Haben Sie schon eine oder einen NäPA, VERAH, EVA oder PA? Solche Berufsbezeichnungen werden bald allen geläufig sein. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte werden sich in den kommenden Jahren in neuen Arbeitsstrukturen wiederfinden. Die Zukunft der ambulanten Versorgung dürfte dem praxis- und berufsübergreifenden Team gehören, das neue Qualifikationen und Ausbildungsberufe einbringt.
Das war die These der Veranstaltung „Bessere vertragsärztliche Versorgung durch Delegation und Kooperation mit Gesundheitsberufen“, zu der das Zentralinstitut für die vertragsärztliche Versorgung (ZI) eingeladen hatte [1]. Anders als die Ampel-Koalition sprachen sich die Redner auf der ZI-Tagung strikt gegen eine Substitution ärztlicher Leistungen aus.
Anlass der Tagung ist der Umstand, dass Arzt-unterstützende Berufe in der ambulanten Versorgung derzeit immer bedeutender werden. Jedenfalls ist dies das Ergebnis einer ZI-Umfrage bei niedergelassenen Haus- und Fachärzten. Das ZI wollte wissen, wie viele nicht-ärztliche Praxisassistentinnen (NäPA) in den Praxen arbeiten. Laut Umfrage waren es 2021 rund 12.000 zur NäPA qualifizierte Mitarbeitende in rund 10.000 Vertragsarztpraxen, zumeist Hausarztpraxen.
„Aber auch unter Fachärzt:innen gewinnt das NäPA-Konzept zunehmend an Bedeutung“, so das ZI. „So werden NäPA je nach KV-Region in bis zu 40% der internistischen Praxen und in bis zu 20% der urologischen Praxen eingesetzt.“
Community Health Nurse – nur eine weitere Schnittstelle?
Hinzu traten Zahlen, die aus Fokusgruppen-Interviews mit 7 Hausärzten aus Sachsen-Anhalt stammen. Die Interviews zeigen, welche Bedeutung die von der Ampelkoalition angekündigten Community Health Nurses (also Gemeindeschwestern) haben – sowie die Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAH).
Letztere nähmen oft als erste Ansprechperson in der Praxis Hausbesuche, Beratungen, aber auch Voruntersuchungen wie EKG oder Blutentnahme vor, erklärte Dr. Sandra Mangiapane von ZI. „Viele Ärzte haben deshalb gesagt, eigentlich brauchen wir keine Gemeindeschwester – wir haben ja die VERAH oder die NäPA.“ Die VERAH sei die „Speerspitze der Versorgung“, formulierte ein Arzt.
„Wenn die Gemeindeschwester aber doch kommt, dann muss sie an das Praxisteam angeschlossen seien. Denn was wir am wenigsten brauchen, ist noch eine Schnittstelle mit der Gefahr von Informationsdefiziten!“, erklärten die Ärzte laut Mangiapane. Aufgeschlossen zeigten sie sich auch für akademisch ausgebildete Physician Assistants (PA).
Dr. Volker Schrage, Hausarzt und Vize der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe stellte in seinem Statement den Teamgedanken in den Mittelpunkt. In seiner Praxis arbeiten neben einigen angestellten Ärzten auch 14 MFA, 2 VERAH und eine Entlastende Versorgungsassistentin (EVA). „Wir Ärzte profitieren durch gut strukturierte MFA, wir werden durch den Arbeitsalltag geführt – und so muss es auch sein. Allerdings ist Teamarbeit oft ungewohnt. In einem berufsübergreifenden Projekt zur Demenzfrüherkennung war das ungewöhnlich Neue die Kommunikation auf Augenhöhe“, berichtete Schrage.
„Der Wind hat sich gedreht“
In Schrages KV-Bereich wurden Teamprojekte gestartet, in denen die Mitwirkenden nicht mehr als Arzt und Mitarbeiterin gesehen werden wollten, wie Schrage sagte, sondern als Team. Ein Team arbeite billiger und effektiver und biete einen Anreiz für Interessierte an medizinischen Fachberufen, inklusive Karriereoption. „Das ist ein Paradigmenwechsel in der ambulanten Versorgung, der Wind hat sich gedreht“, so Schrage. Man müsse nun Delegation neu definieren. „Delegation als Kommando-Entgegennahme? Das können Sie jedenfalls vergessen“, sagte Schrage.
Es müsse aber klar sein, welche Leistungen delegiert werden und wer unter den VEHRAs, EVAs oder PAs die entsprechende Qualifikation mitbringt. Die bisherige Delegationsvereinbarung im Bundesmantelvertrag bezeichnete Schrage als „verstaubt“. Auch die Aufgaben von Community Health Nurses müsse genauer definiert werden, sagte Schrage Richtung Ampel-Koalition.
Aber über die Substitution will auch Schrage nicht hinaus: „Die Verantwortung für den Behandlungsprozess muss beim Arzt liegen“, betonte der Hausarzt. „Gegen die Heilkundeübertragung an medizinische Berufe legen wir ein Veto ein!“ Natürlich werde die medizinische Versorgung in 5 oder 10 Jahren ganz anders aussehen als heute. „Aber die Heilkunde ist erst mal eine Angelegenheit approbierter Mediziner“, so Schrage.
Substitution ärztlicher Leistungen ist ja ein politisches Ziel, das man auch in den Modellprojekten erkennt, sagte Dr. Dominik von Stillfried, Chef des ZI, im Gespräch mit Medscape. Aber mit der Substitution entstünden „neue Sektorgrenzen mit eigenen Kompetenzen und Vergütungen und so weiter“. Da biete sich die Teampraxis an, in der auch entschieden werden kann, wer unter den VERAHs oder PAs mit welchen Qualifikationen welche Aufgaben übernehmen kann. Aber: Einer muss den Hut aufhaben.
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Credits:
Photographer: © Katarzyna Bialasiewicz
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Diesen Artikel so zitieren: „Haben Sie schon eine oder einen NäPA, VERAH, EVA oder PA? Berufsübergreifenden Teams in Arztpraxen gehört die Zukunft - Medscape - 16. Nov 2022.
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