Die Impfpflicht ist am Ende. Die neuen Varianten des Corona-Virus, BQ1 und BQ1.1, sind offenbar stark genug, die Immunabwehr auch von mehrfach Geimpften und von Genesenen zu durchdringen. Dies betrifft auch Vorgänger-Varianten. Warum sollte also noch die einrichtungsbezogene Impfpflicht aufrechterhalten werden, wenn sie doch niemanden schützt? Das dürfte sich Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) auch gefragt haben. Nun hat er das Ende der einrichtungsbezogenen Impfpflicht angekündigt. Dabei hatte Lauterbach noch im März vor dem Bundestag gesagt: „Der Weg aus der Pandemie heraus ist die allgemeine Impfpflicht.“
Gekommen ist also die einrichtungsbezogene Pflicht. Sie war vom Bundestag bis zum Jahresende 2022 beschlossen worden mit der Begründung, besonders empfindliche und gefährdete Gruppen, z.B. Menschen in Pflegeheimen und Krankenhäusern, besonders zu schützen und sie nicht bei der Pflege oder der medizinischen Versorgung anzustecken.
Inzwischen ist man in Berlin klüger: „Wir rechnen damit, dass zum Jahreswechsel die Variante BQ1.1 oder ähnliche Varianten das Infektionsgeschehen dominieren werden“, schreibt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf Anfrage von Medscape. „Die Impfungen verhindern dann zwar immer noch eine schwere Erkrankung, aber wohl nur noch begrenzt eine Übertragung des Virus. Deshalb entfällt für die einrichtungsbezogene Impfpflicht die medizinische Begründung.“
BMG: „Begrenzte Verhinderung“
Die deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßte gestern (Dienstag) die Entscheidung Lauterbachs, als „richtige, wenn auch späte Erkenntnis“. Bereits im September und noch einmal im Oktober hatte die DKG nachdrücklich das Ende der Impfpflicht gefordert. Man habe in den Krankenhäusern vor allem Probleme mit der zusätzlichen Bürokratie gehabt, sagt DKG-Sprecher Joachim Odenbach zu Medscape.
„Eine andere Entscheidung wäre nicht mehr erklärbar gewesen“, sagt Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Krankenhausgesellschaft. „Heute wissen wir, dass die Impfstoffe zwar die Geimpften gut gegen schwere Verläufe schützen, unter den Omikron-Varianten aber die Ansteckung und Weitergabe nicht verhindern. Damit wäre ein solch schwerer Eingriff in die Selbstbestimmung schon längst nicht mehr gerechtfertigt gewesen.“ Trotzdem habe die Bundesregierung über Monate an der Impfpflicht festgehalten, kritisiert der DKG-Chef.
„Die Beschäftigten der Krankenhäuser mussten umständlich den Impfstatus der Mitarbeiter erfassen und an die ebenfalls überlasteten Gesundheitsämter melden. Diese mussten ihrerseits die Meldungen verarbeiten und prüfen und im Zweifel Betretungsverbote aussprechen“, sagt Gaß. „Das alles unter den Bedingungen eines nicht digitalisierten Meldewesens, in dem Faxe und Papierbögen dominieren. Impfpflicht und die dazugehörige Bürokratie sind gerade unter dem Eindruck des massiven Personalmangels nicht mehr zu vermitteln. Es ist gut und richtig, die Impfpflicht jetzt zu beenden“, sagt Gaß. „Aber es bleibt der Beigeschmack, dass diese Entscheidung viel zu lange gedauert hat.“ Bereits im September hatte die DKG gegen die partielle Impfpflicht protestiert und die Abschaffung gefordert.
Auch die kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) begrüßte das Ende der Impfpflicht. Sie drohte zur Belastung zu werden für Krankenhäuser, Praxen und Pflegeeinrichtungen, erklärte KBV Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen am Dienstag. „Die einrichtungsbezogene Impfpflicht war politisch als Vorläuferin einer allgemeinen Impfpflicht gedacht, die ja nicht gekommen ist“, sagt KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister. Am Ende des Jahres sei endlich Schluss mit der Pflicht, so Hofmeister. „Und das ist auch gut so.“
FDP: Die Impfpflicht sofort beenden
Auch die FDP hatte schon lange gefordert, die Impfpflicht zu kippen. Nun schreibt der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, Bundestagsvizepräsident und stellvertretender Vorsitzender seiner Partei, nachdem Lauterbachs Entscheidung bekannt wurde, auf Facebook , die Nachricht vom Ende der Impfpflicht habe keinen Neuigkeitswert mehr. „Neu ist aber, dass das Bundesgesundheitsministerium nun offen eingesteht, dass der eigentliche Zweck der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nicht mehr erreichbar ist“, so Kubicki. „Diese banale medizinische Erkenntnis, der man sich auch im Haus Lauterbach nicht mehr verschließen mag, sollte aber die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht erst zum Jahreswechsel enden lassen, sondern sofort.“
Auf die Frage, ob das Bundesgesundheitsministerium sich wieder für die einrichtungsbezogene Impfpflicht einsetzen würde, erklärte das BMG: „Wir können nicht voraussehen, wie sich die Pandemie entwickelt. Fest steht, dass die einrichtungsbezogene Impfplicht auslaufen wird.“
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Diesen Artikel so zitieren: Aufatmen in Krankenhäusern, Heimen und Praxen: Ab Neujahr brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keinen Impfnachweis mehr - Medscape - 23. Nov 2022.
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