Welt-AIDS-Tag: Millionen Betroffene, rund 5000 junge Frauen infizieren sich täglich – 10 Fakten zu einer fast vergessenen Seuche

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

1. Dezember 2022

2022 steht der Welt-AIDS-Tag am 1. Dezember international unter dem Motto „Equalize“. Seit fast 3 Jahren zieht SARS-CoV-2 einen Großteil der Aufmerksamkeit auf sich. Zeit daran, zu erinnern, dass die Pandemie auch die Bekämpfung von HIV/AIDS in Mitleidenschaft gezogen hat. Hier finden Sie die Fakten zu 10 aktuellen Themen bei AIDS und HIV. Sie zeigen, welche große Bedeutung diese Viruserkrankung weltweit noch hat.

1. Einfluss der COVID-19-Pandemie

Die Corona-Pandemie hat die Maßnahmen gegen HIV/AIDS zurückgeworfen. SARS-CoV-2 behindere in vielen Teilen der Welt auch die direkte Bekämpfung von HIV und verzögere damit den globalen Plan, die HIV-Pandemie bis zum Jahr 2030 zu beenden, so Winnie Byanyima, Direktorin von UNAIDS.

Gelder und Organisationsstrukturen zur HIV-Bekämpfung wurden für SARS-CoV-2 umgewidmet. Laut UNAIDS ist die weltweite Zahl der HIV-Infizierten, die antiretroviral behandelt werden, im ersten Halbjahr 2020 um nur 2,4% gestiegen. Im selben Zeitraum 2019 war der Anstieg noch doppelt so hoch (4,8%)

Der Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS gibt an, dass die Auswirkungen der Pandemie auf HIV-Programme dramatisch sind. So ging z.B. 2020 im Vergleich zum Vorjahr die Anzahl der HIV-Tests um 22% zurück.

Auch der Rückgang der Tuberkulose-Therapien um 18% kann katastrophale Folgen haben, da Tuberkulose die häufigste Todesursache bei Menschen mit HIV ist. Wie sich diese Einbrüche in den kommenden Jahren auf die Überlebenswahrscheinlichkeit auswirken, sei noch nicht abzuschätzen.

2. Diskriminierung: Auch im Gesundheitswesen noch häufig

Obwohl HIV-positive Menschen bei rechtzeitiger Behandlung eine fast normale Lebenserwartung haben und wie alle anderen Menschen leben können, müssen sie noch immer mit Ablehnung und Benachteiligung rechnen. Für die Studie „positive stimmen 2.0“ wurden im Jahr 2021 1.000 Menschen mit HIV befragt:

  • 95% berichten, im Jahr zuvor Diskriminierung erlebt zu haben, 52% geben an, durch Vorurteile in ihrem Leben beeinträchtigt zu sein.

  • 56% der Befragten berichten auch von Diskriminierung im Gesundheitswesen. 16% geben an, dass ihnen mindestens einmal eine zahnmedizinische Versorgung verweigert wurde.

  • Berichtet wird auch von überzogenen Vorsichtsmaßnahmen: HIV-Positive bekommen z.B. beim Krankenhausaufenthalt eine eigene Toilette zugewiesen, beim Röntgen trägt das Personal plötzlich Handschuhe.

  • Nicht selten kommt es auch zum Bruch der Schweigepflicht: In vielen Krankenhäusern werden Akten von HIV-positiven Patienten noch immer gekennzeichnet – oft sichtbar für Dritte.

Dies alles, obwohl die normalen Hygienemaßnahmen völlig ausreichen. Eine Konsequenz: Ein Viertel der Befragten legt seinen HIV-Status nicht mehr immer offen.

Auch im Arbeitsleben kommt es immer wieder zu Schwierigkeiten. Manche Arbeitgeber fragen nach einem HIV-Test, und beim Bewerbungsverfahren in den Bundespolizeidienst werden Menschen mit HIV meist als „nicht diensttauglich“ ausgeschlossen.

Die Deutsche Aidshilfe macht mit Plakaten zum „Medikament“ Respektomax – dem „iatrotropem Antistigmatikum“ – auf die anhaltende Diskriminierung aufmerksam.

3. Global ist HIV immer noch eine große Bedrohung

  • 38,4 Millionen Menschen lebten im Jahr 2021 weltweit mit HIV.

  • 1,5 Millionen Menschen haben sich 2021 neu mit HIV infiziert.

  • 650.000 Menschen starben im Jahr 2021 an AIDS-bedingten Krankheiten.

  • 28,7 Millionen Menschen erhielten im Jahr 2021 eine antiretrovirale Therapie.

  • 84,2 Millionen Menschen haben sich seit dem Beginn der Epidemie mit HIV infiziert.

  • 40,1 Millionen Menschen sind seit Beginn der Epidemie an AIDS-bedingten Krankheiten gestorben.

4. Wie viele Menschen sind von HIV/AIDS betroffen?

2021 lebten weltweit 38,4 Millionen Menschen mit HIV: 36,7 Millionen sind Erwachsene (15 Jahre oder älter), 1,7 Millionen Kinder (0 bis 14 Jahre). 54% aller mit HIV lebenden Menschen 2021 waren Frauen und Mädchen.

