Bypass-OP verhindert besser Amputationen: 2 pAVK-Standardtherapien im Vergleich für Patienten mit kritischer Extremitäten-Ischämie

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

18. November 2022

Chicago – Bei pAVK-Patienten mit chronischer kritischer Extremitäten-Ischämie (CLTI) weist die Bypass-Operation hinsichtlich Reinterventionen und Amputationen offenbar einen signifikanten Vorteil gegenüber der endovaskulären Therapie auf. Dies zeigen neue Studiendaten, die bei den Scientific Sessions der American Heart Association (AHA) vorgestellt wurden [1]. Ein günstiger Effekt auf die Lebensqualität besteht aber unabhängig von der Revaskularisations-Methode.

Dr. Alik Farber

„Mehr als 230 Millionen Menschen weltweit leiden an peripherer arterieller Verschlusskrankheit, pAVK, etwa 11% von ihnen entwickeln eine CLTI“, sagte Studienleiter Dr. Alik Farber, Leiter der Abteilung für Gefäßchirurgie am Boston Medical Center, Boston, USA. „Mit einer Bypass-Operation ließen sich im Vergleich zur endovaskulären Therapie Reinterventionen um 65% und Amputationen um 27% reduzieren.“

Unbehandelt droht einem Viertel der Patienten die Amputation

Die verschlossenen Arterien entweder mithilfe eines Ballonkatheters und eines Stents wieder zu eröffnen oder durch einen Bypass zu umgehen, ist bei Patienten mit CLTI unausweichlich. Unbehandelt droht bei 25% von ihnen innerhalb eines Jahres eine Amputation am Bein.

 
Mit einer Bypass-Operation ließen sich im Vergleich zur endovaskulären Therapie Reinterventionen um 65% und Amputationen um 27% reduzieren. Dr. Alik Farber
 

„Beide Revaskularisations-Maßnahmen gelten als Standardtherapien“, sagte Farber. Aber es mangelte an Daten dazu, welche der beiden Methoden vorteilhafter für die Patienten ist. Bisher hätten vor allem die Expertise und Ausbildung des behandelnden Arztes sowie das Vorhandensein der notwendigen technischen Ausrüstung bestimmt, welche Prozedur durchgeführt worden sei, so der US-Gefäßchirurg.

2 Standardtherapien – aber welche ist besser?

Als vor 20 Jahren minimal-invasive Techniken immer breiter verfügbar wurden, begann die Zahl der Bypass-Operationen abzunehmen. „Aber letztlich wussten wir nicht, was für Patienten mit CLTI, bei denen viel auf dem Spiel steht, am besten ist“, so Farber.

 
Dass es keinen Unterschied beim primären Endpunkt gab, könnte daran gelegen haben, dass die 2. Kohorte nicht ausreichend gepowert war. Dr. Alik Farber
 

Diese Wissenslücke sollte die BEST-CLI-Studie schließen, deren Ergebnisse zeitgleich zum Kongress auch im New England Journal of Medicine erschienen sind [2]. An ihr nahmen 1.830 Patienten mit CLTI in 150 Zentren in den USA, Kanada, Italien, Finnland und Neuseeland teil.

Die Patienten waren im Schnitt 67 Jahre alt, 28% waren Frauen und 72% weiß. Rund ein Drittel von ihnen rauchte, und knapp 70% hatten einen Diabetes, 11% eine Nierenerkrankung im Endstadium. Bei etwa 22% der Patienten waren Beinschmerzen in Ruhe das Hauptsymptom.

2 Kohorten - mit oder ohne geeignete Beinvene

Bei 1.434 Patienten war die große Beinvene (Vena saphena magna) für eine Bypass-Operation geeignet. Bei ihnen wurde die Durchblutung randomisiert entweder mit einer Bypass-Operation oder einer endovaskulären Therapie (zumeist Angiografie mit Einlage eines Stents) wiederhergestellt. Die Nachbeobachtung dieser 1. Kohorte lief über bis zu 7 Jahre.

Bei den restlichen 396 Patienten war die Vena saphena magna nicht für eine Bypass-Operation geeignet. Sie erhielten randomisiert eine Bypass-Operation mit einer Armvene oder einem künstlichen Gefäß oder eine endovaskuläre Therapie. In dieser 2. Kohorte lief die Nachbeobachtung über bis zu 5 Jahre.

Der primäre Endpunkt der Studie waren schwere Komplikationen an den unteren Extremitäten (Amputation oberhalb des Fußknöchels oder Reintervention) oder Tod jeglicher Ursache. Zur Beurteilung der Sicherheit erhoben die Forscher außerdem schwere kardiovaskuläre Ereignisse (Tod jeglicher Ursache, Herzinfarkt, Schlaganfall).

Bypass reduzierte vor allem die Notwendigkeit von Reinterventionen

Von den Studienteilnehmern, die eine Bypass-Operation mit ihrer großen Beinvene erhalten hatten, erreichten 42,6% den primären Endpunkt, mit endovaskulärer Therapie waren es 57,4%. Mit einer Hazard Ratio von 0,68 war der chirurgische Bypass mit einer Reduktion von schweren Komplikationen an den Extremitäten und Tod um 32% assoziiert (p<0,001).

