Endlich mal gute Nachrichten von den Antibiotika-Wächtern: Verbrauch in Deutschland gesunken, Resistenzen bis auf 2 Arten stabil

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

29. November 2022

Neue Zahlen zu Antibiotika-Resistenzen in Deutschland und Europa machen deutlich: Es gibt vereinzelt günstige Entwicklungen beim Antibiotika-Verbrauch und dem Anteil an Antibiotika-resistenten Erregern. Aber noch immer sterben jedes Jahr mehr als 35.000 Menschen in der Europäischen Union (plus Island und Norwegen) an Antibiotika-resistenten Infektionen.

 
Es ist eine Daueranstrengung nötig, um die Situation [der Antibiotika-Resistenzen] auf einem guten Niveau zu halten. Dr. Tim Eckmanns
 

„Es ist eine Daueranstrengung nötig, um die Situation [der Antibiotika-Resistenzen] auf einem guten Niveau zu halten“, sagte Dr. Tim Eckmanns, Leiter des Fachgebiets Nosokomiale Infektionen, Surveillance von Antibiotikaresistenz und -verbrauch am Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin. „Wir haben eine Hochleistungsmedizin, in der wir Antibiotika immer wieder einsetzen müssen, und dann wird es immer wieder zu Resistenzen kommen.“

 
Wir haben eine Hochleistungsmedizin, in der wir Antibiotika immer wieder einsetzen müssen, und dann wird es immer wieder zu Resistenzen kommen. Dr. Tim Eckmanns
 

In Deutschland nehmen nur 2 resistente Erreger zu

Eckmanns Abteilung beim RKI veröffentlichte die aktuellen Daten bis 2021 der Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS) in Deutschland. Die Zahlen deuten für Deutschland auf eine derzeit relativ günstige Lage hin: „Bis auf den Vancomycin-resistenten Enterococcus faecum und den Carbapenem-resistenten Pseudomonas aeruginosa steigt im Moment nichts an“, so Eckmanns.

 
Bis auf den Vancomycin-resistenten Enterococcus faecum und den Carbapenem-resistenten Pseudomonas aeruginosa steigt im Moment nichts an. Dr. Tim Eckmanns
 

Während die Carbapenem-resistenten Pseudomonaden in den letzten Jahren auf 15% angestiegen sind, erreichten Vancomycin-resistente Enterokokken laut ARS sogar einen Anteil von 20 bis 25%. „Mit diesem Erreger haben wir in Deutschland ein Problem, er ist über die letzten Jahre angestiegen, und die Resistenz hält sich in den letzten 2 bis 3 Jahren stabil, aber auf einem sehr hohen Niveau. Das ist übrigens die einzige Resistenz, bei der Deutschland über dem Durchschnitt der anderen EU-Länder liegt“, berichtete Eckmanns.

Rückgänge bei E. coli und MRSA

Die Antibiotika-resistenten Anteile der anderen relevanten Erreger von nosokomialen Infektionen, die vom ARS überwacht werden, liegen deutlich niedriger: Carbapenem-resistente Klebsiella pneumoniae machen unter 1% aus, und E.coli mit einer kombinierten Resistenz gegen Cephalosporine der 3. Generation, Fluorchinolone und Aminoglykoside liegen nach einem Rückgang in den letzten 3 bis 4 Jahren nun bei etwa 3%.

Acinetobacter-Spezies mit einer kombinierten Resistenz gegen Fluorchinolone, Aminoglykoside und Carbapeneme haben in Deutschland einen Anteil von 4%. „Und beim Staphylococcus aureus mit Methicillin-Resistenz (MRSA) hatten wir vor 10 Jahren noch gesagt, wir haben 20 bis 25% Resistenz, jetzt haben wir deutlich unter 10%“, so Eckmanns.

Europaweit nehmen Infektionen und Todesfälle zu

Die aktuellen Daten des RKI flossen auch in eine neue Auswertung der Resistenzsituation in der Europäischen Union (plus Island und Norwegen) ein, die gerade vom European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) veröffentlicht wurde. Die Daten des ECDC zeigen, dass von 2016 bis 2020 die Zahlen an Infektionen und Todesfällen aufgrund von fast allen Antibiotika-Resistenzen zugenommen haben.

„In 2021 war die Zahl an berichteten Fällen von Acinetobacter-Spezies, die resistent gegen verschiedene Antibiotikaklassen sind, mehr als doppelt so hoch (plus 121%) als der Durchschnitt von 2018 bis 2019“, berichtet das ECDC. Ein anders Beispiel sei der Anteil an Klebsielle pneumoniae, die resistent gegen Carbapeneme sind: Sie stiegen 2020 um 31% an und dann noch einmal um weitere 20% in 2021.

