MEINUNG

Biden, Trump und Kennedy – Mythen um Gesundheitszustand von US-Präsidenten haben Tradition

Marc Fröhling & Sebastian Schmidt

Interessenkonflikte

22. Dezember 2022

Am 20. November 2022 feierte US-Präsident Joe Biden seinen 80. Geburtstag und ist damit älter als alle seine Vorgänger. Auch Alt-Präsident Donald Trump sieht seine 76 Jahre nicht als Hinderungsgrund noch mal in das anstrengende Rennen um die nächste Präsidentschaft einzusteigen.

Ronald D. Gerste

Traditionell wird in den USA in der Bevölkerung viel über den Gesundheitszustand des Präsidenten spekuliert. Coliquio hat mit dem Arzt, Historiker und Autor Ronald D. Gerste gesprochen: Gerste blickt hinter die Mythen und ordnet ein.

Anfang Januar 2023 will Biden nach eigener Aussage entscheiden, ob er für eine 2. Amtszeit kandidieren wird. Zum Ende einer 2. Amtsperiode wäre er dann 86 Jahre alt. Dabei ist sein Alter schon länger ein Politikum, damit einher gehen Bedenken zur Fitness und Gesundheit des Präsidenten. Bereits vor seiner Wahl zum Staatsoberhaupt wurde sein Gesundheitszustand öffentlich mehrfach angezweifelt.

Coliquio: Herr Gerste, Sie leben und arbeiten in der Nähe von Washington D.C.. Wie geht es dem US-Präsidenten aktuell, was ist über seinen momentanen Gesundheitszustand bekannt?

Gerste: Offen gestanden: Ich wünsche mir, mit 80 so (relativ) gut drauf zu sein wie er. Biden macht einen für dieses Alter körperlich fitten Eindruck; dass man mal vom Fahrrad fällt oder auf einer Treppe ins Stolpern kommt, dürfte auch Jüngeren gelegentlich passieren.

 
Biden macht einen für dieses Alter körperlich fitten Eindruck Ronald D. Gerste
 

Was über jüngere Befunde bekannt ist: Bei einer Koloskopie ist im vergangenen Jahr ein 3 Millimeter großes tubuläres Adenom entfernt worden, das hier von den Medien als „potenziell präkanzerös“ beschrieben wurde – auch nichts wirklich Ungewöhnliches in dem Alter.

Auf COVID-19 wurde er zweimal positiv getestet – ich zögere mit der Formulierung „hat COVID gehabt“, da es sich nach allem, was bekannt wurde, um ein Testergebnis, nicht um eine Erkrankung gehandelt hat.

Coliquio: Für seine politischen Gegner, allen voran Ex-Präsident Donald Trump, steht fest, dass Biden ungeeignet für das Amt ist. Sie unterstellten „Sleepy Joe“ schon das ein oder andere Mal mangelnde geistige Fähigkeiten. Was ist dran an den Behauptungen? 

Gerste: Biden hat immer mal wieder Wortfindungsstörungen, das Stammeln ist nicht so ganz neu bei ihm. Gelegentlich kommen bei ihm – einem Politiker, der während seiner ganzen Laufbahn wegen zahlreicher „gaffes“, sprachlicher Schnitzer, den Medien immer wieder Stoff für ironische oder empörte Stories geliefert hat – Aussagen heraus, die nicht gut durchdacht sind. So hat man eine Bemerkung von ihm über ein vor Jahren entferntes kleines Melanom der Haut als Bekenntnis, er habe (momentan) Krebs, missverstehen können.

Das Gedächtnis lässt ihn manchmal im Stich. So hat er kürzlich bei einer Rede nach einer vermeintlich im Publikum befindlichen Kongressabgeordneten gesucht und „Where is Jackie? Where is Jackie? gerufen. Die Politikerin, Jackie Walorski aus Indiana, war indes einige Wochen zuvor bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen.

Zum Thema „Sleepy“ gibt es übrigens ein besseres Beispiel aus der Geschichte der amerikanischen Präsidentschaft. William Howard Taft – er regierte von 1909 bis 1913 – hatte schwere Schlafapnoe; bei seinem Gewicht von zeitweise rund 350 Pfund nicht ganz ungewöhnlich. Er schlief bei allen unpassenden Gelegenheiten ein, bei einem Staatsbankett, bei der Fahrt im offenen Automobil und sogar für einige Minuten im Stehen.

Kommentar

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