Bestimmt wurde diese Reduktion an Komplikationen durch signifikant weniger Reinterventionen (minus 65%). Außerdem kam es mit dem Bypass zu 27% weniger Amputationen oberhalb des Fußknöchels als in der endovaskulär behandelten Gruppe.

Todesfälle, Herzinfarkte und Schlaganfälle unterschieden sich dagegen nicht zwischen den beiden Behandlungsmaßnahmen.

Nicht bei allen Patienten war ein Unterschied sichtbar

In der Patientengruppe, bei denen eine Armvene oder ein künstliches Gefäß für den Bypass verwendet wurde, gab es dagegen im Vergleich zur endovaskulären Therapie keinen signifikanten Unterschied. Ein primäres Endpunktereignis trat in der Bypass-Gruppe bei 42,8% der Patienten ein und in der endovaskulär behandelten Gruppe bei 47,7% (p=0,12).

 
Bei Patienten mit akzeptablem Operationsrisiko und mit einer gut geeigneten Vene führte die Bypass-Operation zu einem besseren Outcome. Dr. Alik Farber
 

„Aber in der endovaskulär behandelten Gruppe gab es viel mehr Reinterventionen (25,6% vs. 14,4%; p<0,002)“, ergänzte Farber. „Dass es keinen Unterschied beim primären Endpunkt gab, könnte daran gelegen haben, dass die 2. Kohorte nicht ausreichend gepowert war.“

Kein Grund, die endovaskuläre Therapie grundsätzlich vorzuziehen

„Die Ergebnisse der 1. Kohorte widerlegen die Vorstellung, dass CLTI-Patienten, die eine Revaskularisation benötigen, zuerst eine endovaskuläre Therapie erhalten sollten, weil die Bypass-Operation potenziell gefährlicher sein könnte“, schlussfolgerte Farber. „Bei Patienten mit akzeptablem Operationsrisiko und mit einer gut geeigneten Vene führte die Bypass-Operation zu einem besseren Outcome.“

 
Es ist ermutigend zu sehen, dass sich die Lebensqualität unabhängig von der Revaskularisations-Methode verbesserte. Prof. Dr. Matthew Menard
 

Eine Limitation der Studie sei der kleine Anteil an weiblichen Teilnehmerinnen. Künftige Studien müssten deshalb noch zeigen, ob es womöglich Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, ergänzte er.

Wie entwickelt sich die Lebensqualität?

Patienten mit CLTI weisen üblicherweise eine geringe Lebensqualität auf. Wie sich die beiden Revaskularisations-Methoden auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität auswirken, untersuchten die BEST-CLI-Autoren in einer separaten Analyse. Die Ergebnisse stellte Studienautor Prof. Dr. Matthew Menard, Gefäßchirurg am Brigham and Women’s Hospital in Boston und Professor für Chirurgie an der Harvard Medical School beim AHA-Kongress vor.
 

   

Prof. Dr. Matthew Menard

 

Er berichtete, dass die Patienten zu Studienbeginn und erneut bei 6 Kontrolluntersuchungen im Verlauf von 4 Jahren verschiedene Fragebögen ausgefüllt hätten. Diese erkundigten sich nach Schmerzen, Alltagsaktivitäten, Krankheitssymptomen und deren Schwere, körperlichem Aktivitätsniveau und psychischer Gesundheit, speziell Angst und Depression.

Vor der Behandlung war die Lebensqualität generell niedrig

Zu Studienbeginn zeigten die Befragungen ein niedriges Lebensqualitätsniveau und ein hohes Schmerzniveau bei den Patienten. „Aufgrund der Schmerzen und der anderen stark beeinträchtigenden Symptome, mit denen die CLTI einhergeht, hatten wir die geringe Lebensqualität zu Studienbeginn schon erwartet“, sagte Menard.

 
Das zeigt, wie wichtig es ist, die Durchblutung der Beine und Füße frühzeitig wiederherzustellen. Prof. Dr. Matthew Menard
 

Aber sowohl nach der Bypass-Operation als auch nach der endovaskulären Therapie verbesserten sich bei allen Teilnehmern Schmerzen und Lebensqualität. „Es ist ermutigend zu sehen, dass sich die Lebensqualität unabhängig von der Revaskularisations-Methode verbesserte. Das zeigt, wie wichtig es ist, die Durchblutung der Beine und Füße frühzeitig wiederherzustellen“, betonte Menard.

Beide Methoden wirkten sich positiv auf die Lebensqualität aus

Er ergänzte, dass es in der 1. Kohorte anfangs einige Unterschiede zwischen den beiden Maßnahmen gegeben habe. Sie hatten eher auf einen Vorteil der endovaskulären Methode hingedeutet. „Das spiegelte wahrscheinlich die etwas längere Genesung nach einer Bypass-Operation wider“, so Menard. Letztlich seien die Unterschiede auf einigen Schmerz- und Lebensqualitäts-Skalen geringfügig gewesen und hätten sich mit der Zeit ausgeglichen. In der 2. Kohorte gab es zu keinem Zeitpunkt Unterschiede zwischen den beiden Maßnahmen.

„Die Daten zur Lebensqualität ergänzen die klinischen Resultate sehr schön. Sie zeigen, dass beide Interventionen die Lebensqualität der Patienten wirksam verbessern können“, so Menard. „Die Studienergebnisse erlauben es Ärzten, ihre Patienten mit CLTI auf einer besseren Grundlage an Daten beraten zu können.“

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