Deutliche Unterschiede zwischen EU-Ländern

Allerdings „variiert der Anteil an Antibiotika-Resistenzen stark zwischen den Ländern. Im Allgemeinen wurden die niedrigsten Zahlen aus den Ländern im Norden Europas und die höchsten aus dem Süden und Osten Europas berichtet“, so das ECDC.

„Schaut man sich zum Beispiel die Klebsiella pneumoniae-Resistenz gegen Carbapeneme an, die in Deutschland bei unter 1% liegt, dann ist das zwar in fast allen Ländern in Nordwesteuropa vergleichbar“, so Eckmanns „Aber wir haben tatsächlich Länder in EU-Europa, die über 50% Resistenz haben, wie Griechenland. Wir haben einige GUS-Länder mit über 50%, und zwischen 25 und 50% sind viele Länder. Und da gehört zum Beispiel auch Italien dazu“, sagte Eckmanns.

Ständige Aufmerksamkeit nötig

„Wir beobachten gerade im Osten Europas Anstiege von bestimmten Resistenten, die auch häufig zu Todesfällen führen“, ergänzte er. Diese könnten jederzeit auch nach Deutschland eingetragen werden und sich dann auch hierzulande ausbreiten.

„Das Problem kann ganz schnell kommen“, so Eckmanns. Da nütze es dann auch nichts, im Ausland die Schuld zu suchen. Deshalb sei große Aufmerksamkeit nötig und „wirklich vereinte Anstrengungen auf klinischer Seite, hygienischer Seite, epidemiologischer Seite und mikrobiologischer Seite“.

Antibiotika-Verbrauch ist gesunken – aber nicht bei allen Substanzen

Oberste Maßnahme zur Vermeidung von Antibiotika-Resistenzen ist der möglichst sparsame Einsatz. Hier hat das ECDC durchaus Positives zu berichten. Demnach ist der Gesamtverbrauch an Antibiotika in der Humanmedizin im ambulanten und stationären Sektor von 2012 bis 2021 um 23% gesunken.

Das sei zwar ein Erfolg, so das ECDC, aber im Gegensatz dazu habe der Anteil an Breitspektrum-Antibiotika zugenommen, speziell in Krankenhäusern. Von 2012 bis 2021 stieg der Verbrauch an Breitspektrum-Antibiotika in Krankenhäusern um 15%, der von Carbapenemen um 34%, und der Anteil an Reserveantibiotika verdoppelte sich in diesem Zeitraum.

Noch immer nehmen zu viele Menschen Antibiotika gegen Viren

Dass zur Vermeidung von Antibiotika-Resistenzen auch weitere Aufklärungsmaßnahmen in der europäischen Bevölkerung erforderlich sind, zeigte eine Befragung von Eurobarometer: Sie zeigt zwar, dass der Einsatz von Antibiotika ein Rekordtief erreicht hat: Nur 23% der Europäer gaben an, im vergangenen Jahr, Antibiotika genommen zu haben, der tiefste Wert seit 2009. Aber dies variierte stark zwischen den Ländern: Lag die Zahl in Malta noch bei 42%, sind es in Deutschland und Schweden nur noch 15%.

Aber immer noch sei der Anteil an Europäern, die Antibiotika ohne geeignete Indikation nehmen, zum Beispiel bei Virusinfektionen, hoch. Es zeigte sich ein „besorgniserregender Mangel an Bewusstsein für den angemessenen Einsatz von Antibiotika“, schreibt das ECDC. Nur etwa die Hälfte der Befragten wusste, dass Antibiotika nicht gegen Viren wirken, und nur 3 von 10 Europäern wussten, dass der unnötige Einsatz von Antibiotika dazu beiträgt, dass sie immer weniger wirksam werden.

Antibiotika-Resistenzen werden immer ein Problem bleiben

Es sind noch viele Baustellen offen, auch im Hinblick auf die Entwicklung neuer Medikamente. Das ist Eckmanns zufolge von größter Wichtigkeit, aber auch kein Allheilmittel, denn „auch gegen neue Antibiotika werden Erreger letztlich resistent“.

Er betonte: „Wir werden auf keinen Fall das Problem Antibiotika-Resistenz los. Wir werden nicht irgendwann sagen, wir haben keine Antibiotika-Resistenz mehr. Das ist etwas, was uns dauerhaft begleiten wird.“

 
Wir werden auf keinen Fall das Problem Antibiotika-Resistenz los. Dr. Tim Eckmanns
 

 

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