New Orleans – Eine Standard-Chemotherapie plus Ibrutinib (ohne oder mit autologer Stammzelltransplantation) ist möglicherweise der neue Standard für die Erstlinien-Therapie von jüngeren Patienten mit Mantelzell-Lymphom (MCL).

Prof. Dr. Martin Dreyling
Diese Aussage basiert auf den Ergebnissen der TRIANGLE-Studie des Europäischen MCL-Netzwerks, die Prof. Dr. Martin Dreyling, Leiter des Zentrums für maligne Hämatologie am CCC München LMU, in der Plenarsitzung bei der Jahrestagung 2022 der American Society of Hematology (ASH) in New Orleans vorgestellt hat [1].
Der Bruton-Tyrosinkinase-Hemmer Ibrutinib war in Kombination mit autologer Stammzell-Transplantation (ASCT) in der Wirkung auf das progressionsfreie Überleben einer alleinigen autologen Transplantation überlegen. Eine ASCT erwies sich als nicht besser wirksam als eine Behandlung mit Ibrutinib ohne ASCT. „Wir haben die autologe Stammzell-Transplantation vor 20 Jahren in die Therapie des MCL eingeführt und meiner Meinung nach ist jetzt das Bessere der Feind des Guten“ so Dreyling in einer Pressekonferenz der ASH.
Auf die Frage, ob „weniger ist mehr“ ein neuer Trend in der Therapie hämatologischer Tumoren sei, antwortete Dreyling, dass man nicht weniger, sondern intelligenter behandeln müsse. Gezieltere Therapie ging häufig mit weniger Toxizität und einem besseren Ergebnis einher.
ASCT seit 20 Jahren Therapiestandard
Das Mantelzell-Lymphom gehört zur Gruppe der malignen Lymphome. Es ist ein aggressives Non-Hodgkin-Lymphom, das bei 80% der Patienten rasch fortschreitet und umgehend behandelt werden muss. Bevorzugt sind Männer betroffen. Das Erkrankungsalter liegt im Median bei 68 Jahren. Der klinische Verlauf ist sehr variabel.
Aufgrund der von Dreyling und Kollegen im Jahr 2005 in Blood publizierten Studie des Europäischen MCL-Netzwerks zur autologen Stammzelltransplantation war dieses Verfahren seither Therapiestandard bei jüngeren Patienten. Allerdings konnte die Arbeitsgruppe erst 2021 mit einer Publikation in Lancet Hematology zeigen, dass dieses Vorgehen nicht nur das progressionsfreie, sondern auch das Gesamt-Überleben verbesserte.
„Aber keiner mag die autologe Stammzell-Transplantation, weil sie so viele Nebenwirkungen hat“, sagte Dreyling. Daher habe man sich überlegt, ob man sie auf intelligente Art und Weise ersetzen oder ergänzen kann.
Weil verschiedene Studien einen positiven Effekt des Bruton-Tyrosinkinase-Hemmers Ibrutinib gezeigt haben, wurde die TRIANGLE-Studie mit jungen fitten, nicht vorbehandelten MCL-Patienten geplant, die für eine Dosisintensivierung und eine autologe Stammzell-Transplantation geeignet waren. Die Patienten wurden zwischen Juli 2016 und Dezember 2020 in 3 Arme randomisiert:
Arm A (Kontrolle) mit 3 Zyklen R-CHOP (Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin und Vincristin)/R-DHAP(Rituximab, Dexamethason, hochdosiertes Cytarabin und Cisplatin), ASCT und anschließender Beobachtung (n = 288)
Arm A + I (experimentell) mit 3 Zyklen R-CHOP plus Ibrutinib/R-DHAP, ASCT, 2 Jahren Erhaltungstherapie mit Ibrutinib und Beobachtung (n = 292)
Arm I (experimentell) mit 3 Zyklen R-CHOP plus Ibrutinib/R-DHAP, 2 Jahren Erhaltungstherapie mit Ibrutinib und Beobachtung (n = 290)
Das komplizierte 3-armige Design sei zustande gekommen, weil es eine europäische Studie war – „also 10 Länder, 15 unterschiedliche Meinungen“, erläuterte der Münchner Hämatoonkologe.
