Herzinsuffizienz: An diesen Arzneistoffen führt kein Weg vorbei – neue Empfehlungen von US-Fachgesellschaften

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

1. Dezember 2022

In der pharmakologischen Therapie von Herzinsuffizienz-Kranken mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) spielen inzwischen zusätzlich zu Substanzen aus anderen Wirkstoffklassen auch die SGLT-2-Hemmer eine zentrale Rolle. So haben nun – wie letztes Jahr bereits die European Society of Cardiology – auch die kardiologischen US-Fachgesellschaften, das American College of Cardiology (ACC), die American Heart Association (AHA) und die Heart Failure Society of America (HFSA) ihre Herzinsuffizienz-Leitlinie aktualisiert.

So sollen Patienten mit HFrEF (LVEF ≤ 40%) standardmäßig RAS-Blocker (ARNI, ACE-Hemmer, Sartane), Betablocker, Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten (Spironolacton oder Eplerenon) und auch SGLT2-Hemmer (Dapagliflozin oder Empagliflozin) erhalten.

Wie diese medikamentöse Therapie im klinischen Alltag konkret gestaltet werden sollte und worauf zu achten ist, haben kürzlich Kardiologen um Dr. Samira Soltani (Medizinische Hochschule Hannover) erläutert [1].

Leitfaden für die Praxis

Die aktuelle ESC-Leitlinie empfehle, so die Autoren, eine möglichst frühzeitige Behandlung mit die Prognose verbessernden Wirkstoffklassen. Dazu zählen RAS-Hemmer, Betablocker und Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten. Erstmalig seien auch SGLT-2-Hemmer mit einer Klasse- IA-Empfehlung für alle Patienten mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion ≤ 40% in der Leitlinie vertreten. 

Früher sei laut Soltani und Kollegen vor der Kombination der verschiedenen Wirkstoffe zunächst ein schrittweises Titrieren der Medikamente empfohlen worden; hiervon sei jedoch Abstand genommen worden. Heute werde davon ausgegangen, dass eine frühzeitige Implementierung der „fantastic four“-Medikamente die kardiovaskuläre Ereignisrate bei HFrEF deutlich reduzieren könne, selbst wenn die einzelnen Wirkstoffe (noch) nicht in ihrer Maximaldosis verwendet würden. „Eine verzögerte Etablierung der Kombinationstherapie sollte daher, wo immer möglich, vermieden werden“, raten die Kardiologen.

Vor Beginn der Therapie

Bevor mit der Therapie begonnen werde, sollte geklärt werden, ob eine Anamnese für ein Angioödem vorliege; der systolische Blutdruck sollte 100 mmHg nicht unterschreiten. Ein Blutdruckabfall < 100 mmHg nach Therapiebeginn sei jedoch kein Grund, die Behandlung zu beenden.

Bei der Therapie mit Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRA) sollte das Risiko für eine Hyperkaliämie berücksichtigt werden; bei einem Serum-Kalium-Wert über 5,0 mmol/l sollte nicht mit dieser Therapie gestartet werden. Und bei Patienten mit  Niereninsuffizienz und mit einer eGFR < 30 ml/min/1,73 m2 sei eine MRA-Therapie Spezialisten zu überlassen. Da Spironolacton den Blutdruck stärker senke, sollte bei niedrigem Blutdruck Eplerenon bevorzugt werden. 

Die SGLT-2-Hemmer Dapagliflozin und Empagliflozin könnten ohne Titrierung sofort in der empfohlenen Tagesdosis von 10 mg verabreicht werden. Wichtig bei dieser Wirkstoffgruppe sei, dass es wie bei ACE-Hemmern und ARNI nach Therapiebeginn zu einer eGFR-Senkung kommen könne, die allerdings reversibel sei und nicht zum Therapie-Abbruch führen sollte. 

Eine besondere Patienten-Gruppe sind Herzinsuffizienz-Kranke, deren LVEF unter Therapie auf über 40 % steigt. Bei diesen Patienten sollte die Herzinsuffizienz-Therapie mit den „fantastic four“ unbedingt fortgeführt werden. Der Grund: Ein Absetzen der Herzinsuffizienz-Medikation nach Erholung der LVEF führe Studienergebnissen zufolge zu einer Verschlechterung. 

Nach Beginn der medikamentösen Therapie sollten die Medikamente auf die Tagesmaximaldosis bzw. die höchste tolerierte Dosis hochtitriert werden. Bei den Gliflozinen sei dies in der Regel nicht erforderlich, da diese bereits von Anfang an in der Standarddosis eingesetzt werden. Ebenfalls weniger bedeutsam sei die maximale Steigerung der MRA-Dosis, „da hier die Kosten-Nutzen-Abwägung unter Berücksichtigung des Hyperkaliämie-Risikos nicht immer positiv“ ausfalle. Bei einer Hyperkaliämie sollte die Therapie jedoch nicht beendet, sondern nur vorübergehend unterbrochen worden. Außerdem sei die Gabe eines Kaliumbinders zu erwägen.

Titriert werden sollte die Medikamenten-Dosis innerhalb von 1 bis 2 Wochen nach dem Krankenhausaufenthalt, wobei die aktuellen Laborwerte (Kalium und eGFR) zu berücksichtigen seien. Diese Parameter sollten während der Titrationsphase regelmäßig überwacht werden. 

Medikamente zusätzlich zu den „fantastischen Vier“

Zusätzlich zu den 4 Standardwirkstoffen könnten weitere Pharmaka erforderlich werden – und zwar bei persistierenden Symptomen abhängig vom Vorliegen individueller Voraussetzungen. Zu diesen Medikamenten zählt nach Angaben von Soltani und ihren Mitautoren Ivabradin; es werde bei Patienten mit Sinusrhythmus und einer Herzfrequenz von ≥ 70/min sowie einer LVEF ≤ 35 % empfohlen. Zu erwägen sei Ivabradin auch bei Patienten, die Betablocker nicht tolerierten.

Als weiteres Medikament stehe Vericiguat zur Verfügung. Die VICTORIA-Studie habe gezeigt, dass mit diesem Wirkstoff die Rate der Herzinsuffizienz-Hospitalisierungen und kardiovaskulären Todesfälle signifikant reduziert werden könne. Weiterhin sollte bei Patienten unter optimaler medikamentöser Therapie (OMT) die Gabe von Digitalis evaluiert werden (Klasse-IIb-Empfehlung). Dadurch sei laut DIG-Studie das Hospitalisierungsrisiko ebenfalls gesenkt worden. 

Generell sollten bei Patienten mit fortgeschrittener HFrEF regelmäßig Vitalzeichen, Laborwerte (Elektrolyte) sowie die Nierenfunktion und echokardiografisch die linksventrikuläre Funktion überprüft werden. Zusätzlich sei zwingend eine regelmäßige Überprüfung von möglichen Komorbiditäten wie KHK, Vorhofflimmern, Klappenvitien, Diabetes mellitus oder Eisenmangel erforderlich, da eine Behandlung dieser Komorbiditäten die Überlebensprognose der Patienten verbessere.

Der Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.

Kommentar

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