Artikelzitate gelten als Maßstab für akademischen Erfolg. Haben Redakteure des British Medical Journal ein besonderes Händchen dafür vorherzusagen, welche wissenschaftlichen Arbeiten nach Veröffentlichung besonders häufig zitiert werden? Haben sie nicht. Das zeigen die Ergebnisse einer Kohortenstudie, in der Dr. Sara Schroter vom BMA House London und ihre Kollegen die prognostischen Fähigkeiten der Redakteure unter die Lupe genommen hatten [1].
Die Ergebnisse dieser – und anderer erstaunlicher Studien – sind in der Weihnachtsausgabe des BMJ erschienen.
Für die Zitate-Studie wurden 534 Manuskripte erfasst, die zwischen dem 27. August 2015 und dem 29. Dezember 2016 beim BMJ eingereicht worden waren. 10 Redakteure des BMJ-Forschungsteams stellten die Probanden. Die begutachteten Manuskripte wurden von den Redakteuren unabhängig voneinander hinsichtlich ihres Zitationspotenzials im Jahr der Erstveröffentlichung und im Folgejahr bewertet:
keine Zitate,
unterdurchschnittlich (< 10 Zitate),
durchschnittlich (10–17 Zitate) oder
hoch (> 17 Zitate).
Die prognostizierten Zitate wurden dann mit den tatsächlichen Zitaten aus dem Web of Science (WOS) abgeglichen.
Von 534 Manuskripten wurden 505 veröffentlicht, 22 waren unveröffentlicht, und eine Zusammenfassung wurde zurückgezogen. Unter den 505 Manuskripten betrug die mediane Anzahl der Zitate im Jahr der Veröffentlichung und im darauffolgenden Jahr 9 Zitate.
277 Manuskripte (55%) wurden mehr als 10-mal zitiert,
105 wurden (21%) 10- bis 17-mal zitiert und
123 (24%) wurden (24%) mehr als 17-mal zitiert.
Bei allen 10 Redakteuren stiegen die prognostizierten Bewertungen tendenziell mit den tatsächlichen Zitierungen an, allerdings mit beträchtlichen Abweichungen innerhalb der Kategorien. 9 Redakteure konnten bei mehr als 50% der Manuskripte nicht die richtige Zitierungskategorie ermitteln.
Insgesamt lag der durchschnittliche Prozentsatz der Redakteure, die die richtige Kategorie vorhersagten, bei 43%. Bei 160 Manuskripten (32%) trafen mindestens 50% der Redakteure die richtige Kategorie.
„Weder einzeln noch als Gruppe waren die Redakteure in der Lage, das Zitierpotenzial von Manuskripten einzuschätzen“, schreiben Schroter und ihre Kollegen. Zwar existiere keine spezielle prognostische „Weisheit der Gruppe“, dennoch sei das Vorgehen durchaus positiv zu bewerten: „Die meisten Redakteure waren eher zurückhaltend und stuften Arbeiten mit geringer tatsächlicher Zitierhäufigkeit selten als Arbeiten mit hohem Zitierpotenzial ein. Stattdessen werteten sie eher Arbeiten mit hoher Zitierhäufigkeit als solche mit geringem Zitierpotenzial ein. Wir halten dies für eine gute Sache, weil die Redakteure versuchen, sich auf die Qualität der Manuskripte und die Bedeutung des Inhalts zu konzentrieren, anstatt sich von der Impact-Faktor-Manie beeinflussen zu lassen.“
M.A.S.H., Awakening, Rotbart & Co: Ärzte als Kinohelden
Wer erinnert sich nicht an Harrison Ford als Dr. Richard Kimble in „The Fugitive“ oder an Naomi Watts als Dr. Maria Bennett in „The Impossible“? In Actionfilmen oder Thrillern tauchen Ärzte häufiger als Leinwandhelden auf. „Tatsächlich aber ist die Medizin an sich in der Welt des Kinos erstaunlich unterrepräsentiert“, konstatiert Filmkritikerin Anna Smith. In der BMJ-Weihnachtsausgabe stellt sie zusammen mit Kolumnisten der Fachzeitschrift und dem Chefredakteur des BMJ ihre Lieblingsfilme mit Ärzten vor [2].
Smiths Nummer 1 ist „The Diving Bell and the Butterfly“ von 1997, das kreativ die Memoiren des Journalisten Jean-Dominique Bauby adaptiert, der nach einem Schlaganfall am Locked-in-Syndrom leidet.
