Nach einer Beobachtungsstudie, die den Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Milchprodukten und dem kardiovaskulären Risiko bei Patienten mit stabiler Angina pectoris untersuchte, scheinen verschiedene Milchprodukte unterschiedliche gesundheitliche Folgen zu haben. Die Ergebnisse wurden im European Journal of Preventive Cardiology veröffentlicht [1].

Vegard Lysne
Die Studie analysierte eine Kohorte aus der WENBIT-Studie (Western Norway B-Vitamin Intervention Trial). Demnach war ein höherer Milch- und Milchproduktekonsum mit einer erhöhten Mortalität und einem erhöhten Schlaganfallrisiko und der Konsum von Butter mit einem erhöhten Herzinfarktrisiko verbunden. Beim Konsum von Käse zeigte sich hingegen ein niedrigeres Risiko für einen akuten Myokardinfarkt.
Milchprodukt sind nicht alle gleichzusetzen
„Milchprodukte sind eine sehr heterogene Lebensmittelgruppe. Sie sollten am besten nur einzeln und nicht in Kombination betrachtet werden“, sagte der Hauptautor Dr. Vegard Lysne vom Zentrum für Ernährung der Universität Bergen und der Abteilung Kardiologie der Uniklinik Haukeland im norwegischen Bergen gegenüber Medscape.
„Die aktuellen Ernährungsempfehlungen zu Milchprodukten basieren hauptsächlich auf dem Nährstoffgehalt mit den Schwerpunkten Kalzium, Jod und gesättigte Fettsäuren“, so Lysne. Frühere Studien haben darauf hingewiesen, dass verschiedene Milchprodukte unterschiedliche und sogar gegensätzliche Einflüsse auf die kardiovaskuläre Gesundheit haben können, aber dies wurde in erster Linie an gesunden Populationen untersucht, bemerkte er.
„Es gibt nur wenige Daten zu Personen mit kardiovaskulären Erkrankungen, daher wollten wir diese Frage in einer Population mit bereits diagnostizierten derartigen Erkrankungen untersuchen. Das Hauptziel der Studie war es, den Verzehr verschiedener Milchprodukte mit kardiovaskulären Outcomes und der Mortalität in einer solchen Population zusammenzubringen“, sagte er.
Patienten mit stabiler Angina pectoris untersucht
Die Forschenden analysierten dazu Daten von 1.929 Personen der WENBIT-Studie mit stabiler Angina pectoris. Sie führten eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte prospektive Sekundärpräventionsstudie durch, in der die Auswirkungen einer Vitamin-B-Behandlung auf die Mortalität und die kardiovaskulären Folgen untersucht wurden.
80% der Teilnehmenden waren Männer, das Durchschnittsalter lag bei 61,8 Jahren. Neben einer stabilen Angina pectoris hatten 47% der Personen eine Hypertonie, 31% einen Diabetes und 29% waren Raucher. Die meisten (90%) nahmen Acetylsalicylsäure, Statine (90%) und Betablocker ein (77%).
Die Ernährungsdaten wurden mithilfe eines Fragebogens zur Häufigkeit des Verzehrs bestimmter Lebensmittel erhoben. Diesen hatten die Teilnehmenden bei ihrem ersten Besuch ausgehändigt bekommen. Sie schickten ihn entweder per Post zurück oder brachten ihn ausgefüllt zur Nachuntersuchung einen Monat nach dem ersten Besuch mit.
Die Häufigkeitsangaben zum Verzehr waren „x-mal pro Tag“, „… pro Woche“, „… pro Monat“ oder „nie“. Die Verzehrmenge wurde anhand von Einheiten wie Scheiben, Stücke usw. oder über Haushaltsmaße geschätzt.
Die Variable Milch umfasste fettreiche, fettarme, entrahmte oder nicht spezifizierte Milch. Zu den Käsesorten gehörten Braunkäse (Brunost; ein norwegischer karamellartiger Käse aus Molke, Milch und Sahne), Weißkäse, Frischkäse, Koch- oder Schmelzkäse und Käse in Dosen. Die Gesamtmenge an Milchprodukten wurde als Summe aus Milch, Käse, Joghurt, Sahne, saurer Sahne, Eiscreme und Butter in Gramm berechnet.
Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 5,2 Jahre für Schlaganfall, 7,8 Jahre für den akuten Myokardinfarkt und 14,1 Jahre für das Ableben.
Mehr Käse – weniger Infarkte
Personen, die einen höheren Gesamtverzehr von Milchprodukten und Milch angegeben hatten, wiesen ein höheres Schlaganfall- und Sterberisiko auf. Die Hazard Ratio (HR) für Schlaganfall lag in dieser Gruppe bei 1,4 (95%-Konfidenzintervall: 1,02–1,27). Bei denjenigen, die einen höheren Milchkonsum vermerkt hatten, lag die HR für Schlaganfall bei 1,13 (95%-KI: 1,02–1,27).
