Viele Frauen mit Endometriose haben beim Geschlechtsverkehr Schmerzen – 42% immer und 37% mehr als die Hälfte der Zeit. Auf Sexualleben und Partnerschaft kann das gravierende Auswirkungen haben, dennoch wird die endometriosebedingte Dyspareunie in der Versorgung oft vernachlässigt, wie Dr. Laura Hatzler von der Frauenklinik der Charité Berlin beim 64. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) in München berichtete [1].
„Und wir sprechen hier nicht von leichten Schmerzen. Bei 50% der Patientinnen liegen die Schmerzen auf einer Schmerzskala bei 8 bis 10, das sind wirklich starke Schmerzen“, zitierte Hatzler die Ergebnisse einer Online-Befragung von Endometriose-Patientinnen.
Viele Frauen haben unter Schmerzen weiter Sex
Der Leidensdruck der betroffenen Frauen entsteht aber nicht nur durch die Dyspareunie selbst. Aus Angst, wieder starke Schmerzen zu erleiden, entwickeln sie Angst vor dem Geschlechtsverkehr und versuchen, diesen zu vermeiden. Das wiederum kann zu Scham- und Schuldgefühlen dem Partner gegenüber führen.
Allerdings: Die Vermeidung von Sex ist zwar eine häufige Reaktion auf Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, aber „viele Patientinnen haben weiter Sex unter Schmerzen, nicht aus dem Verlangen nach sexueller Befriedigung heraus, sondern aus Angst den Partner zu enttäuschen oder zu verlieren“, berichtete Hatzler.
„Das alles habe einen Einfluss auf die Partnerschaft und stelle für viele Paare dann auch eine Herausforderung in der Familienplanung dar“, ergänzte die Gynäkologin.
Die Beratung und Behandlung muß besser werden
In der Online-Befragung von 2020 befragten US-Gynäkologinnen 572 Frauen aus verschiedenen Ländern, die sich wegen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr ärztliche Hilfe gesucht hatten: 58% hatten von ihrem Behandler nicht gesagt bekommen, dass es sich bei den Schmerzen um eine Diagnose handelt, die sich Dyspareunie nennt. 50% erfuhren nicht, dass die Schmerzen mit ihrer Endometriose zusammenhängen. Und mehr als ein Drittel der Frauen berichtete, dass die vom Behandler vorgeschlagenen Therapien - Operation, rezeptfreie Medikamente, Gleitmittel - zu keinerlei Besserung geführt hätten.
Eine repräsentative Befragung von 3.800 Patientinnen und Patienten mit sexuellen Problemen, die Hatzler und ihre Arbeitsgruppe selbst durchführten, bestätigt: Bei der Beratung von Frauen mit Endometriose, die wegen Dyspareunie ärztlichen Rat suchen, liegt einiges im Argen.
Die Initiative sollte von ärztlicher Seite ausgehen
„Der am häufigsten geäußerte Wunsch an die Versorgung waren bessere Informationen“, so Hatzler. Und bekommen möchten die Patientinnen diese bevorzugt von ihrer Frauenärztin – ohne selbst danach fragen zu müssen. „Die Frauen wünschen sich, dass das Gespräch von ärztlicher Seite initiiert wird“, sagte Hatzler. Und sie wissen es zu schätzen, wenn die Ärztin über Beispiele von anderen Frauen mit ähnlichen Erfahrungen berichtet.
Dass das zu oft noch nicht geschieht, liegt für die Berliner Gynäkologin vor allem daran, dass „Gespräche über die genannten Aspekte viel Zeit kosten“. Wie können Ärztinnen und Ärzte den betroffenen Patientinnen also besser helfen?
Ein erfülltes Sexualleben kann helfen
„Die gute Nachricht ist, es geht nicht darum, die Funktion völlig wiederherzustellen“, erklärte Hatzler. Denn das sei für großartigen Sex nicht notwendig. „Befragt man ältere Paare, die auf ihre Sexualität im Verlauf ihres Lebens zurückblicken, dann beschreiben sie großartigen Sex als Intimität, Nähe, Geborgenheit, Authentizität, Kommunikation und Transzendenz“, ergänzte sie. „Sexuelle Funktion ist somit nicht notwendig für ein erfülltes Sexualleben.“
Gynäkologinnen und Gynäkologen empfiehlt sie, mit ihren Patientinnen zu sprechen: „Sie freuen sich, wenn man nach fragt, sie möchten gehört werden, sich ernst genommen fühlen.“ Es gebe eine ganze Bandbreite von Fragen, die man stellen könne, um die Schmerzen hinsichtlich Häufigkeit und Situationen, in denen sie auftreten, besser einzuordnen, um dann gezieltere Hilfestellung an die Hand geben zu können. „Aber vor allem geht es darum, Interesse zu zeigen.“
Auch Begleiterkrankungen können Sexualität beeinträchtigen
Sie erinnerte auch daran, dass es bei der Endometriose zahlreiche Risikofaktoren und Komorbiditäten gibt, die ebenfalls Auswirkungen auf die Sexualität haben können, allen voran psychiatrische Diagnosen wie Angst und Depression. Aber die bei Endometriose häufigen chronischen Inflammation können Auswirkungen auf sexuelle Lust und Erregung haben.
Hatzler verwies auf verschiedene Fragebögen, die im Gespräch mit Endometriosepatientinnen, die an Dyspareunie leiden, hilfreich sein können, etwa der Basisfragebogen zu Endometriose der AGEM, der Deutsche Schmerzfragebogen und das neue Modul für viszerale und urogenitale Schmerzen (für Frauen).
Sexualtherapie könnte helfen – wird aber nicht bezahlt
„Die Sexualität muss in der multimodalen Therapie der Endometriose einen Platz finden“, betonte Hatzler. Es sei bekannt, dass Sexualität für die Lebensqualität von großer Bedeutung ist. „Insbesondere 20- bis 50-Jährige erachten Sex als sehr wichtig für ihre Lebensqualität“, so die Berliner Gynäkologin. „Der Peak liegt hier zwischen 30 und 40 Jahren und in dieser Zeit spielt die Symptomatik der Endometriose eine wichtige Rolle und hat - wenn sie nicht behandelt wurde - auch häufig schon zu chronischen Schmerzen geführt.“
Hilfreich könnte eine Sexualtherapie sein, aber diese werde aktuell nicht von den Krankenkassen finanziert, bedauerte sie. Was man in der Sexualtherapie lernen würde, wäre unter anderem die Bedeutung von Sexualität über die reine Erregungs- und Lustdimension hinaus. Sie würde auch helfen, Emotionen, die häufig in Zusammenhang mit Sexualität auftreten und belastend sein können, zu verstehen. „Für viele Frauen ist es eine große Erleichterung zu verstehen, dass Sex mehr bedeutet als Penetration“, sagte Hatzler.
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Source: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Schmerzen beim Geschlechtsverkehr: Endometriose kann Sex zur Tortur machen – aber Frauen werden oft vom Arzt nicht ernst genommen - Medscape - 5. Dez 2022.
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