Platz 2 in Smiths Hitliste belegt „Awakenings“. Das Drama von 1990 thematisiert die Arbeit des Neurologen Oliver Sacks mit katatonischen Patienten und zeigt ergreifende Szenen mit Robin Williams und Robert De Niro. Eine Einschätzung, die auch Dr. Kamran Abbasi, Chefredakteur des BMJ, teilt: „Awakenings kam in die Kinos, als ich noch Medizin studiert habe“, erinnert sich Abbasi. Er habe sich den Film damals vor allem angeschaut, weil Robert De Niro darin die Hauptrolle gespielt habe, berichtet Abbasi. „Awakenings basiert auf wahren Begebenheiten und zeigt uns die Grenzen der Medizin auf, aber auch, dass wir uns um die Kranken kümmern können, auch wenn wir sie nicht immer heilen können“, so Abbasi.
Für Dr. Helen Salisbury, Allgemeinmedizinerin, zählt der 70er-Jahre-Klassiker M*A*S*H zu ihren Lieblingsfilmen. In der Militärsatire von Robert Altman versuchen die Ärzte eines mobilen Lazaretts, mitten im Koreakrieg ihren Verstand nicht zu verlieren. Es gebe viel, was man daran nicht mögen könne, vor allem der Sexismus sei nicht gut gealtert, schränkt Salisbury ein. „Aber der Film ist immer noch brillant. Sehr witzig, ein dunkler Humor, den die meisten Ärzte aus ihren schlimmsten Nachtschichten kennen werden, in denen man weinen musste, wenn man nicht lachen konnte.“
Hausarzt Dr. John Launer empfiehlt 3 Filme von Akira Kurosawa: „Drunken Angel“ über einen engagierten alkoholabhängigen Gemeindearzt, „The Quiet Duel“, in dem es um einen Kriegschirurgen geht, der sich durch ein Skalpell während einer Operation mit Syphilis infiziert, und „Rotbart“ – seinen Favoriten. „Ein Porträt der Beziehung zwischen einem ruppigen Arzt und seinem neuen Auszubildenden, der anfangs unglaublich hochmütig und arrogant ist, aber allmählich erkennt, warum sein Lehrer von seinen Patienten respektiert und verehrt wird“, schreibt Launer.
Dr. David Oliver, Allgemeinmediziner und Geriater, nennt den 2012 erschienenen „The Best of Men“ über die Pionierarbeit von Ludwig Guttmann mit querschnittsgelähmten Soldaten im Stoke Mandeville Hospital. Guttmann führte erstmals den Sport in die Rehabilitation ein und gilt als Vater der Paralympics.
Das Drama „Wit“, das auf dem gleichnamigen Theaterstück von Margaret Edsons basiert, hat Dr. Rachel Clarke, Fachärztin für Palliativmedizin, ganz besonders beeindruckt. „Der Film wurde mir am ersten Tag des Medizinstudiums gezeigt, und ich wünschte, jeder Medizinstudent könnte ihn auch sehen – er zeigt auf verblüffende Weise, worauf es in der Medizin ankommt“, schreibt sie. Emma Thompson spielt darin eine Literaturprofessorin, die an fortgeschrittenem Eierstockkrebs erkrankt ist, sich einer experimentellen Hardcore-Chemotherapie unterzieht und sich anfangs mit bissigem Witz gegen die Grausamkeiten ihrer Behandlung durch die Ärzte wehrt.
„The Sims 4“: Überleben als Mediziner
„Ausbildung“ einmal anders: Telefon anklicken, „Job finden“ wählen, auf „Arzt“ klicken und schon ist man ein medizinischer Praktikant, der 18 Simoleons pro Stunde verdient. „Anders als im echten Leben ist es in ‚The Sims‘ erschreckend einfach, Arzt zu werden“, konstatiert Spielejournalist Jordan Oloman, der wissen wollte, wie es sich als Arzt im Computerspiel „The Sims 4“ lebt und dazu tagelang den Charakter eines Mediziners eingenommen hatte [3]. Der grundlegende Karriereweg eines Sims-Arztes sieht so aus: Putzen, Essen ausliefern, Patienten an der Rezeption aufnehmen und Patienten impfen.
