Fall: Diese Patientin hat blau verfärbte Haut nach Weihnachten – doch es war keine lebensbedrohliche Erkrankung

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

27. Dezember 2022

Obwohl eine Zyanose in der Regel auf eine ernsthafte Erkrankung hinweist, kann sie gelegentlich auch eine harmlose Ursache haben, wie die Krankengeschichte einer jungen Frau zeigt.

1 Woche nach Weihnachten wird die 18-jährige Frau wegen einer angeblichen Zyanose in das Krankenhaus eingewiesen. Sie klagt über Rhinorrhöe, Husten und Fieber. Ihrer Familie sei außerdem aufgefallen, dass sie seit rund 24 Stunden „blau“ aussehe, also einen „bläulichen Teint“ habe, berichtet sie. Kurzatmig sei die Patientin nicht gewesen.

Ärzte beschreiben sie nach anfänglichen Untersuchungen als ängstliche junge Frau mit Rhinorrhoe und „blauem“ Aussehen, aber normalen Vitalparametern, normale transkutan gemessene Sauerstoffsättigung. Lunge und Herz sind auskultatorisch unauffällig; die Haut ist warm, die Kapillarfüllung normal. 

Therapie und Erklärung

Mit einem Alkoholtupfer sei die Blauverfärbung der Haut entfernt worden, berichten die Autoren. Die weitere Untersuchung der Krankengeschichte der Patientin haben dann ergeben, dass sie zu Weihnachten blaue Bettwäsche geschenkt bekommen habe.

Eine Exposition gegenüber blauen Farbstoffen wurde unter anderem bereits bei Kindern eines Krankenhauskindergartens beschrieben, außerdem bei einem Teenager, bei dem nur die Hände betroffen waren. Die Autoren empfehlen, bei auffälligen Farbveränderungen auch an die Möglichkeit einer Exposition gegenüber Farbstoffen zu denken. 

Wann kommt es zur Methämoglobinämie?

Eine auffällige Farbveränderung der Haut tritt allerdings auch bei einer Zyanose infolge einer Methämoglobinämie auf. Eine solche Anämie entsteht durch einen höheren Gehalt von Methämoglobin im Verhältnis zu Hämoglobin, was durch eine erhöhte Methämoglobin-Produktion oder eine verminderte Reduktion verursacht sein kann. 

Eine Methämoglobinämie kann Folge eines kongenitalen Enzym-Mangels auftreten, aber auch erworben sein. In den meisten Fällen sind eine Medikamenten-Überdosierung, die Einnahme von bestimmten Medikamenten in der Standarddosierung oder auch gewerbliche Gifte wie ­Nitro- und Aminoverbindungen die Ursache. Dapson (auch bei topischer Anwendung) und topische Anästhetika, etwa Benzocain, Lidocain und Prilocain, gehören zu den häufigsten Ursachen einer erworbenen Methämoglo­binämie.

Über einen erworbenen Fall einer Methämoglobinämie berichtete zum Beispiel vor zwei Jahren die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. In diesem Fall ging es um einen 7 Monate alten Jungen, bei dem 4 Wochen zuvor ambulant eine Zirkumzision durchgeführt worden war. Die postoperative Wundpflege erfolgte zunächst mit Panthenol. Als dieses aufgebraucht war, trugen die Eltern bei jedem Windelwechsel Emla®-Creme (25 mg/g Lidocain + 25 mg/g Prilocain) auf. 

Nach 2 Tagen entwickelte der Patient eine Zyanose. Ursächlich war eine Methämoglobinämie mit einem Met-Hb-Anteil von 25,2 % (Referenzbereich 0,0–1,5 %). Die Sauerstoffsättigung betrug minimal 73 Prozent. Dabei ist laut der Kommission zu beachten, dass die O2-Sättigungswerte bei Methämoglobinämie mit Vorsicht interpretiert werden sollten. Auf der Intensivstation wurde Sauerstoff verabreicht, worunter die Sauerstoffsättigung stieg und im Verlauf auch ohne Sauerstoffgabe stabil blieb. Die Entlassung erfolgte am Folgetag in gutem Zustand.

Eine Methhämoglobinämie geht bei Met-Hb-Anteilen ab 10 bis 20% mit Zyanose (typischerweise „bräunlich“) einher, die durch Sauerstoff nicht reversibel ist. Mit steigenden Werten können Dyspnoe, Verwirrtheit, Benommenheit, Azidose, Koma und Krampfanfälle auftreten. Werte über 70 % sind potenziell tödlich. Typisch ist die Differenz zwischen der Sauerstoffsättigung, die mittels Pulsoxymetrie bestimmt wurde, und der laborchemisch mittels arterieller Blutgasanalyse ermittelten Sättigung („saturation gap“). 

Diese entsteht dadurch, dass Met-Hb die Messung der Sauerstoffsättigung durch herkömmliche Pulsoxymeter beeinträchtigt und zu verfälschten Ergebnissen führen kann. Daher sollte die Messung mit einem CO-Oxymeter erfolgen oder mittels arterieller Blutgasanalyse, wenn ein solches Gerät nicht vorhanden ist.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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