Schon leichte Schilddrüsenfunktionsstörungen, sowohl Hypo-, als auch Hyperthyreosen, erhöhen das Risiko für schwere Arrhythmien. Deshalb sollte die Therapie einer latenten Hypothyreose erwogen und die Hormonsubstitution anhand der Biomarker möglichst genau an den Zielwerten orientiert werden.
Bei einer subklinischen Hyperthyreose, die ebenfalls für die Herzfunktion relevant ist, kann die Abwägung von Nutzen und Risiken der verschiedenen Therapieoptionen schwieriger sein, sollte aber ebenfalls erfolgen, wie Forscher berichten [1].
Offene Fragen zu den kardialen Risiken von Schilddrüsenfunktionsstörungen
Zum Hintergrund: Manifeste Hypo- oder Hyperthyreosen sind Risikofaktoren für Herzrhythmusstörungen, das ist etabliertes medizinisches Wissen. Während einige Studien eine solche Assoziation auch für minimale Veränderungen von Schilddrüsenbiomarkern nachgewiesen hatten, fand sich in anderen kein eindeutiger Zusammenhang. Es ist daher umstritten, wie mit frühen Über- und Unterfunktionen der Schilddrüse umzugehen ist. In Zusammenarbeit von deutschen Kliniken mit einem Zentrum in Singapur ist zu dieser Fragestellung eine systematische Übersichtsarbeit mit Metaanalyse erfolgt.
Design der Studie
Grundlage der Arbeit war eine systematische Analyse der internationalen Literatur unter Berücksichtigung von 32 Studien mit 1,3 Millionen Teilnehmern, darunter 18 Studien für die Metaanalyse.
Latente Hypothyreosen und latente Hyperthyreosen erhöhen das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) inklusive tödlichem und nicht tödlichem Herzinfarkt. Eine subklinische Hyperthyreose war mit einer Risikoerhöhung für MACE um 20% assoziiert und einem um 44% erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. In einigen Studien fand sich auch eine Assoziation zu einer erhöhten Gesamtsterblichkeit (+24%).
Die Risiken stiegen linear mit den Konzentrationen des freien Tetrajodthyronins (fT4; Thyroxin), und dies bereits ab hochnormalen fT4-Werten.
Bei einer subklinischen Hypothyreose erhöhte sich das Risiko der Patienten für MACE um 23% und für kardiovaskuläre Erkrankungen allgemein um 50%.
Sowohl verringerte als auch erhöhte Konzentrationen des Thyroidea-stimulierenden-Hormons TSH korrelierten mit einer Erhöhung kardialer Risiken. Grafisch dargestellt ergab die Relation eine U-Kurve.
Bereits subklinische Funktionsstörungen der Schilddrüse behandeln
Die schilddrüsenvermittelten Herzrhythmusstörungen haben nach Meinung der Autoren wahrscheinlich 2 zugrundliegende Muster:
Beim dyshomöostatischen Typ liegt eine Erkrankung vor, die direkt zu einer hohen Schilddrüsenhormonkonzentration führt und darüber das Herz-Kreislauf-Risiko erhöht.
Beim allostatischen Typ wird durch genetische Faktoren, durch chronischen Stress und psychische Belastung der Sollwert des Regelkreises zwischen Hirnanhangsdrüse und Schilddrüse erhöht, sodass über die damit indirekt erhöhte fT4-Konzentration ebenfalls Rhythmusstörungen begünstigt werden.
Die Studienergebnisse sprechen nach Meinung des Forscherteams dafür, bereits subklinische Schilddrüsenfunktionsstörungen wieder stärker in den Fokus einer potenziellen Behandlung zu rücken. Bei der latenten Hyperthyreose sei die Abwägung des Nutzens von Thyreostatika, Operation oder Radiojodtherapie gegenüber den Risiken dieser Therapien komplexer als bei der Behandlung der latenten Hypothyreose. Die Hormonsubstitution bei Unterfunktion sollte sich möglichst eng an den Zielwerten orientieren.
Außerdem könne die Schilddrüsenfunktion bei bereits bestehender Herzrhythmusstörung künftig als Biomarker für den jeweiligen Entstehungsmechanismus dienen und helfen, eine individuell optimierte medikamentöse Therapie auszuwählen.
Der Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Plötzlicher Herztod: Gefahr schon bei leichter Unter- oder Überfunktion der Schilddrüse – Plädoyer für mehr Therapien - Medscape - 12. Dez 2022.
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