In Deutschland sind fast 20% aller Menschen von mindestens 1 Allergie betroffen. Das 21. Jahrhundert gelte allerdings als Zeit des „Allergiewahns“, schreibt Prof. Dr. Bettina Wedi von der Medizinischen Hochschule Hannover. Doch was sei „wirklich dran an Weihnachtsbaum- und Glühweinallergien“?
Weihnachtssterne – schön und schädlich
Ein Beispiel ist der beliebte Weihnachtsstern; bei ihm seien bei Latexallergikern IgE-vermittelte allergische Soforttypreaktionen wie Rhinokonjunktivitis und Asthma bronchiale beschrieben worden. Wedis Erklärung: Der Weihnachtsstern gehört zur Familie der Wolfsmilchgewächse, die auch andere latexallergenhaltige Pflanzen wie den Kautschukbaum oder den Gummibaum umfasse. Das Latexallergen der Wolfsmilchgewächse könne aerogen über den Hausstaub übertragen werden.
Latexallergien betreffen laut Wedi oft Menschen mit Gesundheitsberufen, aber auch Menschen, die sich durch multiple Operationen sensibilisiert hätten. Bei etwa 1 Drittel der Latexallergiker liegt ihren weiteren Angaben nach eine Kreuzreaktivität zu unterschiedlichen Früchten („Latex-Frucht-Syndrom“) vor, etwa zu Avocado, Banane, Pfirsich, Papaya, Mango, Tomate, Paprika, Kiwi und Esskastanie.
Nach den 1990er Jahren habe die Latexallergiker-Epidemie durch Verwendung nicht-gepuderter und latexproteinreduzierter Handschuhe deutlich abgenommen. Inzwischen seien 17 Latexallergene identifiziert worden. Die IgE-Diagnostik mit rekombinanten Einzelallergenen sei ein hilfreiches Instrument zur Diagnostik der Latexallergie, schreibt die Expertin. Dies gelte vor dem Hintergrund, dass Latexextrakte für die Hauttestung nicht mehr kommerziell erhältlich seien.
Nase weg vom Weihnachtskaktus
Eine weitere, allergologisch relevante Pflanze ist der Weihnachtskaktus (Schlumbergera), eine Pflanzengattung aus der Familie der Kakteengewächse. Der deutsche Name „Weihnachtskaktus“ verweist auf die typische Blütezeit der Pflanze rund um Weihnachten.
Außer rhinokonjunktivitischen und respiratorischen Sofortreaktionen sei auch eine Kontakturtikaria beschrieben worden, allerdings bislang nur bei beruflich bedingt sehr intensivem Kontakt, etwa bei Tätigkeit in der Kakteenaufzucht, berichtet die Autorin.
Ätherische Öle aus dem Weihnachtsbaum: Guter Duft, schlechte Wirkung
Eine allergische Reaktion könne auch der Weihnachtsbaum auslösen, und zwar eine „Airborne contact dermatitis“; betroffen seien unbekleidete Hautareale, insbesondere Gesicht und Hals. Bei dieser Reaktion handele es sich um eine T-Zell-vermittelte ekzematöse Reaktion vom Spättyp durch aerogen übertragene Kontaktallergene. Diese Sonderform der aerogenen Kontaktallergie durch einen Weihnachtsbaum sei allerdings bisher nur selten beschrieben worden, obwohl Kiefern, Fichten und Tannen ätherisches Terpentinöl und das Baumharz Kolophonium enthielten, das zu den 10 häufigsten Kontaktallergenen gehöre.
Riskante Harze
Menschen, die auf Kolophonium allergisch reagieren können, haben es offenbar nicht leicht. Sie könnten auch auf zum Beispiel Abietinsäure, Holzteere, Perubalsam, Alpha-Pinen und Terpentin reagieren. Betroffen sind laut Wedi etwa 3,5% der Erwachsenen, aber auch Kinder und Jugendliche könnten sensibilisiert sein.
Der Name Kolophonium stamme von der lydischen Stadt Kolophon, die für die Destillation von Harz bekannt gewesen sei, erklärt die Autorin. Erhärtetes Kolophonium mit einem Anteil an Abietinsäure von rund 90% werde auch als Geigenharz mit entsprechenden Kontaktallergien bei Geigern oder als Haftwachs für Sportler eingesetzt, berichtet Wedi weiter.
Selbst beim Einpacken von Geschenken müssten Kolophonium-Allergiker aufpassen. Warum? Klebeband könnte Kolophoniumderivate enthalten. Durch den normalerweise kurzen Kontakt zu Klebeband seien aber eher keine kontaktallergischen Ekzeme zu erwarten. Anders sei dies bei Wundschnellverbänden mit Klebstoffen.
Milben und Pilze – unbemerkte Zaungäste an Weihnachten
Eine Rarität sind nach weiteren Angaben der Allergologin respiratorische oder rhinitische Beschwerden durch den Weihnachtsbaum im Sinne einer IgE-vermittelten Allergie vom Soforttyp; möglicherweise seien sie eher durch eine lagerungsbedingte Kontamination des Baums mit Hausstaubmilben, Tierepithelien oder Schimmelpilzen bedingt.
Auch die für ein Jahr aufbewahrte Weihnachtsdekoration könnte mit Hausstaubmilben oder Schimmelpilzallergenen kontaminiert sein. Sogar eine Vogelhalterlunge (exogen allergische Alveolitis) durch Kontamination eines künstlichen Weihnachtsbaums mit Vogelproteinen sei schon beschrieben worden.
Ein Lichtlein brennt
Für viele Menschen gehöre zu Weihnachten Kerzenlicht und auch winterlicher Kerzen- oder Raumduft. Bei der Eigen-Herstellung von Bienenwachskerzen oder Verwendung von bienenwachshaltigen Polituren oder Externa sei eine Kontaktallergie möglich. Problematisch sind nach Angaben der Allergologin auch Duftkerzen, die ebenso wie Raumsprays, Öle für Duftlampen, Toilettenduftsteine, Mülleimer- und Staubsaugerparfüm, Katzenstreu und Dekoartikel mit Duftstoffen versetzt würden; dabei werde teilweise nicht angegeben, dass und welche Duftstoffe enthalten seien. Duftstoffe könnten als Kontaktallergene bei Hautkontakt zu einem Ekzem (Typ IV-Reaktion, Reaktion vom Spättyp) führen.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Zierpflanzen, Düfte, Öle und der Tannenbaum: Weihnachten, ein Fest der Allergien (1) - Medscape - 20. Dez 2022.
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