RKI-Report zur Viren-Lage: Grippe weit über Normalniveau, viele akute Atemwegsinfekte – Mangel an Fiebersäften „ein Armutszeugnis“

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

16. Dezember 2022

In seinem aktuellen Wochenbericht gibt das Robert Koch-Institut (RKI) umfangreiche Einblicke in die epidemiologische Lage [1]. Grundlage sind Daten der Kalenderwoche 49/2022. Die wichtigsten Fakten im Überblick.

Viele akute Atemwegserkrankungen

Ein wichtiges Tool zur Bewertung der Situation ist das GrippeWeb-Portal: Alle Interessierten ab 16 Jahren können regelmäßig melden, ob sie an akuten Atemwegserkrankungen (ARE) mit Fieber, Husten oder Halsschmerzen erkrankt sind.

Was dabei auffällt: In der Saison 2022/2023 sind die ARE-Raten deutlich höher als in früheren Zeiträumen: 

Grafik: RKI

Die RSV-Welle hat in Woche 41 und die Grippewelle in Woche 43 begonnen. Mit 9,3 Millionen Meldungen im GrippeWeb (Woche 49) liegt die absolute Zahl weit über dem Niveau früherer Jahre vor Corona. Rund 2,3 Millionen Menschen haben wegen ARE einen Arzt konsultiert.  

Bei ARE spielt SARS-CoV-2 nur noch eine untergeordnete Rolle 

Ein weiteres Instrument zur epidemiologischen Bewertung der Lage ist die virologische Sentinelsurveillance: Anonymisierte Abstriche werden vom Nationalen Referenzzentrum für Influenzaviren am RKI untersucht. 

In Woche 49 haben Virologen bei 243 von 296 eingesandten Proben (82%) respiratorische Viren identifiziert. Darunter befanden sich 162 Proben mit Influenzaviren (55%), 52 mit RSV (18%), 20 mit Rhinoviren (7%), 14 mit humanen saisonalen Coronaviren (5%), 8 mit SARS-CoV-2 (3%), 6 mit Parainfluenzaviren (2%) sowie 4 mit humanen Metapneumoviren (1%).

Absolute Zahlen zur Corona-Pandemie 

Laur RKI hat sich die bundesweite 7-Tage-Inzidenz bei SARS-CoV-2 weiter erhöht – zwischen Woche 48 und Woche 49 um 7%. Regionale Unterschiede prägen das Geschehen. In 13 Bundesländern stieg der Wert, in 3 Bundesländern sank er oder blieb gleich.

In Woche 49 litten schätzungsweise 300.000 bis 600.000 Patienten an Beschwerden durch COVID-19 – bei etwa 120.000 Arztkonsultationen. Und laut DIVI-Intensivregister wurden in Woche 49 genau 1.075 COVID-1-Patienten Intensivmedizinisch behandelt (Vorwoche 989 Personen). Nach wie vor sind Personen ab 80 Jahre am stärksten gefährdet, schwere Symptome zu entwickeln. 

Sequenzierungen bei allen Altersgruppen zeigen, dass die Omikron-Linie BA.5 andere Varianten nahezu vollständig verdrängt hat. Ihr Anteil lag in Woche 48 bei 90%. Bei den Sublinien von BA.5 gewinnt insbesondere BQ.1.1 mit 17% an Bedeutung. 

Pädiatrie: Fiebersäfte werden knapp 

Viele Infektionen betreffen Kinder. Besonders problematisch: Derzeit sind Fiebersäfte für Kleinkinder, die noch keine Tabletten schlucken können, kaum lieferbar. „Wir erleben eine sehr hohe Nachfrage nach fiebersenkenden Medikamenten wie Ibuprofen oder Paracetamol, weil derzeit extrem viele Kinder erkrankt sind“, sagt Dr. Thomas Fischbach. Er ist Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Fischbach weiter: „Es ist ein Armutszeugnis, dass so simple Medikamente wie ein Fiebersaft häufig nicht mehr verfügbar sind.“ Von der Politik fordert er jetzt Hilfe im Sinne einer Beschaffungsaktion. 

Doch wo liegt das Problem? „Es gibt zu wenige Anbieter solcher Mittel, weil die Festpreisregelung bei uns zu einem Abwandern der Produktion in Billiglohnländer wie Indien und China geführt hat“, kritisiert Fischbach. „Dort gibt es nun Lieferkettenprobleme, was wiederum zu Lieferengpässen führt.“

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Kommentar

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