Lohnt sich: Über 80-Jährige mit koronarer Herzkrankheit profitieren auch langfristig von perkutaner Koronarintervention (PCI)

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

21. November 2022

Chicago – Das Alter ist einer der stärksten Prädiktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Der Anteil der hochbetagten Patienten über 80 Jahre nimmt zu, die Lebenserwartung eines 80-Jährigen beträgt fast 10 Jahre. Es ist deshalb von entscheidender Bedeutung, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie diese Gruppe von Hochbetagten mit koronarer Herzkrankheit am besten behandelt werden kann“, betonte Dr. Erlend Sturle Berg von der Abteilung Kardiologie des University Hospital Oslo auf den Scientific Sessions 2022 der American Heart Association (AHA) [1].

Sturle Berg stellte die Langzeitergebnisse der After-Eighty-Studie vor. Diese zeigen, dass eine perkutane Koronarintervention (PCI) bei Patienten über 80 Jahren nach Myokardinfarkt ohne ST-Hebungen (NSTEMI) und instabiler Angina pectoris auch langfristig einer konservativen Behandlungsstrategie überlegen ist.

Der Kardiologe wies darauf hin, dass in der klinischen Praxis ältere Patienten in der Regel weniger intensiv behandelt werden als jüngere Patienten. Das hat auch damit zu tun, dass die Leitlinien auf einer wesentlich jüngeren Population basieren. Behandlungsstudien mit älteren Patienten sind nicht nur rar, sondern häufig „underpowered“.

 
Es ist von entscheidender Bedeutung, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie diese Gruppe von Hochbetagten mit koronarer Herzkrankheit am besten behandelt werden kann. Dr. Erlend Sturle Berg
 

„Schaut man sich die Behandlungsstudien an, die Patienten über 80 Jahre einschließen, so ist die After Eighty Study die einzige Studie, die ausreichend gepowered ist“, erklärte Sturle Berg. Die ersten Ergebnisse der After Eighty Studie waren nach einem Jahr Nachbeobachtung veröffentlicht worden.

48% der Patienten wiesen eine 3-Gefäß-Erkrankung auf

In die norwegische After-Eighty-Studie waren 457 Teilnehmer im Alter von mindestens 80 Jahren mit NSTEMI oder instabiler Angina pectoris aufgenommen worden. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip einer invasiven Strategie (n=229) oder konservativen Strategie (n=228) zugeteilt. Von den 229 Patienten der invasiven Gruppe unterzogen sich 220 einer sofortigen Koronarangiografie (90% wurden über die Arteria radialis durchgeführt).

 
Die positive Wirkung wurde dadurch erreicht, dass sich das Auftreten von Herzinfarkten verringerte und weniger Revaskularisierungen notwendig waren. Dr. Erlend Sturle Berg
 

„Der Anteil der komplexen koronaren Herzerkrankung war hoch“, so Sturle Berg. Denn von den Patienten wiesen:

  • 48% eine 3-Gefäß-Erkrankung oder eine linke Hauptstenose auf,

  • 18% eine 2-Gefäß-Erkrankung,

  • 16% eine 1-Gefäß-Erkrankung,

  • 17% geringfügige Wandveränderungen der Herzkranzgefäße,

  • und 2 Patienten hatten normale Herzkranzgefäße.

Bei 6 Patienten (3%) wurde eine koronare Bypass-Operation durchgeführt.

Eine perkutane Koronarintervention wurde bei 107 Patienten (49%) durchgeführt; bei 57% der Patienten wurden reine Metallstents eingesetzt, bei 37% medikamentenbeschichtete Stents (Drug Elution Stents), und bei 6% wurde eine Ballonangioplastie durchgeführt. Im Durchschnitt wurden 1,7 Läsionen behandelt und 2 Stents pro Patientem eingesetzt.

Bei den Komplikationen traten eine größere Blutung im Zusammenhang mit der PCI auf, die erfolgreich behandelt werden konnte, 2 kleinere Blutungen im Zusammenhang mit der Zugangsstelle, 3 Seitenastverschlüsse während der PCI und 11 periprozedurale Myokardinfarkte (als Endpunkte).

Männliches Geschlecht, Schenkelblock und Rauchen waren unabhängige Prädiktoren für eine Revaskularisierung. In der Studie basierte die Entscheidung, invasiv zu therapieren, auf der Grundlage des Konsenses von mindestens 2 interventionell tätigen Kardiologen (vor der Auswahl der Revaskularisierungs-Strategie bei jedem Patienten). 

Die Hazard Ratios [HR] für die 4 Komponenten des primären zusammengesetzten Endpunkts betrugen:

  • 0,52 (p=0,0010) für Myokardinfarkt,

  • 0,19 (p=0,0010) für die Notwendigkeit einer dringenden Revaskularisation,

  • 0,60 (p=0,2650) für Schlaganfall und

  • 0,89 (p=0,5340) für Tod aus jeglicher Ursache.

In der invasiven Gruppe traten 4 größere und 23 kleinere Blutungskomplikationen auf, während in der konservativen Gruppe 4 größere und 16 kleinere Blutungskomplikationen auftraten.

Weniger Herzinfarkte und weniger Revaskularisationen waren notwendig

Ziel der jetzt vorgestellten Analyse war, die Langzeitergebnisse einer frühen invasiven mit einer konservativen Strategie bei Patienten über 80 Jahren zu vergleichen, die nach NSTEMI-ACS initial stabilisiert wurden. Es gab keine signifikanten Unterschiede bei den Baseline-Charakteristika zwischen den beiden Gruppen. Das durchschnittliche Alter in beiden Gruppen lag bei knapp 85 Jahren, berichtete Sturle Berg.

Der primäre Endpunkt war eine Kombination aus Myokardinfarkt, Notwendigkeit einer dringenden Revaskularisierung, Schlaganfall und Tod. Für den kombinierten Endpunkt lag die HR für Patienten, die invasiv behandelt worden waren, verglichen mit Patienten, die konservativ behandelt worden waren, bei 0,74 (p= 0,0150). Die HR für Herzinfarkt lag bei 0,65 (p= 0,0070) und die HR für Revaskularisation bei 0,41 (p= 0,0001).

 
Allerdings zeigte die invasive Strategie langfristig keine Auswirkung auf das Überleben oder die Todesursache, die Wirkung einer invasiven Strategie nimmt auch mit zunehmendem Alter ab. Dr. Erlend Sturle Berg
 

„Die positive Wirkung wurde dadurch erreicht, dass sich das Auftreten von Herzinfarkten verringerte und weniger Revaskularisierungen notwendig waren. Allerdings zeigte die invasive Strategie langfristig keine Auswirkung auf das Überleben oder die Todesursache, die Wirkung einer invasiven Strategie nimmt auch mit zunehmendem Alter ab“, kommentierte Sturle Berg die Langzeitergebnisse.

Die Revaskularisierungsrate war bei Frauen im Langzeitvergleich niedriger. Sturle Berg führte das auf den „signifikant hohen Anteil von Frauen mit nicht-obstruktiver Koronarerkrankung“ zurück. Während der Anteil der Männer mit obstruktiver Koronarerkrankung bei 32% lag, lag er bei Frauen bei 14% (p=0,001).

Im Langzeitvergleich erlitten in der invasiv behandelten Gruppe 69 Patienten einen Myokardinfarkt, in der konservativ behandelten Gruppe waren es 96 Patienten. Bei 30 Patienten war eine dringende Revaskularisierung erforderlich, in der konservativ behandelten Gruppe war dies bei 63 Patienten der Fall.

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Kommentar

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