Beunruhigend: Nur 85% aller mit HIV lebenden Menschen kannten im Jahr 2021 ihren HIV-Status. Etwa 5,9 Millionen Menschen wussten nicht, dass sie mit HIV lebten.

Die Situation in Deutschland: Hierzulande leben rund 90.000 Menschen mit HIV, darunter 72.700 Männer und 18.100 Frauen. Neuinfektionen gab es im Jahr 2020 2.000 (2021: geschätzt ca. 1.800): 1.400 der Fälle waren Männer, 360 Frauen.

5. Die am stärksten betroffenen Gruppen in Deutschland

Die Trends in den 3 am stärksten betroffenen Gruppen verlaufen unterschiedlich:

  • Bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), ist die Zahl der geschätzten Neuinfektionen von 1.100 im Jahr 2020 auf etwa 1.000 im Jahr 2021 leicht gesunken.

  • Bei Personen mit einer Infektion, die auf heterosexuellem Weg erworben wurde, stagniert die Zahl der Neuinfektionen dagegen seit einigen Jahren. Sie lag Ende 2021 bei etwa 440.

  • Beim Gebrauch intravenöser Drogen haben sich 2021 etwa 320 Menschen mit HIV infiziert. Für diese Gruppe zeigt die Modellierung eine Stabilisierung seit 2019.

6. Entwicklung der HIV-Neuinfektionen weltweit: Starker Rückgang

Die HIV-Neuinfektionen sind seit dem Höchststand im Jahr 1996 um 54% zurückgegangen. Im Jahr 2021 haben sich etwa 1,5 Millionen Menschen neu mit HIV infiziert, verglichen mit 3,2 Millionen Menschen im Jahr 1996. Auf Frauen und Mädchen entfielen 49% aller Neuinfektionen im Jahr 2021.

Seit 2010 sind die HIV-Neuinfektionen bei Kindern um 52% zurückgegangen: von 320.000 im Jahr 2010 auf 160.000 im Jahr 2021.

7. Krisenherde Afrika, Osteuropa und Zentralasien

Am stärksten von AIDS betroffen ist das südliche Afrika. In Osteuropa und Zentralasien ist die Zahl der Infektionen in den letzten Jahren gestiegen.

Jede Woche infizieren sich etwa 4.900 junge Frauen im Alter von 15 bis 24 Jahren mit HIV. In Afrika südlich der Sahara sind 6 von 7 HIV-Neuinfektionen bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren Mädchen. Bei Mädchen und jungen Frauen im Alter von 15 bis 24 Jahren ist die Wahrscheinlichkeit, mit HIV zu leben, doppelt so hoch wie bei jungen Männern. In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara machten Frauen und Mädchen 63% aller HIV-Neuinfektionen im Jahr 2021 aus.

8. Todesfälle durch AIDS

Seit Beginn der Epidemie sind 40 Millionen Menschen an den Folgen von AIDS gestorben. Die Zahl der AIDS-bedingten Todesfälle ist seit dem Höchststand im Jahr 2004 um 68% und seit 2010 um 52% zurückgegangen.

Im Jahr 2021 starben weltweit etwa 650.000 Menschen an AIDS-bedingten Krankheiten, verglichen mit 2,0 Millionen Menschen im Jahr 2004 und 1,4 Millionen Menschen im Jahr 2010. Die AIDS-bedingte Sterblichkeit ist seit 2010 bei Frauen und Mädchen um 57% und bei Männern und Jungen um 47% zurückgegangen.

In Deutschland sind bislang etwa 32.400 Menschen an den Folgen von AIDS gestorben. Die geschätzte Zahl der Todesfälle für 2021 in Deutschland wird mit 640 angegeben.

9. Zugang zu antiretroviralen Therapien verbessert

Ende Dezember 2021 hatten 28,7 Millionen Menschen Zugang zu einer antiretroviralen Therapie, gegenüber 7,8 Millionen im Jahr 2010. Im Jahr 2021 hatten damit 75% aller HIV-Infizierten Zugang zu einer Behandlung.

76% der Erwachsenen ab 15 Jahren, die mit HIV leben, hatten Zugang zu einer Behandlung, ebenso wie 52% der Kinder im Alter von 0 bis 14 Jahren. 80% der weiblichen Erwachsenen im Alter von 15 Jahren und älter hatten Zugang zu einer Behandlung, aber nur 70% der männlichen Erwachsenen im Alter von 15 Jahren und älter.

81% der schwangeren Frauen, die mit HIV leben, hatten im Jahr 2021 Zugang zu antiretroviralen Medikamenten, um die Übertragung von HIV auf ihr Kind zu verhindern.

10. Wieviel Investitionen es noch braucht

Ende 2021 standen 21,4 Milliarden US-Dollar für die AIDS-Bekämpfung in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zur Verfügung – rund 60% stammten aus inländischen Quellen.

UNAIDS schätzt, dass für die AIDS-Bekämpfung in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, einschließlich der Länder, die früher als Länder mit höherem Einkommen galten, im Jahr 2025 29 Milliarden US-Dollar benötigt werden, um AIDS als globale Bedrohung der öffentlichen Gesundheit zu beenden.

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