Wiesbaden – Neuerkrankungen an Diabetes scheinen während der COVID-19-Pandemie deutlich zugenommen zu haben. Das gilt sowohl für den Typ-1- als auch für den Typ-2-Diabetes. Auf der Diabetes Herbsttagung wurden dazu aktuelle Untersuchungsergebnisse vorgestellt. Über die Ursachen gibt es bisher nur Vermutungen [1].
Daten aus der Praxis
Die Zunahme an Fällen von Typ-2-Diabetes bestätigt u.a. eine Untersuchung in bundesdeutschen Arztpraxen. Zwischen März 2020 und Januar 2021 wurden von Prof. Dr. Wolfgang Rathmann vom Deutschen Diabetes-Zentrum in Düsseldorf und seinem Team die Inzidenz-Raten von Patientinnen und Patienten nach einer ambulant behandelten, gesicherten COVID-19 Erkrankung mit denen von Personen mit anderen akuten Atemwegserkrankungen verglichen.
Eingeschlossen wurden 71.730 Patienten aus insgesamt 1.171 Praxen, das mittlere Alter lag bei 43 Jahren. Gematched wurden die Teilnehmenden u.a. nach Alter, Geschlecht, Hypertonie, Dyslipidämie sowie Myokardinfarkt oder Apoplex in der Anamnese. Das Ergebnis: Im Jahr nach der Infektion betrug die Inzidenz des Typ-2-Diabetes in der Covid-19-Gruppe 15,8% im Vergleich zu 12,3% in der Kontrollgruppe – dies entspricht einer Steigerung um 28%.
Ein um bis zu 40% erhöhtes Risiko für eine Diabeteserkrankung
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Untersuchung bei US-Kriegsveteranen, die 180.000 überwiegend männlichen Personen (im Mittel 63 Jahre) mit Covid-19 und über 4 Millionen Menschen ohne die SARS-CoV-2-Infektion einschloss. Hier wurde bei ambulant behandelten Personen eine Erhöhung des Risikos für eine Typ-1 oder Typ-2-Diabetes um 40% nach COVID-19 ermittelt. Bei hospitalisierten Patienten und schwerem Verlauf war der Anstieg noch deutlich höher.
Die Auswertung einer Praxisdatenbank aus Großbritannien mit 428.650 Patienten (im Mittel 35 Jahre) mit COVID-19 zeigte ebenfalls ein erhöhtes Diabetesrisiko in den ersten 4 Wochen nach der Infektion (RR 1,81), das aber in den Wochen danach abflachte und in den Wochen 13 bis 52 nicht mehr nachweisbar war (RR 1,07). Das Diabetesrisiko nach COVID-19 scheint somit nur in den ersten 3 Monaten erhöht zu sein.
Saisonalität bei Typ-1-Inzidenz aufgehoben
Zu Typ-1-Diabetes und COVID-19 gibt es aufgrund vorhandener Registerdaten wesentlich mehr Publikationen, die aber z.T. widersprüchlich sind. Hierzu stellte Rathmann eine Auswertung aus der bundesdeutschen LRx-Datenbank vor, in der die Zahl von GKV-Neuverordnungen von Insulin in den Jahren 2016 bis 2019 und 2020-2021 verglichen wurden.
Ihm fiel auf, dass der sonst übliche Rückgang der Inzidenz im Sommer in den Coronajahren komplett ausfiel und es zu einer Zunahme der erwarteten Inzidenz um 45% bzw. 65% kam.
Bei betroffenen Kindern und Jugendlichen mit einer Neuerkrankung an Typ-1-Diabetes kam es in den Pandemiejahren vermehrt zu diabetischen Ketoazidosen, was als prognostisch ungünstig gewertet werden muss. Dies hat eine Auswertung von 13 nationalen Registern gezeigt. Ursache ist hier wahrscheinlich eine Verschlechterung der ärztlichen Versorgung während der Pandemie mit Verzögerung der Diagnosestellung.
Keine Zunahme der Inzidenz nach Corona-Impfung
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Credits:
Photographer: © Andrey Popov
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Diesen Artikel so zitieren: Wissenschaftler schlagen Alarm: Kommt nach der Corona-Welle jetzt noch eine Diabetes-Welle? - Medscape - 16. Dez 2022.
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