Oloman zieht mit seinem Sim in eine Einzimmerwohnung in San Myushino, die einer Großstadt wie London im Spiel am nächsten kommt. Weiterhin bleibt die Ausbildung eher wenig strukturiert: „In einer Mitteilung zur klinischen Orientierung an meinem ersten Arbeitstag im Krankenhaus wird mir nahegelegt, ich solle mir Zeit nehmen, um mich mit dem Arbeitsplatz und meinen Kollegen vertraut zu machen. Aber während meiner gesamten Laufbahn als Arzt ist mein einziger Bekannter mein Vermieter, den ich ein paar Mal zum Abendessen eingeladen habe“, schreibt Oloman.
Sim-Mediziner führen Tests an Patienten durch, um den Diagnosegrad zu erhöhen („schwach“ bis „überzeugend“) und überweisen sie zur Behandlung. Später sind sie in der Lage, die Patienten zu diagnostizieren und zu behandeln, wobei sie komplexere Geräte wie Röntgenbilder und Laufbandtests einsetzen können. Praktischerweise haben Patienten visuelle Anzeichen und bestimmte Verhaltensweisen, die man lernen kann, genau wie im richtigen Leben. Auch wenn es in der Sims-Welt nur 8 Krankheiten gibt, sei es trotzdem ein sehr schwieriger Prozess, die richtige Diagnose zu stellen. Zumal sich Patienten – falsch diagnostiziert – aus dem Bett erheben und sich einfach in Luft auflösen.
Nach etwa 6 Stunden Spielzeit wird Oloman zur Krankenschwester befördert – ein weiterer Schritt auf der Karriereleiter. Innerhalb weniger Wochen im Spiel wird sein Sim dann vom Facharzt zum Chirurgen befördert und erhält die Eigenschaft „Krankheitsresistenz“, eine Fähigkeit, mit der er die Wahrscheinlichkeit, krank zu werden, verringern oder ganz ausschalten kann. Sein Charakter wird zu Notfällen und Ausbrüchen gerufen, erreicht schließlich den Spitzenjob Chefarzt.
Olomans Fazit nach mehreren Wochen: „Ich würde keinen Tag als Arzt im echten Leben überleben.“
Superheldin nach Bluttransfusion: Wie Jennifer Walters zu She-Hulk wird
Dr. Neil Barrett vom Department of Haematology in Dublin erörtert in der BMJ-Weihnachtsausgabe ungewöhnliche hämatologische Auswirkungen einer Bluttransfusion [4]. Empfängerin der Transfusion ist Jennifer Walters, Teil der renommierten Anwaltskanzlei Goodman, Lieber, Kurtzberg und Holliway, der einzigen Kanzlei der Welt, die Mandanten mit Superkräften – darunter Hulk Dr. Bruce Banner – vertritt.
Barrett verweist auf die Transfusions-assoziierte Graft-versus-Host-Reaktion (TA-GvHD) als seltene Komplikation bei Bluttransfusionen. Dabei dringen lebensfähige Lymphozyten aus einem Blutprodukt in den Empfänger ein. Ein Prozess, der häufig tödlich endet, denn dabei greifen die T-Zellen des Spenders die Haut, die Leber, den Magen-Darm-Trakt und das Knochenmark des Empfängers an. Die Zahl der transfundierten vitalen T-Lymphozyten, die Immunschwäche des Empfängers und die Ähnlichkeit der HLA-Expression zwischen Spender und Empfänger zählen zu den primären Risikofaktoren für eine TA-GvHD.
Walters allerdings entwickelt eine Nebenwirkung der besonderen Art: Bei einem Autounfall wurde sie versehentlich mit dem Blut von Dr. Bruce Banner kontaminiert und erhält nach ihrer Genesung dessen Fähigkeit, sich in einen Hulk zu verwandeln.
Barrett weist auch auf die aktuelle Kampagne des National Health Service (NHS) „Blood and Transplant“ und der Regierung von Wakanda (einem fiktionalen Land aus Marvel-Comics), „Not Family, but Blood“ hin und ruft zu Blutspenden auf. „Es ist zu hoffen, dass dieser besondere Fall normale Menschen dazu ermutigt, Blut zu spenden – und sie damit zu echten Helden macht.“
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Credits:
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Diesen Artikel so zitieren: Weihnachtsausgabe des BMJ: Lieblingsfilme mit Ärzten, eine Superheldin nach Blutspende und Redakteure als Orakel für die Wissenschaft - Medscape - 21. Dez 2022.
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