Studienlage zu den besten OP-Methoden bei Brustkrebs: „So viel wie möglich brusterhaltend“ – erhöht die Überlebenschancen

Dr. Klaus Fleck

Interessenkonflikte

25. November 2022

Berlin – Für die Behandlung des Mammakarzinoms ist die operative Therapie einer von mehreren Teilschritten, bei dem nicht nur onkologische, sondern auch ästhetische Aspekte eine Rolle spielen. Im Falle einer Mastektomie wünschen viele Patientinnen eine Rekonstruktion der Brust. Neueste Studienergebnisse zu den aktuell hierfür eingesetzten chirurgischen Technologien und Materialien präsentierte Prof. Dr. Jens-Uwe Blohmer, Direktor der Klinik für Gynäkologie mit Brustzentrum der Berliner Charité und stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) auf dem 35. Deutschen Krebskongress in Berlin [1].

Brusterhaltende OP offenbar mit besserer Überlebensrate

Als im Vergleich zur Mastektomie mindestens äquivalent oder sogar besser bezeichnete Blohmer die Ergebnisse der brusterhaltenden Operation mit Nachbestrahlung. Dabei verwies er auf eine prospektive schwedische Kohortenstudie, bei der die Daten von rund 49.000 Patientinnen mit operierten invasiven Mammakarzinomen (T1-2, N0-2, M0) analysiert wurden.

Prof. Dr. Jens-Uwe Blohmer

„Es zeigte sich insgesamt eine 5-Jahres-Überlebensrate von rund 91% – ähnlich der in Deutschland von etwa 88% –, wobei die Überlebensrate nach Mastektomie sowohl ohne als auch mit Radiatio signifikant schlechter war als diejenige nach brusterhaltender Operation und Nachbestrahlung. Dabei übt die lokal konzipierte Nachbestrahlung zumindest beim Mammakarzinom offenbar auch eine systemische Wirkung aus.“

Onkoplastische Operation kombiniert Sicherheit mit Ästhetik

Das Ziel sollte Blohmer zufolge sein, so viele Frauen wie möglich brusterhaltend zu operieren. Dies treffe in Deutschland gegenwärtig auf etwa 80% der Brustkrebsoperationen zu. In diesen Fällen komme eine onkoplastische Operation in Frage. Sie bedeutet den Einsatz plastischer operativer Techniken bereits zum Zeitpunkt der Tumorentfernung, um sichere Resektionsgrenzen zu erreichen und eine ästhetische Brustform zu ermöglichen.

 
Die onkoplastische brusterhaltende Operation und die konventionelle brusterhaltende Operation sind onkologisch gleichwertig. Prof. Dr. Jens-Uwe Blohmer
 

„Die onkoplastische brusterhaltende Operation und die konventionelle brusterhaltende Operation sind onkologisch gleichwertig“, konstatierte Blohmer mit Verweis auf eine kürzlich dazu publizierte internationale Multicenterstudie mit mehr als 3.000 Patientinnen aus 15 Brustzentren, darunter dem Zentrum der Charité: „Dabei zeigte die für die Tumorbiologie, Größe des Tumors, Bestrahlung und weitere Variablen adjustierte multivariate Regressionsanalyse zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede bezüglich des Lokalrezidivrisikos, des metastasenfreien Überlebens und des Gesamt-Überlebens.“

Onkologische Sicherheit auch bei späterer Rekonstruktion

Ob eine Rekonstruktion sofort nach einer Mastektomie oder später erfolgt, hat offenbar keinen Einfluss auf die onkologische Sicherheit, wie ein systematischer Review aus den Niederlanden mit Auswertung der Daten von mehr als 14.000 Patientinnen ergab.

Ebenso unabhängig waren die onkologischen Ergebnisse der Rekonstruktion dieser Analyse zufolge davon, ob sie Implantat-basiert oder mit Eigengewebe vorgenommen wurde und ob eine Strahlentherapie vor oder nach der Rekonstruktion erfolgte.

Höhere Patientenzufriedenheit nach autologer Rekonstruktion

Sehr wohl kann die Art der Rekonstruktion – ob mit körpereigenem oder künstlichem Gewebe – jedoch einen Einfluss auf das subjektive Empfinden der Patientinnen sowie das Risiko verschiedener Komplikationen haben, wie Blohmer erläuterte.

