München – Klagen Frauen über häufige und starke Hitzewallungen – möglicherweise schon lange vor der Menopause – könnte ihr Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse erhöht sein. Beim 64. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) riet Dr. Katrin Schaudig, Präsidentin der Deutschen Menopause-Gesellschaft, diesen Patientinnen einen internistischen oder kardiologischen Check-up zu empfehlen [1].
Im vergangenen Jahr zeigte die SWAN-Studie, dass Frauen mit häufigen Hitzewallungen (≥ 6/2 Wochen) häufiger kardiovaskuläre Ereignisse erleiden. In der Studie wurden mehr als 3.000 Frauen zwischen 42 und 52 Jahren über bis zu 22 Jahre nachbeobachtet. Es war aber nicht der erste Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen menopausalen Symptomen und kardiovaskulären Ereignissen.
Schon 2016 hatte eine Metaanalyse von 10 Studien mit mehr als 200.000 Frauen ergeben: Starke menopausale Symptome - vasomotorische Symptome, Depression, Schlaflosigkeit, Panikattacken – korrelieren mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Schlaganfälle und koronare Herzkrankheit.
Hitzewallungen sind nicht kausal für erhöhtes kardiovaskuläres Risiko
Allerdings: „Wurden die Ergebnisse um kardiovaskuläre Risikofaktoren adjustiert, war die Risikoerhöhung plötzlich weniger ausgeprägt“, berichtete Schaudig. Dies deute darauf hin, dass „das kardiovaskuläre Risiko vielleicht nicht mit den Hitzewallungen korreliert war, sondern dass möglicherweise [gemeinsame zugrundeliegende] Risikofaktoren zu den Hitzewallungen führten.“
Als Ursache für perimenopausal auftretende Hitzewallungen wird üblicherweise der abnehmende Östrogenspiegel angeführt. Aber in der SWAN-Studie zeigte sich auch, dass bei knapp der Hälfte der Frauen die vasomotorischen Symptome viele Jahre vor der Menopause einsetzten.
Hitzewallungen ohne Östrogenmangel?
„Da 10 Jahre vor der Menopause definitiv noch kein Östrogenmangel vorliegt, stellt sich die Frage, weshalb diese Frauen dann Hitzewallungen hatten“, betonte Schaudig, die in der Praxis für gynäkologische Endokrinologie Schaudig & Schwenkhagen in Hamburg tätig ist. Eine Frage, die die SWAN-Studie noch nicht beantworten konnte. Sie zeigte aber, dass bei etwa der Hälfte der Frauen mit früh einsetzenden Hitzewallungen die Beschwerden mit dem Eintreten der Menopause zurückgingen, während sie bei der anderen Hälfte noch lange nach der Menopause bestehen blieben.
Eine genauere Analyse der Frauen, die früh und lange an vasomotorischen Symptomen litten, ergab einen Zusammenhang mit der Carotis-Intima-Media-Dicke (CIMT): „Die Subgruppe mit den früh beginnenden und lange anhaltenden vasomotorischen Symptomen (26%) hat im Vergleich zu den anderen eine signifikant höhere CIMT und damit möglicherweise langfristig ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen“, so Schaudig.
Ein Blick auf den Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Hitzewallungen und der endothelialen Funktion brachte zudem zutage: Bei jüngeren Frauen (40 bis 53 Jahre) sind häufige Hitzewallungen mit einer eingeschränkten Endothelfunktion assoziiert, nicht aber bei älteren Frauen (54 bis 60 Jahre).
Hitzewallungen könnten ein eigenständiger kardiovaskulärer Risikofaktor sein
Die Autoren um Prof. Dr. Rebecca C. Thurston vom Department of Epidemiology der University of Pittsburgh Graduate School of Public Health, Pittsburgh, USA, stellten daraufhin die Hypothese auf, dass hochfrequente Hitzewallungen bei relativ jungen Frauen ein Hinweis auf ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko sein könnten – auch wenn andere Hinweise für ein solches fehlten.
