KrI 0,82-1,38).
„Bei kritisch kranken Patienten mit COVID-19, die für eine oder mehrere therapeutische Maßnahmen randomisiert wurden, führte die Behandlung mit einem IL-6-Rezeptor-Antagonisten mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 99,9% zu einer Verbesserung der 180-Tage-Sterblichkeit im Vergleich zu den Patienten, die in die Kontrollgruppe randomisiert wurden, und die Behandlung mit einem Thrombozytenaggregationshemmer hatte eine Wahrscheinlichkeit von 95,0% für eine Verbesserung der 180-Tage-Sterblichkeit im Vergleich zu den Patienten, die in die Kontrollgruppe randomisiert wurden“, resümieren die Autoren.
„Never-COVID“-Menschen: Genetik oder Glück gehabt?
Ein aktueller Beitrag in der New York Times greift ein umstrittenes Thema auf, das seit Beginn der Pandemie diskutiert wird: Gibt es tatsächlich „Never-Covider“, also Menschen, die sich nicht mit SARS-CoV-2 infizieren?
Das ist zumindest theoretisch denkbar: SARS-CoV-2 dringt in Wirtszellen ein, indem es das Angiotensin-Converting-Enzym 2 (ACE2) bindet. Im Rahmen einer genomweiten Assoziationsstudie konnten Forscher bereits Mitte 2021 zeigen, dass eine seltene Variante existiert, welche die ACE2-Expression herunterreguliert – und auch das Risiko einer COVID-19-Erkrankung verringert. Ein Aufruf, um mögliche „Never-Covider“ zu finden, folgte. Doch wissenschaftliche Ergebnisse gibt es bislang nicht. Menschen, die gegen SARS-CoV-2 vermeintlich resistent sind, haben möglicherweise sehr starke Immunreaktionen, insbesondere in den Zellen, die das Innere ihrer Nase auskleiden.
COVID-19: Mehr Endokarditis-Fälle bei Patienten mit Opioid-Konsum
Die Inzidenz von Endokarditis in den USA nimmt zu, was zum Teil auf den Anstieg des intravenösen Drogenkonsums, vor allem von Opioiden und Stimulanzien (Kokain und Methamphetamin), zurückzuführen ist. Mehrere Fallberichte liefern Hinweise, dass Personen mit COVID-19 ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. Es ist jedoch nicht bekannt, ob COVID-19 bei Patienten mit Opioid- oder Stimulanzien-Konsum mit einem erhöhten Risiko einer Endokarditis verbunden ist. Dieser Frage sind Wissenschaftler jetzt nachgegangen.
Grundlage ihrer retrospektiven Kohortenstudie war eine landesweite Datenbank mit elektronischen Gesundheitsakten von 109 Millionen Patienten in den USA, darunter 736.502 Patienten mit Opioid- und 379.623 Patienten mit Kokain-Konsum.
COVID-19 war mit einem erhöhten Risiko der Neudiagnose einer Endokarditis bei Patienten mit Opioid- (HR: 2,23; 95%-KI: 1,92-2,60) und mit Kokain-Konsum (HR: 2,24; 95%-KI: 1,79-2,80) assoziiert.
Bei Personen mit Opioid- oder Kokain-Konsum betrug das 180-Tage-Risiko, stationär behandelt zu werden, nach einer Endokarditis 67,5% bei Patienten mit COVID-19, verglichen mit 58,7 % bei den entsprechenden Patienten ohne COVID-19 (HR: 1,21; 95%-KI: 1,07-1,35).
Das 180-Tage-Mortalitätsrisiko nach der Neudiagnose einer Endokarditis betrug 9,2% bei Patienten mit Opioid-/Kokain-Konsum und COVID-19 im Vergleich zu 8,0% bei vergleichbaren Patienten ohne COVID-19 (HR: 1,16; 95% KI: 0,83-1,61).
„Diese Studie zeigt, dass COVID-19 bei Patienten mit Opioid- oder Kokainkonsum mit einem deutlich erhöhten Endokarditisrisiko verbunden ist“, kommentieren die Autoren. Ihre Ergebnisse machten deutlich, dass bei diesen Patienten ein Endokarditis-Screening, eine Behandlung von Infektionskrankheiten und von Suchtkrankheiten erforderlich sein könnte.
Nach COVID-19: Wie wir von der mRNA-Technologie künftig profitieren
Als vor 2 Jahren die ersten COVID-19-Impfstoffe verabreicht wurden, war dies ein bahnbrechender Moment im Kampf gegen die Pandemie. Aber es war auch ein bedeutender Moment für mRNAs. Jetzt hoffen Wissenschaftler, diese Technologie zur Entwicklung weiterer Impfstoffe zu nutzen.
Ein in Science veröffentlichter Artikel berichtet über erfolgreiche Tierversuche mit einem experimentellen Influenza-Vakzin. Die Idee ist nicht, die jährliche Grippeschutzimpfung zu ersetzen. Vielmehr planen Wissenschaftler, einen zu Primer entwickeln, der in der Kindheit verabreicht werden könnte und die B-Zellen und T-Zellen des Körpers darauf vorbereitet, schnell zu reagieren, wenn sie mit einem Grippevirus in Berührung kommen.
Jährliche Impfungen schützen vor Grippe-Subtypen, von denen bekannt ist, dass sie sich gerade ausbreiten. Aber viele Subtypen zirkulieren in Tieren, wie Vögeln und Schweinen, und springen gelegentlich auf Menschen über und verursachen Pandemien.
„Derzeit zugelassene Impfstoffe bieten nur sehr geringen Schutz gegen diese anderen Subtypen“, sagt der Hauptautor der Studie, Prof. Dr. Scott Hensley von der University of Pennsylvania. „Wir wollten einen Impfstoff herstellen, der ein gewisses Maß an Immunität gegen praktisch jeden uns bekannten Influenza-Subtyp bietet.“
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Credits:
Photographer: © Jaroslav Moravcik
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: Rangliste der besten Corona-Therapien; Gibt es „Never-COVID-Menschen“?; Bis zu 1 Mio. Tote in China?; Opioide und Endokarditis - Medscape - 22. Dez 2022.
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