Fall: Ein Mann, seine Weihnachtsgeschenke und eine plötzliche Erinnerungsschwäche – was könnte ihm fehlen? 

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

15. Dezember 2022

Ein plötzlicher Gedächtnisverlust ohne Trauma kann Betroffene sehr verunsichern. Doch manchmal können neurologische Untersuchungen und MRTs beruhigende Diagnosen liefern, wie die Krankengeschichte eines Mannes zeigt [1]

Der Patient und seine Geschichte

Ein gesunder Mann mittleren Alters berichtet Neurologen in der Notaufnahme des St. Olavs Hospitals (Universitätsklinikum Trondheim), dass er bei einem weihnachtlichen Einkaufsbummel im Auto saß und sich nicht erinnern konnte, wo er gekaufte Geschenke hingelegt hatte. 

Den Autoren zufolge erzählt er außerdem, dass er mehrmals angehalten habe, um auf seinem Smartphone im Internet nach „Gedächtnisverlust" zu suchen. An die Ergebnisse der Internetsuche könne er sich aber nicht erinnern. Als er zu Hause angekommen sei, habe er sich nur noch an Bruchstücke seines Einkaufsbummels erinnern können, etwa an ein eingepacktes Weihnachtsgeschenk. Der Inhalt des Päckchens sei ihm jedoch ein Rätsel gewesen.

Befunde und Diagnose

Die klinische Untersuchung in der Notaufnahme ergab außer einer anterograden Amnesie keine aktuellen neurologischen Defizite. Das zerebrales CT war unauffällig, das EEG war ohne Anzeichen epileptischer Aktivität. Im diffusionsgewichteten zerebralen MRT fanden Ärzte eine 2 mm breite Läsion im linken kaudalen Hippokampus. 

Die Diagnose der norwegischen Neurologen um Dr. Sverre Myren lautete transiente globale Amnesie (TGA).

Diskussion

Die transiente globale Amnesie (TGA) ist ein Syndrom akuter hippokampaler Dysfunktion während einiger Stunden. In dieser Zeit können keine neuen Informationen gespeichert werden. 

Bei MRTs könne man bei der TGA oft uni- oder bilaterale punktförmige Diffusionsstörungen im Hippokampus sehen, erklärt der Schweizer Neurologe Dr. Daniel Eschle vom Kantonsspital Uri. Der optimale Zeitpunkt zum Nachweis dieser isolierten Läsionen bewege sich im Bereich von 24-72 h nach Beginn der Symptome.

Die diagnostischen Kriterien sind laut Eschle:

  • Die Episoden müssen beobachtet sein, d. h., es steht eine verlässliche Fremdanamnese zur Verfügung.

  • Es muss eine klare anterograde Amnesie vorliegen.

  • Eine Beeinträchtigung des Bewusstseins oder Verlust der persönlichen Identität liegen nicht vor; die kognitive Störung ist auf die Amnesie begrenzt.

  • Während und nach der Episode gibt es keine fokalen somatisch-neurologischen Defizite.

  • Es gibt keine Hinweise auf epileptische Anfälle.

  • Die Dauer der Episode ist auf weniger als 24 h begrenzt.

  • Ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine aktive Epilepsie (unter medikamentöser Anfallsprophylaxe oder einem Anfall in den letzten beiden Jahren) wurden ausgeschlossen.

Differenzialdiagnosen sind:

  • Transiente epileptische Amnesie (TEA)

  • Ischämische Amnesie

  • Zerebrale Blutung

  • Psychogene (dissoziative) Amnesie

  • Delir

  • Korsakoff-Syndrom

  • Limbische Enzephalitis

  • Schädel-Hirn-Trauma

  • Medikamentöse Amnesie

Unklare Auslöser der Beschwerden

Die Pathophysiologie der TGA sei ein Rätsel, erklärt der Neurologe weiter. Bekannt sei allerdings, „dass es sich um ein selbstlimitiertes und benignes Syndrom handelt, insbesondere besteht kein erhöhtes Risiko für spätere Schlaganfälle“. Das Rezidivrisiko sei äußerst gering. 

Die Diagnose könne gemäß einschlägigen Kriterien bei typischer Ausprägung klinisch gestellt werden. Eine weitere Abklärung sei im Prinzip bei der eigentlichen TGA nicht erforderlich.

Der Patient der norwegischen Neurologen soll sich dafür entschieden haben, bis zum Weihnachtstag zu warten, um zu sehen, was er als Geschenk gekauft hatte. Als sich herausgestellt habe, „dass er eine gute Wahl getroffen hatte, waren Fest und Festtagsstimmung gerettet“, heißt es im Artikel. 

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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