Wiesbaden – „2 Millionen Deutsche werden im Lauf ihres Lebens ein diabetisches Fußsyndrom (DFS) entwickeln. Das sind jedes Jahr 250.000 Menschen, das ist eine enorme Zahl an Patienten“, mahnte Dr. Dirk Hochlenert vom Ambulanten Zentrum für Diabetologie, Endoskopie und Wundheilung auf der Pressekonferenz zur Diabetes-Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Diabetologie (DDG) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA) [1].
Das DFS ist eine häufige Diabeteskomplikation und muss rasch und konsequent behandelt werden, um Amputationen vorzubeugen. An der Behandlung des DFS sind besonders viele Berufsgruppen wie Ärzte verschiedener Disziplinen, Podologen und Orthopädieschuhmacher beteiligt. Um eine enge Kooperation im Sinne der Patienten zu gewährleisten, haben sich die beteiligten Berufsgruppen in speziellen Fußnetzen zusammengeschlossen. Das Problem: Die Finanzierung steht auf wackligen Beinen.
Beim diabetischen Fußsyndrom (DFS) sind entweder die Nerven oder die Blutgefäße im Fuß geschädigt. Der neuropathische Fuß tritt deutlich häufiger auf als der ischämische; das Verhältnis liegt etwa bei 70% zu 30%. Das DFS ist die häufigste Ursache für Amputationen oberhalb des Sprunggelenks in Deutschland. Nach dem Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2023 liegt die 5-Jahres-Mortalität für den für Charcot-Fuß, das diabetische Fußulkus (DFU), Amputationen mit Teil-Fußerhalt (minor) und Amputationen ohne Fußerhalt (major) bei 29, 30,5, 46,2 bzw. 56,6%.
Seit 2002 8 regionale Fußnetzwerke
„Die gemeinschaftliche Betreuung der Patienten ist eine Herausforderung, der sich regionale Netzwerke stellen“, berichtete Hochlenert. Diese speziellen Netzwerke sollen eine ebenso qualifizierte wie reibungslose und zügige Behandlung von Patienten mit diabetischem Fußsyndrom ermöglichen. Seit 2002 wurden in Deutschland 8 regionale Fußnetze aufgebaut, die eine einheitliche Qualitätssicherung betreiben. Dazu gehören die Ausbildung der beteiligten Personen, Mindeststandards der Einrichtungen und eine Datenerhebung mit Vergleichen, die in Qualitätszirkeln diskutiert wurden, berichtet Hochlenert.
Durch die Gesetzesinitiative zur Integrierten Versorgung (IV) 2005 erhielten diese Netze Selektivverträge. 2021 wurden über 20.000 Menschen in diesen Netzwerken behandelt. Patienten konnten dadurch immer früher im Krankheitsgeschehen betreut werden. Die Zahl der Patienten mit Knochenbeteiligung zu Behandlungsbeginn sank von 28% auf 10%. Amputationen oberhalb des Knöchels konnten dadurch erheblich von 2,8% auf 0,4% reduziert werden. Laut Hochlenert waren die Zufriedenheit der Patienten mit der Betreuung hoch (98%) und die Netzwerke wurden weiterempfohlen.
Über einen Zeitraum von 15 Jahren konnte in der Netzwerkregion Leverkusen die Zahl der Amputationen um 37,1% reduziert werden. Die zuerst in dieser Netzwerkregion festgestellte bevölkerungsbezogene Reduktion von Amputationen konnte um 5 bis 10 Jahre versetzt auch in anderen Regionen nachgewiesen werden.
Die Netzwerke nehmen auch innovativ eine gewisse Vorbildfunktion ein: Behandlungstechniken und Ausbildungsgänge, die dort entwickelt wurden, finden inzwischen breite Anwendung, etwa die standardisierte Entlastung mit Filz oder die Korrektur der Zehenstellung mit Durchtrennung von Sehnen mit einer Blutabnahmenadel.
Finanzierung der Netze seit 2019 an vielen Orten ausgelaufen
„Patienten, die am diabetischen Fußsyndrom leiden sind Patienten, die in der Behandlung sehr zeitaufwändig sind und in der normalen Vergütung nicht abgebildet werden. Die Selektivverträge haben uns sehr unterstützt und eine gute Entwicklung ermöglicht“, berichtete Hochlenert. Doch durch die Kündigung der IV-Verträge 2019 sei die Finanzierung der Netze an vielen Orten ausgelaufen und ein Teil der Netze befinde sich in Auflösung.
Hochlenert warb für eine langfristige und sichere Finanzierung. Im Moment sei die Situation so, dass mit jeder einzelnen Kasse verhandelt werden müsse: „Es werden Einzelverträge abgeschlossen, die aber jederzeit gekündigt werden können.“ Gehe es einer Kasse wirtschaftlich nicht gut, seien solche Verträge die ersten, die aufgehoben würden.
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Medscape Nachrichten © 2022 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Betreuung in regionalen Fußnetzen kann Patienten mit diabetischem Fußsyndrom vor Amputationen bewahren – nun droht Rückschlag - Medscape - 5. Dez 2022.
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