Größere Studie zur Einmaldosis Psilocybin bei Depressionen: „Faszinierend, interessant, aber auch ernüchternd“ 

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

29. Dezember 2022

Bei therapieresistenten Depressionen kann eine einmalige Dosis des Psychodelikums Psilocybin in Kombination mit psychologischer Unterstützung die Symptome kurzfristig lindern. Das zeigt eine größere, multizentrische Phase-2b-Studie im New England Journal of Medicine, deren Ergebnisse weniger überwältigend ausfielen als die kleineren Pilotstudien [1].

 
In unserer Studie resultierte die einmalige Gabe von 25 mg Psilocybin, aber nicht von 10 mg, in einer signifikanten Verbesserung der depressiven Symptomatik nach 3 Wochen. Guy M. Goodwin
 

„In unserer Studie resultierte die einmalige Gabe von 25 mg Psilocybin, aber nicht von 10 mg, in einer signifikanten Verbesserung der depressiven Symptomatik nach 3 Wochen“, berichten Erstautor Guy M. Goodwin von Compass Pathfinder und seine Kollegen. Nach 12 Wochen sei beim Ansprechen auf die Behandlung allerdings kein signifikanter Unterschied mehr zur Placebogruppe (1 mg) nachweisbar gewesen.

Psilocybin nach mehreren erfolglosen Therapieversuchen

Die doppelblinde Studie mit insgesamt 233 Teilnehmern fand an Einrichtungen in 10 Ländern in Europa, auch Deutschland, sowie Nordamerika statt und wurde von der Firma Compass Pathfinder finanziert. Das Ziel war es, die Sicherheit und Wirksamkeit einer einmaligen Gabe von Psilocybin in den Dosierungen 1, 10 und 25mg bei therapieresistenter Depression zu untersuchen. Als therapieresistent galten Depressionen, die auf 2 bis 4 Therapieversuche nicht angesprochen hatten. Antidepressive Medikation musste vor Studienbeginn ausgeschlichen werden.

Die Patienten wurden auf die 3 Psilocybindosen randomisiert. In allen 3 Studienarmen wurde die Psilocybinbehandlung um eine psychotherapeutische Unterstützung ergänzt. Zur Beurteilung der Depression 3 Wochen nach der einmaligen Psilocybingabe zogen die Forscher die Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (MADRS) heran. Sie reicht von 0 bis 60, wobei höhere Scores eine schwerere Depression anzeigen.

Signifikante Verbesserung auf einer Depressionsskala

Zu Studienbeginn lagen die MADRS-Scores in den 3 Gruppen bei 32 bis 33. In der 25-mg-Gruppe war der Score nach 3 Wochen um 12,0 gesunken. In der 10-mg-Gruppe lag der Rückgang bei 7,9 und in der 1-mg-Gruppe bei 5,4. Der Unterschied von -6,6 zwischen 25 mg und 10 mg war statistisch signifikant.

Die Dosis von 25 mg, nicht aber die niedrigere 10-mg-Dosis, führte nach 3 Wochen zu einem signifikant niedrigeren Niveau depressiver Symptome im Vergleich zur Kontrolldosis von 1 mg. In der 25-mg-Gruppe stützten die Ansprechrate (≥ 50% Abnahme des MADRS-Score) und die Remissionsrate (MADRS-Score ≤ 10) nach 3 Wochen die primären Endpunktergebnisse.

Besseres Ansprechen nur von kurzer Dauer

Bei 37% bzw. 29% der Behandelten in der 25-mg-Gruppe ließen in dieser Zeit die Symptome teilweise oder vollständig nach. In der 10-mg-Gruppe lag die Ansprechrate bei 19% und die Remissionsrate bei 9%, ähnlich hoch wie in der 1-mg-Gruppe mit 18% bzw. 8%.

Allerdings blieb die Symptomlinderung nur kurzfristig bestehen. Das anhaltende Ansprechen nach 12 Wochen war in der 25-mg-Gruppe zwar numerisch höher als in der 10-mg-Gruppe und der 1-mg-Gruppe (20% vs. 5% vs. 10%), aber die Unterschiede waren statistisch nicht signifikant.

