Berlin – Nach einer aktuellen Untersuchung kann die erweiterte Pulsoxymetrie eine Kohlenmonoxidvergiftung nicht ausreichend zuverlässig diagnostizieren. Das berichteten Forschende auf dem diesjährigen Europäischen Kongress für Notfallmedizin (EUSEM) 2022. Die erweiterte Pulsoxymetrie – auch CO-Oxymetrie – ist eine nicht invasive Methode zum Nachweis von Carboxyhämoglobin, das sich in Erythrozyten bildet, wenn Kohlenmonoxid eingeatmet wurde.
Bei einem Literaturreview stellte sich heraus, dass diese Methode zwar simpel und auch leicht durchführbar ist, aber eine Kohlenmonoxidvergiftung in fast einem Viertel der Fälle nicht registriert.
„Die Methode ist einfach zu ungenau und sollte in der klinischen Praxis nicht angewendet werden“, sagte Dr. Mathilde Papin von der Universität Nantes, Frankreich.
CO-Vergiftungen in der Praxis recht häufig
Zum Hintergrund: Kohlenmonoxidvergiftungen gehören weltweit zu den häufigsten letalen Vergiftungen. Menschen bemerken die Aufnahme des farb- und geruchlosen Gases in den Blutkreislauf nicht. Es verbindet sich in der Blutbahn mit dem Sauerstofftransportprotein Hämoglobin und blockiert dort aufgrund seiner viel höheren Affinität zu dem Eiweiß für längere Zeit die Andockstellen für Sauerstoff – und der Körper wird mit Sauerstoff unterversorgt. Die Therapie erfolgt mit Sauerstoff, allerdings machen äußerst unspezifische Vergiftungssymptome wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit oder auch Ängstlichkeit, Schwindel und Verwirrtheit zuvor die Diagnose sehr schwierig.
Ein Bluttest vermag die Carboxyhämoglobin-Menge im Blut zuverlässig zu bestimmen, doch in Anbetracht der möglicherweise akuten Lebensgefahr der Betroffenen, ist nach Ansicht der Forschenden ein Test erforderlich, der direkt und zuverlässig im Rettungswagen oder in der Notaufnahme zur Verfügung steht.
Schwierige Diagnostik
„Ein Bluttest ist zwar zuverlässig, aber nicht praktikabel“, sagte Papin. Gib es Alternativen? Eine schnelle und einfache Methode ist die erweiterte Pulsoxymetrie, bei der einfach ein Gerät auf einen Finger geklemmt wird. Eine niedrige Sauerstoffsättigung könnte ein Zeichen für eine O2-Verdrängung aufgrund einer Kohlenmonoxidvergiftung sein. Der Ansatz hat jedoch gemischte Ergebnisse geliefert.
Die Forschenden führten einen systematischen Review und eine Metaanalyse durch und suchten dafür nach allen Studien, bei denen die Werte aus der erweiterten Pulsoxymetrie mit Bluttests verglichen wurden. Sie fanden 19 entsprechende Studien und konnten die Ergebnisse von 11 dieser Studien kombinieren. Das entsprach den Daten von über 2000 Personen, von denen einige unter einer Kohlenmonoxidvergiftung litten und andere gesund waren.
Die erweiterte Pulsoxymetrie hatte eine Sensitivität von 77% und eine Spezifität von 83% erreicht. Die Gesamtgenauigkeit (overall accuracy) betrug 86%. Für Papin ist dieser Wert nicht gut genug und sie verweist auf die relativ niedrige Sensitivität.
„Mit 23% ist die Falsch-Negativ-Rate bei der erweiterte Pulsoxymetrie zu hoch, um Personen mit Verdacht auf eine Kohlenmonoxidvergiftung verlässlich beurteilen zu können“, sagte sie.
Papin merkte an, dass für sie die Ergebnisse in Anbetracht der Erfahrungen, die sie in ihrem eigenen Zentrum gemacht habe, nicht allzu überraschend seien.
„Die Idee zu dieser Metaanalyse entstand unter dem klinischen Eindruck, dass dieses Gerät im täglichen Einsatz in der Notaufnahme nicht so genau war, wie es eigentlich sein sollte“, sagte sie. Die erweiterte Pulsoxymetrie werde auch routinemäßig in der prähospitalen Versorgung eingesetzt, was die Bedeutung eines alternativen Ansatzes noch unterstreiche. Papin und ihr Team wollen nun eine Methode für ein schnelleres Screening des Kohlenmonoxidspiegels in den Kapillaren entwickeln.
Ergebnisse der Diagnostik kritisch hiterfragen
Dr. James Chenoweth, Dozent für Notfallmedizin an der Universität im kalifornischen Davis, befasst sich wissenschaftlich mit der Therapie der Kohlenmonoxidvergiftung. Für ihn zeigten die Ergebnisse, dass der klinische Wert der erweiterten Pulsoxymetrie in diesem Zusammenhang begrenzt sei.
„Im passenden klinischen Setting, wie etwa bei einer Rauchvergiftung, kann eine niedrige Sauerstoffsättigung in der erweiterten Pulsoxymetrie darauf hindeuten, dass eine genauere Untersuchung auf eine mögliche Kohlenmonoxidvergiftung erforderlich ist. Sie lässt sich jedoch nicht dazu verwenden, um einen erhöhten Anteil von Carboxyhämoglobin im Blut definitiv auszuschließen“, sagte er.
Chenoweth ergänzte: „Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass diese Methode nicht verwendet werden sollte. Doch sollten sich die Anwendenden der Gefahr bewusst sein, sich möglicherweise in falscher Sicherheit zu wiegen, wenn die Werte der erweiterten Pulsoxymetrie normal sind.“
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus https://www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Credits:
Photographer: © Valery Kazlitsinau
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Diesen Artikel so zitieren: Nach einer Vergiftung mit Rauchgasen: Pulsoxymeter erkennen Kohlenmonoxid im Blut nicht zuverlässig - Medscape - 22. Nov 2022.
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