Während der Run-in-Periode wurde klar, dass eine Erhaltungstherapie mit Rituximab das Outcome beim MCL verbesserte, daher wurde Rituximab entsprechend den Nationalen Leitlinien in der laufenden Studie dazu genommen. In Arm A erhielten 58%, in Arm A+I 57% und in Arm I 54% der Patienten zusätzlich den CD20-Antikörper. Das mediane Alter der Patienten lag bei 57 Jahren, rund 76 % waren Männer. 87% waren im Stadium IV.
Die Rate der Komplettremissionen (CR) war am Ende der Induktionsphase in den beiden zusammengefassten Ibrutinib-Armen mit 45% 9 Prozentpunkte besser als die Induktion ohne Ibrutinib mit einer CR von 36%. Die Ergebnisse im Kontrollarm entsprachen dem, was aus früheren Untersuchungen bekannt war.
Der primäre Endpunkt FFS (Freedom of Failure, entspricht dem PFS) wurde in 3 Vergleichen ausgewertet.
ASCT versus ASCT plus Ibrutinib
Beim Vergleich von Arm A vs. A +I wurde auf die Überlegenheit im FFS geprüft. Dieser Endpunkt wurde für Arm A + I erreicht. Die Zugabe von Ibrutinib erwies sich bei einem medianen Follow-Up von 31 Monaten mit einem 3-Jahres-FFS von 88% vs. 72% unter einer alleinigen ASCT als signifikant überlegen (p = 0,0008, Hazard Ratio: 0,52).
Dieser Effekt war bei Patienten mit hoher p53-Expression und Hochrisiko-Biologie ausgeprägter. Kein Unterschied zeigte sich mit oder ohne Rituximab.
ASCT versus Ibrutinib
Beim Vergleich von Arm A versus Arm I wurde auf die Überlegenheit der ASCT im Vergleich zu Ibrutinib getestet. Diese Hypothese wurde zurückgewiesen. Das 3-Jahres-FFS betrug unter ASCT 72%, unter Ibrutinib 86%, eine Differenz von 14 Prozentpunkten (HR 1,77). Damit ist die ASCT nicht besser als Ibrutinib.
ASCT plus Ibrutinib versus Ibrutinib
Beim Vergleich von Arm A + I versus Arm I wurde auf die Überlegenheit von ASCT + I versus I getestet. Nach einem medianen Follow-Up von 31 Monaten zeigte sich zwischen diesen beiden Armen noch kein Unterschied, die Patienten werden weiter beobachtet.
Für die statistische Auswertung des Gesamtüberlebens (OS) ist es noch zu früh, derzeit liegt das 3-Jahres-OS in Arm A bei 86%, in Arm A+I bei 91% und in Arm I bei 92%.
Verträglichkeit
Die Verträglichkeit der Standard-Induktionstherapie war in den Armen A und A+I ähnlich mit vergleichbaren Raten an Neutropenie, Leukopenie, febriler Neutropenie, Infektionen und kardialen Komplikationen.
Während der Erhaltungstherapie kam es jedoch bei der Kombination von ASCT und Ibrutinib im Vergleich zu ASCT oder Ibrutinib allein zu deutlich mehr unerwünschten Wirkungen vom Schweregrad ≥ 3, wie Neutropenie, Leukopenie, febrile Neutropenie, Thrombozytopenie und Infektionen. Kardiale Komplikationen waren in den Ibrutinib-Armen mit 3-4% häufiger als bei ASCT allein (1%).
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Diesen Artikel so zitieren: Mantelzell-Lymphom „intelligenter“ behandeln: Ibrutinib bald neuer Erstlinien-Standard bei jüngeren Patienten? - Medscape - 19. Dez 2022.
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