Die WISE-Studie schließlich ergänzte, dass ein früher Beginn der Hitzewallungen lange vor der Menopause (unter 42 Jahre) mit einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität und einer verschlechterten Endothelfunktion assoziiert ist.
Vasomotorische Symptome lassen sich in Verlaufstypen klassifizieren
„Es scheint klassifizierbare Untergruppen bzw. Verlaufstypen vasomotorischer Beschwerden zu geben. Und vermehrte und früh einsetzende vasomotorische Symptome scheinen mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko zu korrelieren“, fasste Schaudig die Studienerkenntnisse zusammen.
Die Tatsache, dass Hitzewallungen und ein damit einhergehendes erhöhtes kardiovaskuläres Risiko auch schon lange vor der Menopause auftreten können, legte den Verdacht nahe, dass es nicht nur EINEN Pathomechanismus gibt, der die Entstehung von Hitzewallungen begünstigt. „Hitzewallungen sind keineswegs immer nur ein Östrogenmangelsymptom“, so Schaudig.
Metabolische Faktoren könnten eine Rolle spielen
Und tatsächlich zeigten Studien, dass auch eine Hyperinsulinämie zu verstärkten Hitzewallungen beitragen kann. „Das entspricht auch meiner eigenen Erfahrung in der Praxis“, berichtete Schaudig, „wenn man der Insulinresistenz entgegenwirkt, sei es durch Metformin oder Gewichtsreduktion, dann werden die Hitzewallungen besser.“
Auch in der SWAN-Studie ließ sich ein Zusammenhang zwischen Insulinresistenz und vermehrten vasomotorischen Symptomen beobachten. „Möglicherweise bewirken die im viszeralen Fettgewebe produzierten Adipokine einen der Mechanismen, der Adipositas, metabolische Störungen und vasomotorische Symptome verbindet“, sagte Schaudig.
Denn SWAN und andere Studien zeigten auch, dass vermehrte vasomotorische Symptome mit einem erhöhten Risiko für Hypertonie und erhöhte Lipide einhergehen. Und das Ausmaß und die Dauer von Hitzewallungen korrelieren positiv mit Adipositas.
Das Problem ist der erhöhte Sympathikotonus
Bereits 2017 postulierte eine finnische Arbeitsgruppe einen möglichen gemeinsamen Pathomechanismus. In Maturitas schrieben Dr. Pauliina Tuomikoski von der Universität Helsinki, Finnland, und ihre Kollegen, dass es offenbar der erhöhte Sympathikotonus sei. Sowohl der Östrogenentzug als auch die Adipositas, die Dyslipidämie, der Hypertonus und die Insulinresistenz begünstigen den erhöhten Sympathikotonus und darüber begünstigen sie die Entstehung vasomotorischer Symptome.
„Das mit vermehrten Hitzewallungen einhergehende kardiovaskuläre Risiko ist somit keineswegs die Folge hiervon, sondern sowohl den Hitzewallungen als auch dem kardiovaskulären Risiko dürfte als übergeordnete Ursache in vielen Fällen ein metabolisches Syndrom zugrunde liegen“, schlussfolgerte Schaudig.
Bei frühen Hitzewallungen kardiovaskuläre Risikofaktoren optimieren
Gebe man den Frauen Östrogene, nehme man zumindest einen Pathomechanismus weg, darüber hinaus verbesserten die Östrogene auch die Insulinresistenz. „Wir tun mit Östrogenen im Einzelfall durchaus etwas Gutes, aber das Entscheidende ist die Bekämpfung des metabolischen Syndroms“, betonte Schaudig.
Für die (gynäkologische) Praxis empfahl sie, Patientinnen mit frühem Auftreten von Hitzewallungen (prämenopausal) oder spätem Neubeginn nach der Menopause zu einem internistischen bzw. kardiologischen Checkup zu raten, um die kardiovaskulären Risikofaktoren zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren.
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Photographer: © Oleksandra Lysenko
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Diesen Artikel so zitieren: Frühe und häufige Hitzewallungen mit Risiken fürs Herz assoziiert: Daher bitte bei Menopause an kardiovaskulären Check-up denken - Medscape - 19. Dez 2022.
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