So ergab eine Metaanalyse aus den USA, dass die autologe Rekonstruktion (AR) nach Mastektomie im Vergleich mit der Implantat-basierten Rekonstruktion (IBR) mit einer höheren Patientinnenzufriedenheit in Bezug auf die Brüste und die Sexualität assoziiert war. Während die AR demgegenüber im Vergleich ein höheres Risiko für tiefe Beinvenenthrombosen und Lungenarterienembolie hatte, war bei der IBR das Risiko für Langzeitkomplikationen (nach 1,5 bis 4 Jahren) erhöht, die – wie etwa eine Kapselfibrose – zu einem Implantatverlust führen können.

Ebenso hatte die IBR ein höheres Risiko für die Entstehung von Seromen. „Die Lage des Implantats – ob sub- oder epimuskulär, also hinter oder vor dem Musculus pectoralis major – beeinflusst nach aktueller Datenlage nicht das Risiko für eine Implantat-bezogene Infektion“, sagte Blohmer.

Netze oder ADMs zur Stabilisierung?

In manchen Fällen kann es zur Stabilisierung des Implantats sinnvoll sein, bei der Rekonstruktion gewebeunterstützendes Material in Form eines Kunststoffnetzes oder einer azellulären dermalen Matrix (ADM, zellfrei gemachte Haut von Rindern, Schweinen oder verstorbenen Menschen) einzusetzen.

„Wegen einer noch mangelnden Datenlage“, so der Berliner Experte, „kann hier allerdings noch keine klare Empfehlung für eine bestimmte Technik bzw. die sub- oder epipektorale Platzierung der Netze und ADMs gegeben werden.“ Dennoch gehe der Trend zur epipektoralen Implantateinlage, u.a. um Effekte wie die nach der subpektoralen Platzierung bei willkürlichen Muskelkontraktionen auftretenden „jumping breasts“ zu vermeiden.

Nach Vorbestrahlung höhere Komplikationsrate bei ADMs

In einer multizentrischen deutschen Kohortenstudie wurden die Komplikationsraten humaner ADMs in primärer Implantatrekonstruktion (Kohorte A) und sekundärer Rekonstruktion nach Kapselfibrose (Kohorte B) untersucht. „Komplikationen wie Serome oder Implantatverlust traten insbesondere nach vorangegangener Bestrahlung auf“, so Blohmer. „Dabei ließen sich jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Kohorten erkennen.“

Ebenfalls keine Unterschiede ergaben sich hinsichtlich der Lebensqualität von Patientinnen mit oder ohne ADM, die in einer anderen Studie 2 Jahre nach ihrer Operation befragt worden waren.

Gute kosmetische Ergebnisse auch ohne ADM oder Netz

Alternativ zu einer ADM kann zur Fixierung bzw. Stabilisierung des Implantats ein Netz verwendet werden. Klare Aussagen dazu, was von beiden vorteilhafter ist, sind offenbar jedoch schwierig zu machen. „Ich denke, dass bei den meisten Patientinnen auch gar kein Netz oder ADM gebraucht wird“, sagte Blohmer.

Er verwies auf aktuelle Ergebnisse einer multizentrischen Kohortenstudie, in der bei 195 Patientinnen nach einer Mastektomie 280 präpektorale Sofortrekonstruktionen mit Implantaten ohne ADM und ohne Netz durchgeführt wurden: Dabei wurden die kosmetischen Ergebnisse in 87% der Fälle als gut oder sogar exzellent bezeichnet. Allerdings hatte fast ein Viertel (24%) der Rekonstruktionen mindestens eine Komplikation. Am häufigsten (9%) war ein Implantatverlust.

Dennoch waren die Gesamtkomplikationen den Autoren zufolge – abgesehen von einer höheren Explantationsrate bei den Implantaten – vergleichbar mit jenen, die bei einer Verwendung von ADMs oder Netzen berichtet werden.

Autologe Rekonstruktion mit freien oder gestielten Hautlappen

Ob für den Brustaufbau mit körpereigenem Gewebe bzw. Hautlappen (Flaps) aus dem Unterbauch besser freie oder gestielte (mit Muskulatur und Gefäßen entnommene) Flaps verwendet werden sollten. Dazu gibt es dem Berliner Brustexperten zufolge aus unterschiedlichen Gründen immer wieder wissenschaftliche Differenzen.

