Laut einem kürzlich von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichten Bericht könnten zwischen 2020 und 2030 fast 500 Millionen Menschen aufgrund von Bewegungsmangel Herzkrankheiten, Adipositas, Diabetes oder anderen nicht übertragbaren Krankheiten entwickeln. Fast die Hälfte dieser neuen Fälle (47%) lassen sich auf Bluthochdruck und 43% auf Depressionen zurückführen. Am stärksten betroffen werden Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen sein.
Daten aus 194 Ländern
Grundlage des Reports waren Daten aus 194 Ländern. Die Autoren haben untersucht, inwieweit Regierungen bekannte medizinische Empfehlungen zur Steigerung der körperlichen Aktivität umsetzen. Dabei zeigten sich nur langsame Fortschritte, verglichen mit früheren Jahren.
Nach Ansicht der WHO sollten die Staaten dringend mehr tun – und schneller handeln –, um für mehr Bewegung zu sorgen. Es gehe darum, Krankheiten vorzubeugen und den Druck auf bereits überlasteten Gesundheitssysteme zu verringern, so die Autoren.
Weniger als 50% der Länder verfügen derzeit über Programme zur Förderung von Bewegung, und nicht einmal 40% haben bereits entwickelte Maßnahmenpakete auch in die Praxis gebracht. Nur 30 % der Länder verfügen über nationale Bewegungsrichtlinien für alle Altersgruppen.
Zwar haben fast alle Nationen Möglichkeiten, um die körperliche Aktivität von Erwachsenen zu erfassen. Weniger als 75% tun dies bei Jugendlichen und weniger als 30% bei Kindern unter 5 Jahren.
Gehen und Radfahren – sinnvoll, aber oft gefährlich
Daten zur Mobilität sind nicht ermutigender. Nach Angaben der WHO verfügen nur etwas mehr als 40% aller Länder über Straßenbau-Projekte, damit Radfahrer und Fußgänger sicher an ihr Ziel kommen: Zahlen, die sich laut WHO sehr negativ auf die öffentliche Gesundheit auswirken.
Laut einer Studie, die Anfang des Jahres von der Colorado State University und vom Barcelona Institute for Global Health (ISGlobal) publiziert wurde, könnten durch die Förderung der Fahrradnutzung jährlich bis zu 205.000 vorzeitige Todesfälle verhindert werden. Die Forscher haben gesundheitlichen Auswirkungen des Fahrradfahrens in 17 Ländern im Jahr 2050 berechnet. Wie sie schreiben, müssten dringend Maßnahmen zur Förderung ergriffen werden, speziell in Städten.
Diese Schlussfolgerung deckt sich mit den jüngsten Äußerungen des WHO-Generaldirektors Tedros Adhanom Ghebreyesus. Er wies darauf hin, dass „mehr Länder Maßnahmen umsetzen sollten, die Menschen helfen, sich durch Gehen, Radfahren, Sport und andere körperliche Aktivitäten mehr zu bewegen“. Und weiter: „Die Vorteile sind enorm, nicht nur für die körperliche und geistige Gesundheit der Menschen, sondern auch für die Gesellschaft, die Umwelt und die Wirtschaft.“
Wirtschaftliche Folgen körperlicher Inaktivität
Ein weiterer wichtiger Punkt des Berichts ist die Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen der körperlichen Inaktivität. Die WHO schätzt, dass sich Behandlungskosten vermeidbarer, nicht übertragbarer Krankheiten bis 2030 auf fast 300 Milliarden Dollar belaufen werden.
Nur sprechen viele Nationen dieses bekannte Problem nicht an – weder national noch international. Daten aus dem WHO-Bericht zeigen, dass nur etwas mehr als 50% der Länder in den letzten 2 Jahren Kommunikationskampagnen durchgeführt oder größere Veranstaltungen zur körperlichen Betätigung organisiert haben.
Darüber hinaus hat die COVID-19-Pandemie nicht nur viele Initiativen zum Stillstand gebracht, sondern auch die Umsetzung neuer Maßnahmen beeinträchtigt. Sie hat schon früher bestehende Ungleichheiten beim Zugang zu Sport, Bewegung und Fitness vergrößert – für Erwachsene, aber auch für Schüler.
Empfehlungen für die Politik
Ziel der WHO ist nun, Länder bei der Steigerung der körperlichen Aktivität zu unterstützen. Dazu bietet der neue globale Aktionsplan der Organisation politische Empfehlungen, etwa Maßnahmen für sichere Straßen für Fußgänger oder Radfahrer. Hinzu kommen Projektvorschläge, um in Kindergärten, in Schulen oder an Arbeitsplätzen für mehr Bewegung zu sorgen.
In dem Report fordern WHO-Experten von Regierungen weltweit, einige schwer zu bestimmende Schlüsselzahlen vorzulegen. Dr. Fiona Bull, Leiterin des Referats für körperliche Aktivität in der WHO-Abteilung für Gesundheitsförderung, kommentierte dies in einer Presseerklärung: „Es fehlt an weltweit anerkannten Indikatoren zur Messung des Zugangs zu Parks, zu Rad- und zu Fußgängerwegen, obwohl wir wissen, dass es in einigen Ländern Daten gibt. Folglich sind wir nicht in der Lage, über die weltweite Bereitstellung von Infrastrukturen zu berichten oder Entwicklungen zu verfolgen, die mehr körperliche Aktivität ermöglichen.“
Mit dem Ziel, die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern und nicht übertragbare Krankheiten zu bekämpfen, fordert die WHO im Report alle Länder auf, der körperlichen Bewegung Vorrang einzuräumen, sie in alle relevanten Politikbereiche zu integrieren und dafür Instrumente, Leitlinien und Schulungen zu entwickeln.
Rüdiger Krech, Direktor der WHO-Abteilung für Gesundheitsförderung, kommt zu dem Schluss: „Programme für körperliche Betätigung müssen allen Menschen zugänglich gemacht werden. Dieser Bericht ist ein klarer Aufruf an alle Länder, die Maßnahmen aller relevanten Akteure zu verstärken und zu beschleunigen (…), damit das globale Ziel einer Verringerung der Prävalenz körperlicher Inaktivität um 15% bis 2030 erreicht wird.“
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.es und wurde für Medscape.com ins Englische übersetzt. Er wurde von Michael van den Heuvel übersetzt und adaptiert.
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Diesen Artikel so zitieren: Herzkrankheiten, Adipositas, Diabetes: Mit Sport könnten wohl 500 Millionen Neuerkrankungen vermieden werden - Medscape - 25. Nov 2022.
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