Wissenschaftler der Universität von Tsukuba und der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von IBM (IBM Research) haben eine eher ungewöhnliche Methode gefunden, zwischen einer Alzheimer-Demenz und einer Demenz mit Lewy-Körperchen zu unterscheiden. Möglich sei dies durch eine computergestützte Analyse der Art und Weise, wie die Patienten zeichnen, berichten die japanischen Forscher [1].
Schwierige Unterscheidung neurodegenerativer Erkrankungen
Die beiden häufigsten neurodegenerativen Demenz-Erkrankungen sind die Alzheimer-Krankheit (AD) und die Demenz mit Lewy-Körperchen (DLB). Oft überschneiden sich die Symptome dieser beiden Krankheiten, was die Diagnose erschweren kann. Liquor- und MRT/PET-Biomarker sind zwar die am besten validierten diagnostischen Biomarker; sie haben allerdings Nachteile (Invasivität, Zeitaufwand, Kosten).
Auswertung digitaler Muster
Kürzlich fanden Wissenschaftler heraus, dass bestimmte Merkmale des Zeichnens, etwa die Geschwindigkeit, zwischen Patienten mit Alzheimer und DLB unterschiedlich sind. Da die Analyse dieser Merkmale eine kostengünstige, nicht-invasive und schnelle Screening-Methode sein könnte, haben die japanischen Forscher nun untersucht, was durch die eine computergestützte Analyse solcher Merkmale für die Diagnose erreicht werden kann. Mit einem elektronischen Tablet und einem Stift absolvierten Patienten mit AD (n=47) und DLB (n=27) sowie neurologisch gesunde Personen (n=49) digitale Versionen herkömmlicher Zeichentests, z. B. das Zeichnen eines Zifferblatts.
DLB-Patienten unterschieden sich von neurologisch gesunden Personen bei den Parametern Geschwindigkeit, - Druck und -Pausen, während sich AD-Patienten nur bei Zeichen-Pausen unterschieden. Diese diskriminierenden Differenzen beim Prozess des Zeichnens spiegeln den Autoren zufolge die kognitiven und motorischen Defizite bei AD und DLB wider. Diese Merkmale wurden dann in einem maschinellen Lernmodell kombiniert, um die Patienten anhand ihrer Zeichenprofile zu klassifizieren. Das Modell habe die drei Gruppen mit hoher Genauigkeit unterschieden, vor allem die AD-Patienten von den DLB-Patienten, berichten die Autoren um Prof. Dr. Tetsuaki Arai.
Einfachere Diagnostik
Im klinischen Alltag ist weiterhin die Liquordiagnostik für die Differenzierung notwendig. Insbesondere bei Synukleinopathien wie der Parkinson- und der Lewy-Körperchen-Demenz komme der Liquordiagnostik bei diesen „Demenzätiologien eine hohe klinische Bedeutung zu“, da die klinische Diagnose aufgrund großer klinischer und pathologischer Überlappungen mit anderen neurodegenerativen Demenzerkrankungen anspruchsvoll, sei, erklären PD Dr. Robert Haußmann (Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden) und Kollegen in einem aktuellen Zeitschriftenbeitrag.
Im Vergleich zu den etablierten Alzheimer-Biomarkern im Liquor zeige die Aβ42- Peptid-Erniedrigung auch hier robuste Zusammenhänge mit der Entwicklung bzw. der Zunahme kognitiver Defizite bei der Parkinson- und Lewy-Körperchen-Demenz. In der Abgrenzung zwischen einer Alzheimer-Erkrankung und der Lewy-Körperchen-Demenz kommen den Dresdener Autoren zufolge dem Tau- und dem pTau-Protein sowie der „Aβ42/Aβ38 ratio“ eine potenzielle Bedeutung zu.
Bei der Befundinterpretation sei es jedoch wichtig, die großen Überlappungen der Liquorbiomarker bei Alzheimer-Erkrankung und Lewy- Körperchen-Demenz zu bedenken. So sei zum Beispiel in einer multizentrischen Kohortenstudie mit 417 Patienten mit klinischer Diagnose einer Lewy-Körperchen-Demenz gezeigt worden, dass Alzheimer-typische Liquorbefunde bei dieser Demenzätiologie häufig seien und die Positivität für Amyloid- und Tau-Biomarker im Liquor insbesondere mit steigendem Alter zunehme.
Hinsichtlich der Liquorbefunde hätten 39% der Patienten weder Amyloid noch Tau-Biomarker aufgewiesen; 32% zeigten laut Haußmann isoliert auffällige Amyloid- und 15% sowohl pathologische Amyloid- als auch auffällige Tau-Biomarker und 13% isolierte Auffälligkeiten der Tau-Biomarker.
Mehrere Befunde deuten nach Angaben der Wissenschaftler zudem darauf hin, dass „eine Komorbidität verschiedener neurodegenerativer Erkrankungen vorliegen kann und entsprechend das klinische Bild prägt“. Notwendig sei auf jeden Fall, bei der Diagnose stets Liquor- und klinische Befunde gemeinsam zu berücksichtigen, betonen die Neurowissenschaftler abschließend.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Differenzialdiagnostik bei Demenz: Mit Zeichenstift und Computer häufige Formen unterscheiden - Medscape - 18. Nov 2022.
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