Bei Kindern, die wegen einer Grippe im Krankenhaus behandelt werden, verkürzt eine rasche Behandlung mit dem Neuraminidasehemmer Oseltamivir die Dauer des Krankenhausaufenthalts und verringert die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten, die bereits aus der Klinik entlassen wurden, erneut stationär aufgenommen werden müssen. Das ergibt eine große Kohortenstudie aus den USA mit 55.800 pädiatrischen Patienten, davon mehr als die Hälfte Kleinkinder bis 5 Jahre [1].
Offene Fragen zur Influenza-Therapie bei Kindern
Zum Hintergrund: Die Therapie der Influenza im Kindesalter basiert im Wesentlichen auf der Behandlung der Symptome mit einigen Tagen Bettruhe und mit schmerzlindernden, fiebersenkenden Medikamenten wie Paracetamol oder Ibuprofen.
Bei einigen Kindern gibt es schwere Verläufe: eine akute respiratorische Insuffizienz durch eine virale Bronchiolitis zum Beispiel oder ein systemisches inflammatorisches Response-Syndrom oder hämodynamische Symptome bei viraler Peri- oder Myokarditis.
In den USA wird bei stationär zu behandelnder Influenza im Kindesalter die frühe Gabe des Neuraminidasehemmers Oseltamivir empfohlen. Er blockiert die Freisetzung neugebildeter Viruspartikel, und zwar sowohl von Influenza A als auch von Influenza B. In den meisten bisherigen Studien wurden Wirksamkeit und Sicherheit von Oseltamivir bei ambulanter Therapie untersucht. Nun liegen Daten für stationär behandelte Kinder mit aus einer großen, US-amerikanischen Kohortenstudie vor.
Studie mit knapp 56.000 Kindern
Es handelte sich um eine multizentrische, Propensity-Score-gewichtete retrospektive Analyse der Daten von 55.799 Kindern, die zwischen 2007 und 2020 wegen Influenza stationär behandelt worden waren. Angaben kamen aus dem Pediatric Health Information System (PHIS).
Intervention war die frühe Gabe von Oseltamivir am Tag der Klinkaufnahme oder 1 Tag später (n=33.207) versus die spätere oder keine Gabe von Oseltamivir (n=22.592). In der Kohorte waren 37% unter 2 Jahren, 21% zwischen 2 und 5 Jahren und 41 % älter als 5 Jahre; median: 3,6 Jahre.
Signifikanter Vorteil der Pharmakotherapie
Unter früher Oseltamivirtherapie verkürzte sich der Krankenhausaufenthalt um median 1 Tag, nämlich von median 4 Tage ohne Oseltamivir auf median 3 Tage mit früher Neuraminidasehemmung.
Auf eine intensivmedizinische Abteilung mussten 2,4% in der Oseltamivirgruppe verlegt werden – versus 5,5% in der Gruppe ohne Oseltamivir oder mit erst später erfolgter Gabe des Virustatikums (adjustierte Odds Ratio [aOR]: 0,41).
Eine stationäre Wiederaufnahme jeglicher Ursache innerhalb von 7 Tagen war bei 3,5% in der Gruppe mit früher Gabe des Neuraminidaseinhibitors erforderlich und bei 4,8% ohne Oseltamivirtherapie (aOR: 0,72). Den zusammengesetzten Endpunkt aus ECMO-Therapie und Tod erreichten 0,9 % bei früher Virustatikatherapie und 1,4 % ohne oder mit später Oseltamivirtherapie (aOR: 0,63).
Die Unterschiede im klinischen Outcome bestanden über alle Subgruppen hinweg, also auch bei Berücksichtigung von Alter, positiver Anamnese für komplexe chronische Krankheiten, frühem schwerem Verlauf oder Asthma. Bei Asthmapatienten war lediglich die mediane Dauer des Krankenhausaufenthaltes mit 3 Tagen nicht unterschiedlich zwischen den beiden Gruppen.
Bleibt als Fazit: Die frühzeitige Gabe eines Neuraminidasehemmers ist medizinisch sinnvoll bei Kindern, die eine stationäre Behandlung wegen Influenza benötigen, so das Fazit der Autoren. In Deutschland wird eine Behandlung mit Oseltamivir vor allem bei Kindern mit erhöhtem Risiko erwogen, zum Beispiel durch chronische Krankheiten.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Frühe Oseltamivir-Gabe in der Pädiatrie: Weniger Krankheitstage, weniger intensivmedizinische Therapien - Medscape - 2. Dez 2022.
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