 
Insgesamt waren die Wirkungen im Vergleich zu früheren, weniger strengen Studien etwas weniger robust. Prof. Dr. Matthias Liechti
 

„Insgesamt waren die Wirkungen im Vergleich zu früheren, weniger strengen Studien etwas weniger robust“, kommentiert Prof. Dr. Matthias Liechti, Stellvertretender Chefarzt der Abteilung für Klienische Pharmakologie am Universitätsspital Basel, Schweiz. „Dies spiegelt eine realistischere Wirksamkeit in einer üblichen Umgebung mit mehreren Zentren wider, im Vergleich zu vorläufigen, weniger kontrollierten Studien. Dort wurden Resultate gefunden, die übermäßig enthusiastisch gedeutet wurden.“

Nebenwirkungen kurz nach Behandlung häufig

Unerwünschte Nebenwirkungen traten bei 77% der Teilnehmer auf, darunter Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel - vorwiegend am Tag der Behandlung. Suizidgedanken, suizidales Verhalten oder Selbstverletzungen traten in allen Dosisgruppen auf.

Für den Schweizer Mediziner ist das keine Überraschung: „Wie bei Patienten mit behandlungsresistenten Depressionen zu erwarten, traten im Verlauf der Studie und in allen Dosisgruppen als unerwünschte Ereignisse Suizidgedanken auf. Diese sind aber nicht durch Psilocybin verursacht“, betonte Liechti.

Weitere Studien sollen größere Klarheit bringen

Die Autoren um Goodwin schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass größere und längere Studien nötig seien, die Psilocybin auch mit bestehenden Therapieoptionen verglichen, um herauszufinden, wie wirksam und sicher Psilocybin bei dieser Erkrankung sei.

Viele solcher Studien laufen bereits, denn in die Wirksamkeit von Psilocybin vor allem bei therapieresistenten Depressionen wird viel Hoffnung gesetzt. Das lässt sich auch an der Zahl der durchgeführten Studien ablesen. Bei clinicaltrials.gov sind alleine derzeit 42 klinische Studien zu dem Psychedelikum gelistet. Auch in Deutschland läuft in Zentren in Berlin und Frankfurt momentan eine größere Studie. Die placebokontrollierte EPIsoDE-Studie untersucht ebenfalls verschiedene Dosen aber auch eine zweimalige Gabe von Psilocybin.

„Faszinierend, aber auch ernüchternd“

In einem parallel erschienenen Editorial fasst die Autorin Dr. Bertha K. Madras vom McLean Hospital, Belmont, und der Harvard Medical School, Boston, die Studienergebnisse als „faszinierend, interessant, aber auch ernüchternd“ zusammen [1]. Zwar habe die hohe Dosis des Psychodelikums im Vergleich zur geringeren Dosis die depressiven Symptome nach 3 Wochen signifikant reduziert, allerdings konnte die Studie die höhere Wirksamkeit von Psilocybin aus vorangegangenen kleineren Studien nicht bestätigen.

Dennoch soll nach Angaben der Firma Compass Pathways eine Phase-III-Zulassungsstudie starten. „Die Ergebnisse der Studie sind zwar bei Weitem nicht so positiv wie die ersten kleinen offenen Pilotstudien vermuten ließen“, sagt Prof. Dr. Gerhard Gründer, Leiter der Abteilung Molekulares Neuroimaging am Zentralinstitut (ZI) für seelische Gesundheit Mannheim, Mannheim. „Aber sie zeigen ganz klar, dass Psilocybin bei therapieresistenter Depression wirksamer ist als ein Placebo. Die Weiterführung der klinischen Prüfung ist definitiv gerechtfertigt.“

Möglicherweise ist eine zweite Dosis erforderlich

Gründer leitet die klinische Studie EPIsoDE, die derzeit am ZI Mannheim und an der Charité Berlin durchgeführt wird. Sie zeige ganz ähnliche Ergebnisse: „Es gibt Patienten, die durch die Behandlung von ihrer Depression befreit werden, aber viele Patienten profitieren auch gar nicht. Zudem gibt es einen großen Graubereich zwischen diesen Polen.”

Die Studie von Goodwin et al zeige auch, dass bei einer nicht kleinen Gruppe von Patienten die antidepressive Wirkung mit der Zeit abnehme. „Viele Patienten brauchen die Möglichkeit, eine zweite Dosis und dann wahrscheinlich auch weitere Dosen zu erhalten, um eine dauerhafte Verbesserung zu erreichen.“

Und auch Liechti betont: „Es ist anzumerken, dass in der Studie nur eine einmalige Dosis verabreicht wurde. Fachleute – und frühere Studien - weisen darauf hin, dass bei vielen Patienten 2 oder mehr Behandlungssitzungen einer psychedelisch unterstützten Therapie erforderlich sein könnten, um eine stärkere und anhaltende Reaktion zu erzielen. Somit kann vermutlich eine höhere Wirksamkeit bei mehr als einer einzigen Verabreichung erreicht werden.“
 

Kommentar

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