Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.
Corona-Newsblog, Update vom 15. Dezember 2022
Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 240 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 14. Dezember lag der Wert bei 231.
Unsere Themen heute:
Impfmüdigkeit bei Jugendlichen – es liegt auch an den Eltern
Was leistet ein Vierfach-Schnelltest auf Corona, RSV, Influenza A und Influenza B?
EMA: Monoklonale Antikörper verlieren möglicherweise ihre Wirkung
Aktualisierte WHO-Schätzung zur Übersterblichkeit durch COVID-19
US-Daten: Argumente für Comirnaty®-Auffrischung bei Kindern
Planbare OPs nach COVID-19: Längeres Warten könnte sich lohnen
China: Die Situation gerät zunehmend außer Kontrolle
Impfmüdigkeit bei Jugendlichen – es liegt auch an den Eltern
Bundesweit haben seit Beginn der Impfkampagne 64,8 Millionen Menschen (77,9 % der Bevölkerung) mindestens 1 Impfung gegen COVID-19 erhalten. Davon sind 63,5 Millionen (76,3 %) grundimmunisiert und 52,0 Millionen (62,5%) haben zusätzlich 1 Auffrischungsimpfung erhalten. 12,0 Millionen (14,4 %) bekamen sogar die 2. Auffrischungsimpfung. Aktuell sind 18,4 Millionen nicht geimpft (22,1 % der Bevölkerung).
US-Forscher haben sich auf die Suche nach möglichen Zusammenhängen gemacht; Impfmüdigkeit ist auch bei ihnen ein immenses Problem. Sie fanden heraus, dass Jugendliche mit größerer Wahrscheinlichkeit mindestens eine COVID-19-Impfstoffdosis erhalten haben, wenn sie auch 1 Dosis des Vakzins gegen das humane Papillomavirus (HPV), eine Dosis Meningokokken-Konjugat und/oder Tetanus, Diphtherie oder eine Dosis des Pertussis-Impfstoffs erhalten haben.
Was können Politiker davon lernen? „Skepsis bei routinemäßigen Impfungen im Kindesalter anzugehen kann auch die Skepsis gegenüber COVID-19-Impfstoffen verringern“, schreiben sie. Eltern seien hier die ersten Adressaten.
Was leistet ein 4-fach-Schnelltest auf Corona, RSV, Influenza A und Influenza B?
Aus Hamburg kommt ein neuer Schnelltest: Combo4 soll in kurzer Zeit die wichtigsten Viren, nämlich SARS-CoV-2, RSV, Influenza A und Influenza B, erkennen. Medien zitieren Ergebnisse einer Mini-Studie mit 92 Kindern aus pädiatrischen Praxen: Bei 31 fanden Ärzte RSV, bei 9 Influenza B, bei 8 Influenza A und bei 1 SARS-CoV-2.
Es gehe darum, schnell Infektionsketten zu verhindern und beispielsweise beim weihnachtlichen Verwandtenbesuch Angehörige zu schützen, wird eine Kinderärztin zitiert. Kinder mit RSV würden außerdem anders behandelt, ihre Eltern anders instruiert als bei einer Grippe („Gehen Sie sofort in die Notaufnahme, wenn es sich verschlechtert“). Weitere Daten sind noch nicht verfügbar. „Wir wissen, dass wir bei allen 4 Infektionskrankheiten eine Sicherheit von mehr als 95 bis 99 Prozent haben“, wird das Unternehmen zitiert.
EMA: Monoklonale Antikörper verlieren möglicherweise ihre Wirkung
Die Emergency Task Force der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hat davor gewarnt, dass monoklonale Antikörper, die derzeit gegen COVID-19 zugelassen sind, wahrscheinlich nicht gegen neu auftretende Stämme von SARS-CoV-2 wirksam sein könnten.
Neue Laborstudien zeigen, dass monoklonale Antikörper, welche auf das Spike-Protein abzielen, bei der Neutralisierung der Omikron-Stämme BA.4.6, BA.2.75.2 und XBB nur wenig wirksam sind. Sie neutralisieren BQ.1 und BQ.1.1, die sich in den kommenden Wochen in der EU durchsetzen dürften, nicht signifikant.
