Die Einwilligung eines Patienten in einen ärztlichen Eingriff ist nur dann wirksam, wenn der Arzt zuvor verständlich und ausführlich über die Risiken der Operation aufgeklärt hat und dem Patienten für die Entscheidung genügend Bedenkzeit verbleibt.
Ein Aufklärungsgespräch erst am Tag der Operation oder sogar erst während der OP-Vorbereitung ist wegen des bestehenden Zeitdrucks grundsätzlich verspätet. Daher ist die durchgeführte Operation rechtswidrig. Das hat das Landgericht Frankenthal am 30. Mai 2022 (Az.: 4 O 147/21) entschieden.
So kam es zur Entscheidung
Eine Frau litt unter mehreren Augenbeschwerden, u.a. starker Kurzsichtigkeit, erhöhtem Augeninnendruck und Trübung einer Linse. In einer Augenarztpraxis wurde ihr deshalb bei einem Auge eine Linse mit mehreren Sehstärken eingesetzt.
Kurze Zeit nach der Operation kam es zu einer wesentlichen Verschlechterung der Sehfähigkeit auf nur noch 25%. Die Patientin gab dem operierenden Arzt hierfür die Schuld. Ihm seien Fehler bei der Behandlung unterlaufen. Außerdem habe er sie nicht ausreichend über die Risiken der Operation aufgeklärt, weshalb sie sich nicht für eine andere, weniger riskante Behandlung entschieden habe.
Sie verklagte den behandelnden Arzt auf Schmerzensgeld in der Höhe von 10.000 Euro und hatte Erfolg.
Das sagt das Gericht
Zwar konnte ein Sachverständiger nicht feststellen, dass die Operation fehlerhaft abgelaufen war. Allerdings sei der Eingriff bereits wegen fehlender wirksamer Einwilligung rechtswidrig gewesen.
Der Arzt habe nicht beweisen können, dass die Patientin vor der Operation rechtzeitig und ausreichend aufgeklärt worden war. Nach Angaben des Arztes habe das Aufklärungsgespräch erst am OP-Tag etwa eine halbe Stunde vor dem Eingriff im Rahmen einer vorbereitenden Untersuchung stattgefunden. Das sei nicht ausreichend, um einem Patienten eine freie Entscheidung für oder gegen eine Operation ohne Zeitdruck zu ermöglichen, so die Richter.
Darüber hinaus habe die vom Arzt behauptete Aufklärung auch inhaltliche Mängel aufgewiesen.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Es ist Berufung zum Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken eingelegt worden. Der Virchowbund wird weiter über den Fall berichten.
So vermeiden Sie den Gang vor Gericht
Schadensersatzforderungen wie in diesem Beispiel können sehr teuer werden – auch, wenn man als Arzt gut versichert ist. Günstiger als der Gang vor das Gericht ist normalerweise eine außergerichtliche Streitbeilegung. Wie sie funktioniert, welche Varianten es gibt und vieles mehr erklärt die Praxisinfo „Außergerichtliche Streitbeilegung“ des Virchowbundes. Der Virchowbund bietet auch eine Rechtsberatung für seine Mitglieder an.
Dieser Artikel ist im Original erschienen am 24. Oktober 2022 auf Coliquio.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Landgerichts-Urteil zur OP-Aufklärung: Wenn sie zu spät geschieht – dann ist der Eingriff rechtswidrig - Medscape - 23. Nov 2022.
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