Mehr Grippe, weniger Corona; COVID-19 als Risikofaktor für Depressionen; Corona-Tsunami in China? Bauchlage kein Lebensretter

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

12. Dezember 2022

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 12. Dezember 2022

Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 211 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 11. Dezember lag der Wert bei 216. „Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz der gemeldeten Fälle mit einem labordiagnostischen Nachweis von SARS-CoV-2 ist in Meldewoche (MW) 48 im Vergleich zur MW 47 um 8% angestiegen“, schreibt das RKI. „In 11 Bundesländern stieg die 7-Tage-Inzidenz, in 5 Bundesländern sank sie oder blieb unverändert.“

Unsere Themen heute:

  • China: Nach den Lockdowns rollt die Corona-Welle

  • RKI: Mehr Arztkonsultationen – aber selten wegen Corona

  • Während der Pandemie stieg Bereitschaft zu Standard-Impfungen

  • COVID-19 scheint das Depressionsrisiko zu verdoppeln

  • Intensivmedizin: Was die Bauchlage wirklich bringt

  • Ursodesoxycholsäure als neue COVID-19-Therapie?

  • Lauterbach: Import des Sinovac-Vakzins – aber nur für Chinesen

RKI: Mehr Arztkonsultationen – aber selten wegen Corona

In seinem aktuellen Wochenbericht berichtet das RKI über die epidemiologischen Lage. Mit 2 Millionen Patienten habe die Zahl an Arztkonsultationen aufgrund akuter Atemwegsinfektionen in Woche 48 einen Wert erreicht, der sonst nur zu Spitzenzeiten von Grippewellen beobachtet würde, schreiben die Forscher.

Unterschiedliche Viren lösen die Beschwerden aus, allen voran Influenzaviren (51% der positiv getesteten Proben) und RSV (15%), deutlich seltener SARS-CoV-2 (4%).

Laut DIVI-Intensivregister lag die Zahl der auf einer Intensivstation behandelten COVID-19-Patienten um 10% höher als in der Vorwoche (989 Personen versus 898 Personen).

China: Nach den Lockdowns rollt die Corona-Welle

Nachdem Chinas Null-COVID-Strategie gescheitert ist, blieb als Frage, wie die Staatsführung reagieren wird; darüber hat Medscape im Blog berichtet. Politischer Druck hat zu Lockerungen der restriktiven Strategie geführt, speziell bei Tests, bei Lockdowns und bei Quarantänemaßnahmen. Außerdem wurde die staatliche Corona-App abgeschaltet. Groß angelegte Impfkampagnen gab es nicht.

Genau dies scheint sich verschiedenen Medienberichten zufolge jetzt zu rächen. Das chinesische Wirtschaftsmagazin „Caixin“ berichtet von überfüllten Hospitälern, von Schlangen an Patienten, die auf eine Behandlung warten, aber auch von infizierten Ärzten und Pflegekräften. Apotheken wiederum können die Bevölkerung nicht mehr mit Schnelltests oder mit fiebersenkenden Medikamenten versorgen. Derzeit scheinen vor allem Metropolen wie Peking, Guangzhou oder Shijiazhuang betroffen zu sein, wobei es aus vielen Teilen Chinas keine Berichte gibt.

Während der Pandemie stieg Bereitschaft zu Standard-Impfungen

Das RKI hat untersucht, ob Menschen während der Pandemie Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) jenseits von COVID-19 umsetzen.

Im Vergleich zu den vorpandemischen Jahren haben sich 2020 und 2021 die Impfquoten weiter erhöht. „Die Pandemie hatte damit offenbar keinen negativen Einfluss auf die Inanspruchnahme von Routineimpfungen unter Erwachsenen in Deutschland“, heißt es im Epidemiologischen Bulletin. „Insbesondere bei Impfungen gegen Influenza, Pneumokokken und Masern ist die erhöhte Inanspruchnahme zu beobachten.“

Defizite sieht das RKI dennoch. Die Quoten vieler von der STIKO im Erwachsenenalter empfohlenen Impfungen liegen – wie auch schon vor der Pandemie – unter 50 %. Das gilt speziell für jüngere Menschen mit erhöhter Gefahr für schwere Krankheiten. Beispielsweise sind weniger als 20% der 18- bis 49-jährige Risikopatienten gegen Influenza oder Pneumokokken geimpft; speziell Schwangere sind weniger als 20% gegen Influenza geimpft.

COVID-19 scheint das Depressionsrisiko zu verdoppeln

Menschen, die sich früh in der Pandemie mit SARS-CoV-2 angesteckt zu haben, waren 13 Monate später doppelt so häufig von depressiven Symptomen, verglichen mit einer Kontrollgruppe. Das berichten britische Forscher. Sie hatten mehr als 3.000 Erwachsene repräsentativ befragt.

Studienteilnehmer, die angaben, sich Anfang 2020 infiziert zu haben, hatten auch eine 1,67-mal höhere Wahrscheinlichkeit, nach 13 Monaten klinisch bedeutsame Angstzustände zu erleben, als diejenigen, die im gleichen Zeitraum COVID-19 vermieden.

Zwar stützen sich die Ergebnisse auf Selbstauskunft der Teilnehmer über COVID-19, da zu Beginn der Pandemie nur wenige Tests zur Verfügung standen. Befragungen sind oft mit einem großen Bias behaftet. Dennoch war die Zahl der gemeldeten Infektionen ähnlich hoch wie bei anderen britischen Studien, die zu einem ähnlichen Zeitpunkt durchgeführt wurden. 

„Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, dass Hausärzte und andere Fachkräfte des Gesundheitswesens auf diese länger anhaltenden Symptome achten und für Patienten, die sich möglicherweise mit COVID-19 infiziert haben, Behandlungen und Unterstützung für die psychische und körperliche Gesundheit anbieten“, schreiben die Autoren.

Intensivmedizin: Was die Bauchlage wirklich bringt

Anhand einer Review und Metaanalyse zeigen Forscher, dass die Bauchlage bei wachen COVID-19-Patienten das Risiko einer endotrachealen Intubation, aber nicht die Mortalität verringert.

17 Studien mit 2.931 Patienten erfüllten die Einschlusskriterien. 12 Studien wiesen ein geringes Risiko der Verzerrung auf, 3 hatten ein mittleres und 2 ein hohes Risiko.

Die Lagerung in Bauchlage im Wachzustand verringerte das Risiko einer endotrachealen Intubation im Vergleich zur üblichen Versorgung (24,2% gegenüber 29,8%, relatives Risiko 0,83, 95%-Konfidenzintervall 0,73 bis 0,94). Dies entspricht 55 Intubationen weniger pro 1.000 Patienten.

Die Lagerung in Bauchlage hatte jedoch keinen signifikanten Einfluss auf sekundäre Endpunkte, einschließlich der Sterblichkeit (15,6% gegenüber 17,2%, relatives Risiko 0,90, 95%-KI 0,76 bis 1,07), der beatmungsfreien Tage (mittlerer Unterschied 0,97 Tage, 95%-KI -0,5 bis 3,4), der Dauer des Aufenthalts auf der Intensivstation (-2,1 Tage, 95%-KI -4,5 bis 0,4), der Dauer des Krankenhausaufenthalts (-0,09 Tage, 95%-KI -0,69 bis 0,51) und der Eskalation der Sauerstoffgabe (21,4% gegenüber 23,0%, 95%-KI 0,74 bis 1,44).

„Die Lagerung in Bauchlage im Wachzustand verringert im Vergleich zur üblichen Behandlung das Risiko einer endotrachealen Intubation bei Erwachsenen mit hypoxämischer Ateminsuffizienz aufgrund von COVID-19, hat aber wahrscheinlich nur geringe oder keine Auswirkungen auf die Mortalität oder andere Endpunkte“, lautet das Fazit der Autoren.

Ursodesoxycholsäure als neue COVID-19-Therapie?

Ärzte kennen Ursodesoxycholsäure seit Jahren als Präparat, um Gallensteine aufzulösen. Eine Studie legt nahe, dass sich das Präparat eignen könnte, um Infektionen mit SARS-CoV-2 zu beeinflussen – und zwar über einen neuen Mechanismus.

ACE2 in der Membran von Körperzellen ist bekanntlich die Eintrittspforte von SARS-CoV-2 in den Körper. Die Forschenden zeigen, dass der Farnesoid-X-Rezeptor (FXR) die Expression von ACE2 in mehreren Geweben steuert, einschließlich des Magen-Darm-Trakts und des Atmungssystems.

Sie verwenden den frei verkäuflichen Wirkstoff Z-Guggulsteron (ZGG) und das patentfreie Medikament Ursodeoxycholsäure (UDCA), um die FXR-Signalübertragung zu verringern und die Expression von ACE2 herunter zu regulieren. Das untersuchten die Forschenden in menschlichen Lungen-, Gallenblasen- und Darm-Organoiden sowie in den entsprechenden Geweben von Mäusen und Hamstern.

„Wir zeigen, dass die UDCA-vermittelte ACE2-Herunterregulation die Anfälligkeit für SARS-CoV-2-Infektionen in vitro, in vivo und in … perfundierten menschlichen Lungen und Lebern verringert“, schreiben sie. „Darüber hinaus zeigen wir, dass UDCA die ACE2-Expression im Nasenepithel des Menschen reduziert.“

Weitere Hinweise kamen aus Registerdaten. Hier zeigte sich eine Korrelation zwischen der UDCA-Behandlung und guten klinischen Outcomes nach einer SARS-CoV-2-Infektion. Die Daten würden „den Weg für künftige klinische Studien ebnen“, schreiben die Autoren.

Lauterbach: Import des Sinovac-Vakzins – aber nur für Chinesen

Sinovac Biotech, ein chinesisches Pharmaunternehmen, hat bereits 2020 das COVID-19-Vakzin CoronaVac entwickelt. Es handelt es sich um einen Totimpfstoff, der inaktivierte Viruspartikel und Aluminiumhydroxid als Adjuvans. Die Impfung besteht aus 2 Dosen im Abstand von 2 bis 4 Wochen. Zugelassen ist der Impfstoff in Deutschland aber nicht.

Jetzt berichten Medien, dass Prof. Dr. Karl Lauterbach eine Einfuhrgenehmigung erteilt tat. „Mit dieser Zulassung wollen wir erreichen, dass chinesische Bürger durch den eigenen Impfstoff hier auch geschützt sind“, wird der Bundesgesundheitsminister zitiert. Bleibt als Einschränkung: Impfungen sind nur in Botschaften oder Konsulaten Chinas möglich – unter deren Verantwortung.

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Kommentar

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