Obwohl noch nicht bekannt ist, inwieweit die geringere Neutralisierungsaktivität zu einem geringeren Nutzen für die Patienten führt, rät die EMA Ärzten, alternative Behandlungen in Betracht zu ziehen.
„Antivirale Behandlungen wie Paxlovid® (Nirmatrelvir/Ritonavir) und Veklury® (Remdesivir), die einen anderen Wirkmechanismus haben, dürften ihre Wirksamkeit gegen die neu auftretenden Stämme beibehalten“, schreibt die EMA. Diese Wirkstoffe sind in der EU für Patienten mit COVID-19 zugelassen, die keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen und bei denen ein erhöhtes Risiko besteht, dass sich ihre Krankheit zu einer schweren COVID-19 entwickelt.
Neue WHO Schätzung zur Übersterblichkeit: 122.000 in Deutschland
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine korrigierte Berechnung der Übersterblichkeit durch COVID-19 veröffentlicht. Demnach kam es in den Jahren 2020 und 2021 weltweit zu rund 14,8 Millionen zusätzlichen Todesfällen. Die Schätzung ist fast 3-mal so hoch wie die Zahl der offiziell gemeldeten 5,4 Millionen COVID-19-Todesfälle.
Die durchschnittliche globale Pro-Kopf-Übersterblichkeitsrate im Jahr 2020 lag den Forschenden zufolge bei 0,06%; 2021 stieg sie auf 0,13%. Dies übertrifft die Influenzapandemien von 1957 (0,04%), 1968 (0,03%) und 2009 (0,005%). In Deutschland starben der WHO-Statistik zufolge rund 122.000 Menschen in den Jahren 2020 und 2021 mehr, als zu erwarten gewesen wäre. Für fast die Hälfte aller Staaten ist es aufgrund der schwachen Datenlage nicht möglich, die Übersterblichkeit mit hoher Sicherheit anzugeben.
Zwar wurden erste Ergebnisse der WHO-Berechnung schon im Mai publiziert. Doch einige Forscher haben daraufhin kritisiert, die Methodik sei zu stark durch Zufallsschwankungen beeinflussbar. Beispielsweise gab es in Deutschland 2018 eine starke Grippewelle mit vergleichsweise vielen Todesfällen. Im Jahr darauf war die Grippewelle hingegen mild.
„Das Modell der WHO ist State of the Art, und kann nach den jetzigen Korrekturen zuverlässig die Übersterblichkeit in Ländern mit gut ausgebauten demografischen Meldesystemen messen – das schließt Europa, Nordamerika, Australien, Neuseeland und Teile Asiens und Südamerikas ein“, sagt Jonas Schöley. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Population Health Lab, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock.
Schöley: „In weiten Teilen Afrikas und in Teilen Asiens und Südamerikas werden Todesfälle jedoch nur sehr unzuverlässig registriert und Übersterblichkeit kann daher nicht aufgrund von gemeldeten Todesfällen geschätzt werden, sie wird indirekt aufgrund von Korrelationen zwischen Übersterblichkeit und vorhandenen Variablen wie dem Bruttoinlandsprodukt geschätzt.“ Hier habe das WHO-Modell dieselben Limitationen wie alternative Modelle.
US-Daten: Argumente für Comirnaty®-Auffrischung bei Kindern
Forscher haben untersucht, welchen Schutz BNT162b2 (Comirnaty®) bietet – und wie lange die Wirkung anhält. Eingeschlossen wurden Kinder zwischen 5 und 11 Jahren.
Ihre Fall-Kontroll-Studie wurde vom 2. November bis 9. Dezember 2021 (während der Delta-Variante) und vom 16. Januar bis 30. September 2022 (während der Omikron-Welle) durchgeführt. Insgesamt werteten die Forscher Daten von 160.002 Kindern aus. 62.719 Kinder wurden während der Delta- und 97.283 während der Omikron-Welle getestet.
Die Effektivität von 2 Dosen BNT162b2 gegen Infektionen lag bei 85% gegen Delta und bei 20% gegen Omikron; der Schutz gegen Omikron begann ungefähr 3 Monate nach der abgeschlossenen Impfserie zu sinken – in ähnlichem Maße bei BA.1, BA.2/BA.2.12.1 und BA.4/BA.5.