Die kardiovaskulär bedingte Mortalität schien auch bei denjenigen erhöht zu sein, die einen höheren Gesamtkonsum an Milchprodukten (HR: 1,06; 95%-KI: 1,00–1,12) und einen höheren Milchkonsum aufwiesen (HR: 1,07; 95%-KI: 1,01–1,13).
In ähnlicher Weise war die Gesamtmortalität bei denjenigen erhöht, die einen höheren Gesamtkonsum an Milchprodukten (HR: 1,07; 95%-KI: 1,03–1,11) und einen höheren Milchkonsum angegeben hatten (HR: 1,06; 95%-KI: 1,03–1,10).
Butter war mit einem erhöhten Infarktrisiko (HR: 1,10; 95% KI: 0,97–1,24) sowie mit einer höheren Gesamtmortalität verbunden (HR: 1,10; 95%-KI: 1,00–1,20).
Ein höherer Käsekonsum hingegen stand in einem umgekehrten Verhältnis zum Risiko eines akuten Myokardinfarktes (HR: 0,92; 95%-KI: 0,83–1,02).
Keine neuen Ernährungsempfehlungen
Lysne betonte, dass es sich bei den Ergebnissen um eine Beobachtungsstudie handele und dass Ärzte ihre Empfehlungen nicht allein aufgrund dieser Ergebnisse ändern sollten.
„Es gibt immer mehr Literatur, nach der Käse mit einem geringeren kardiovaskulären Risiko in Verbindung gebracht werden kann. Aber ob es sich dabei um einen kausalen Effekt handelt oder ob Käse ein Marker für einen höheren sozioökonomischen Status und einen insgesamt gesünderen Lebensstil ist, ist noch unbekannt“, sagte er.
„Ich würde mir wünschen, dass künftige Studien Milchprodukte auf individueller und nicht zusammen bewerten. Wenn die Daten zeigen, dass verschiedene Milchprodukte unterschiedliche gesundheitliche Folgen haben, sollte dies in den Ernährungsempfehlungen berücksichtigt werden“, fügte Lysne hinzu.
Hoher versus niedriger Fettgehalt könnte entscheidend sein
„Diese Ergebnisse sind nicht wirklich überraschend. Es gibt schon seit langem die Empfehlung, fettarme Milch zu konsumieren, Vollmilch zu meiden usw. Diese Studie bestätigt also nur, was wir bereits wissen“, sagte Dr. Qi Sun, Professor für Ernährung und Epidemiologie an der Harvard T.H. Chan School of Public Health in Boston, Massachusetts, gegenüber Medscape.
„Ich würde mir die Milch selbst genauer anschauen, aber ich sehe keine Daten zum Fettgehalt der verschiedenen Milchsorten. Die Daten zeigen nur eine Assoziation für Milch insgesamt. Mich würden aber Daten zu fettarmer Milch versus normal fetter Milch in Bezug auf kardiovaskuläre Erkrankungen interessieren“, sagte Sun. „In ihrer Schlussfolgerung sagen sie auch, dass Käse mit einem geringeren Risiko für den akuten Herzinfarkt verbunden sei, aber nach der Hazard Ratio ist es kein signifikanter Zusammenhang.“
Er stimmte zu, dass es sich bei Milchprodukten um eine heterogene Gruppe von Lebensmitteln handelt und dass es am besten sei, jede Sorte separat im Hinblick auf die kardiovaskuläre Gesundheit zu betrachten.
„Sahne enthält zum Beispiel große Mengen gesättigter Fette, und auch Butter enthält viele gesättigte Fettsäuren. Dann gibt es noch Joghurt, in normaler, fettreduzierter und in fettarmer Form – ein fantastisches Lebensmittel. Ich würde sagen, er ist sehr gesund und wird mit einem geringeren Risiko für Herzkrankheiten und Diabetes in Verbindung gebracht. Joghurt und fermentierte Milchprodukte sollten einen Benefit aufzeigen oder zumindest besser dastehen als Vollmilch oder Butter. Für mich sollten zur Senkung des kardiovaskulären Risikos immer noch am ehesten Butter und Vollmilch gemieden werden“, sagte er.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
Credits:
Photographer: © Olga Kriger
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Medscape Nachrichten © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Böse Milch und guter Käse? Je nach Milchprodukt könnten die Effekte auf das kardiovaskuläre Risiko unterschiedlich sein - Medscape - 24. Nov 2022.
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