Die bereits zuvor erwähnte Metaanalyse aus den USA kam zu dem Schluss, dass die Rekonstruktion mit einem gestielten TRAM (Transverse Rectus Abdominis Myocutaneus Flap) oder freien DIEP (Deep Inferior Epigastric Perforator Flap) zu einer vergleichbaren Patientinnenzufriedenheit bezüglich ihrer Brüste führt. Allerdings sei mit dem TRAM ein erhöhtes Risiko von Komplikationen der Spenderregion (wie Bauchwandhernien) verbunden.

Bislang fehlten genauere Daten, um eine Aussage darüber zu machen, ob beide Methoden als gleichwertig anzusehen sind oder eine von ihnen der anderen überlegen ist.

PROMs vermitteln die Sicht der Patientinnen

Zu wenig beachtet wurden bisher nach den Worten Blohmers die Aspekte der Lebensqualität aus Sicht der Brustkrebspatientinnen: Zu deren besserer Beurteilung wurden an der Charité patientenbeurteilte Qualitätskriterien (PROs oder PROMs = Patient Reported Outcome Measurements) entwickelt und eingeführt.

Es handelt sich dabei um wissenschaftlich validierte Fragemodule, die dem medizinischen Personal die Perspektive der Patientinnen auf ihre Erkrankung und ihre Therapie liefern. Im Rahmen eines OECD-Projekts werden dabei auch PROM-Daten verschiedener Kliniken auf internationaler Ebene miteinander verglichen.

Indocyaningrün-Angiographie für bessere OP-Ergebnisse?

Bei Brustrekonstruktionen nach den neueren Mastektomieverfahren SSM (Skin Sparing Mastectomy) und NSM (Nipple Sparing Mastectomy) kann eine Angiographie mit dem Farbstoff Indocyaningrün (ICG-A) dazu verwendet werden, Areale für postoperative Hautnekrosen zu identifizieren und damit möglicherweise die Operationsergebnisse zu verbessern. Dabei wird die Durchblutung intraoperativ mit fluoreszierendem Laserlicht dargestellt.

„Die Technologie ist zwar gut, aber auch hier liegen bisher erst wenig Daten vor“, sagte Blohmer. Eine dazu vorgenommene Cochrane-Analyse ergab, dass ICG-A zwar immer häufiger bei Brustrekonstruktionen eingesetzt wird, wegen des Fehlens randomisierter Studien jedoch ein hohes Bias-Risiko besteht und keine generelle Empfehlung zum Einsatz der ICG-A in dieser Indikation gegeben werden kann.

Lipofilling positiv bewertet

Lipofilling oder Lipotransfer wird eingesetzt, um Asymmetrien nach Brustrekonstruktionen auszugleichen. Dazu wird Fettgewebe vom Bauch, der Hüfte, dem Po oder einer anderen Körperregion abgesaugt und nach intraoperativer Aufbereitung in die zu füllenden Brustareale eingebracht.

„Für diese Technologie liegen ausreichend Daten vor, die, wie eine dazu vorgenommene andere Metaanalyse zeigt, dass die Methode onkologisch sicher ist“, sagte der Charité-Experte. So wird sie auch von der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie als positiv bewertet. Eine breit angelegte Umfrage bei Gynäkologen und Plastischen Chirurgen zum Einsatz des Lipofillings bei Brustkrebspatientinnen ergab, dass die Methode sowohl bei den Patientinnen als auch den Behandlern eine hohe Akzeptanz hat.

In absehbarer Zeit ist eine Aktualisierung der S3-Leitlinie zur Brustrekonstruktion vorgesehen. „Hierfür bzw. um den Evidenzgrad der Empfehlungen zu erhöhen, besteht allerdings aufgrund der bei einigen Fragen noch dünnen Datenlage weiterer Forschungsbedarf“, resümierte Blohmer. Dies hänge auch damit zusammen, dass es für das Gebiet der Brustrekonstruktion so gut wie keine prospektiv randomisierten Studien gebe. Hier seien stattdessen Kohortenstudien für eine prospektive und kontrollierte Datenerhebung sowie systematische Literaturrecherchen gefragt.

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