Die Wirksamkeit der Auffrischimpfung betrug 55% gegen Omikron und 40 % oder mehr gegen BA.4/BA.5, und zwar 3 oder mehr Monate nach Erhalt der Auffrischimpfung.
„Unsere Studie legt nahe, dass 2 BNT162b2-Dosen einen begrenzten Schutz gegen eine Omikron-Infektion bieten und dass eine Auffrischungsdosis den Schutz wiederherstellt und mindestens 3 Monate lang aufrechterhält“, so das Fazit der Autoren.
Planbare OPs nach COVID-19: Längeres Warten könnte sich lohnen
Das Zeitintervall zwischen einer COVID-19-Infektion und einer planbaren Operation ist ein potenziell modifizierbarer, aber wenig untersuchter Risikofaktor für postoperative Komplikationen. Neue Einblicke liefern die Ergebnisse einer retrospektiven Kohortenstudie.
Eingeschlossen wurden 3.997 erwachsene Patienten mit einer früheren COVID-19-Diagnose, dokumentiert durch einen positiven PCR-Test. Alle Teilnehme runterzogen sich zwischen dem 1. Januar 2020 und dem 6. Dezember 2021 einer OP. Insgesamt wurden 3.997 Patienten in die Studie aufgenommen. Ihr mittleres Alter lag bei 51,3 Jahren.
Die Forschenden definierten einen zusammengesetzten Endpunkt mit schweren kardiovaskulären Komorbiditäten: tiefen Venenthrombosen, Lungenembolien, zerebrovaskulären Ereignissen, Myokardschädigungen, akuten Nierenschädigungen und Tod innerhalb von 30 Tagen nach der Operation.
Die mediane Zeit von der COVID-19-Diagnose bis zur Operation betrug 98 Tage. Bei 485 Patienten (12,1%) kam es zu schwerwiegenden postoperativen Ereignissen im Sinne des Endpunkts. Eine längere Zeitspanne zwischen der COVID-19-Diagnose und der Operation war mit einer geringeren Rate verbunden (bereinigte Odds Ratio: 0,99 pro 10 Tage; 95%-KI: 0,98-1,00; p = 0,006).
Dieser Trend setzte sich bei den 1.552 Patienten fort, die mindestens 1 Dosis eines COVID-19-Impfstoffs erhalten hatten (bereinigtes Odds Ratio: 0,98 pro 10 Tage; 95%-KI: 0,97-1,00; p = 0,04).
„Diese Studie deutet darauf hin, dass eine längere Zeitspanne zwischen der COVID-19-Diagnose und der Operation mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit einer schweren postoperativen kardiovaskulären Morbidität verbunden war. Diese Informationen sollten genutzt werden, um die Nutzen-Risiko-Abwägung hinsichtlich des optimalen Operationszeitpunkts und der perioperativen Ergebnisse bei Patienten mit einer COVID-19-Infektion in der Vorgeschichte zu verbessern.
China: Die Situation gerät zunehmend außer Kontrolle
Wie Medscape berichtet hat, führen Lockerungen der chinesischen „Null-COVID“-Politik“ zu einer immer unkontrollierbareren Situation. Medien zufolge breitet sich SARS-CoV-2 in Großstädten aus, allen voran in Peking. Fiebersenkende Medikamente sind Mangelware geworden und vor Krankenhäusern bilden sich Schlangen. Virologen zufolge sei das Maximum bei weitem noch nicht erreicht. Besonders gefährlich: Viele ältere und alte Menschen sind ungeimpft.
Arztpraxen, Krankenhäuser und Apotheken trafen die Lockerungen relativ unvorbereitet; im chinesischen Staatsfernsehen hat sich der Narrativ komplett geändert – von einem „tödlichen Virus“ hin zu „Infektionen der oberen Atemwege, wie Husten, Halsschmerzen und Fieber“. Und weiter heißt es offiziell: „Es ist äußerst selten, dass eine Lungenentzündung auftritt und 99% der Patienten erholen sich in etwa einer Woche.“
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Credits:
Photographer: © Schwedenelch
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: Kombi-Schnelltest Corona-RSV-Grippe; Antikörper-Wirkung sinkt; impfmüde Jugendliche; Übersterblichkeit: neue Zahlen - Medscape - 15. Dez 2022.
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