Ein Vitamin-D-Mangel erhöht die Mortalität, und umgekehrt vermag bereits eine geringfügige Anhebung des Spiegels das Risiko wieder zu senken. Zu diesem Schluss kamen Forschende bei der Analyse von Daten aus der britischen „UK Biobank“. Die Ergebnisse wurden in Annals of Internal Medicine veröffentlicht [1].
Das Autorenteam nutzte dazu den biostatistischen Ansatz der Mendel-Randomisierung, bei dem genetische Varianten als „Ersatzindikatoren“ für externe Faktoren verwendet werden, die sich auf den Vitamin-D-Spiegel auswirken, wie z.B. die Sonneneinstrahlung oder die Ernährungsweise. Auf diese Weise lässt sich der Zusammenhang zwischen Mangel und Outcome, wie z.B. der Mortalität, analysieren, was in randomisierten klinischen Studien aus ethischen Gründen nicht möglich ist.
Der Ernährungswissenschaftler Dr. Joshua P. Sutherland vom Australian Centre for Precision Health in Adelaide und sein Team konnten so einen Zusammenhang zwischen genetisch determinierten Vitamin-D-Spiegeln und der Mortalität durch verschiedene Todesursachen feststellen. Bei Werten unter 50 nmol/l fanden sich Evidenzen für einen Kausalzusammenhang, nicht jedoch darüber.
„Im Gegensatz zu anderen Beobachtungsstudien gelang es uns, einige methodische Untiefen zu umschiffen. Das Besondere an dieser neuen Studie ist, dass wir Personen mit sehr niedrigen Vitamin-D-Konzentrationen untersuchen und dadurch feststellen konnten, was passieren würde, wenn ihre Spiegel ein wenig höher wären. Die meisten randomisierten, kontrollierten Studien weisen dabei keine nennenswerte Wirkung nach. Das liegt aber daran, dass die meisten Menschen über einen ausreichenden Vitamin-D-Spiegel verfügen. Aus ethischen Gründen kann man keine Studie an Menschen mit sehr niedrigen Werten durchführen, ohne sie auch zu behandeln“, erklärte die korrespondierende Autorin Dr. Elina Hyppӧnen gegenüber Medscape.
Die Daten stützten den von der US National Academy of Medicine empfohlenen Grenzwert von 50 nmol/l und stimmten auch mit früheren Daten überein, nach denen eine Vitamin-D-Supplementierung vornehmlich bei Personen mit einem entsprechenden Mangel sinnvoll sei.
„Alle Personen mit einem Vitamin-D-Wert unter 50 nmol/l sollten ihre Werte erhöhen. Nach unseren Untersuchungsergebnissen scheint es nicht erforderlich zu sein, sehr hohe Werte zu erreichen. Die gute Nachricht ist, dass die Werte aus den aktuellen offiziellen Empfehlungen ausreichen. Es besteht daher keine Notwendigkeit, hochdosierte Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen“, erklärte Hyppӧnen weiter.
Daher rät sie Folgendes: „Eine Nahrungsergänzung ist eindeutig hilfreich, wenn eine Person vor allem in den lichtarmen Wintermonaten nicht genug Vitamin D über die Sonneneinstrahlung erzeugen kann oder sich so ernährt, dass nicht genügend Vitamin D auf diesem Weg aufgenommen wird.“ Die Daten sprechen jedoch eher dagegen, intermittierend hohe Dosen zu verabreichen, fügte sie hinzu.
„Manchmal wollen Behandelnde den Mangel schnell mit einer großen Bolusgabe beheben und dann mit einer Erhaltungsdosis fortfahren. Es gibt jedoch zunehmend Evidenzen dafür, dass ein solches Vorgehen nicht günstig ist und den Stoffwechsel des Körpers stört, sodass die benötigte Menge gar nicht aufgenommen werden kann. Es ist zwar insgesamt sicher, doch funktioniert es offenbar nicht so, wie wir uns das wünschen“, erklärte Hyppönen. „Ich habe vielmehr den Eindruck, dass die tägliche Supplementierung mit einer niedrigen Vitamin-D-Dosis der bessere Weg ist, sofern denn ein Mangel vorliegt.“
Genetischer Ansatz offenbart kausalen Zusammenhang
Die Forschenden analysierten die Daten von 307.601 Personen aus der „UK Biobank“. Dabei handelt es sich um eine prospektive Kohorte von Personen, die zwischen März 2006 und Juli 2010 in England, Schottland und Wales rekrutiert wurden. Die meisten waren weißer europäischer Abstammung und zu Beginn der Studie zwischen 37 und 73 Jahre alt.
Der genetisch determinierte Vitamin-D-Spiegel wurde anhand von 35 bestätigten 25-(OH)D-Varianten geschätzt. Das Follow-up erstreckte sich bis Juni 2020.
Der durchschnittliche gemessene Ausgangswert der 25-(OH)D-Konzentration lag bei 45,2 nmol/l; 11,7% (n=36.009) der Teilnehmenden hatten Werte zwischen 10,0 und 24,9 nmol/l. Höhere Werte wurden bei Personen festgestellt, die in südlichen Gebieten lebten und Nichtraucher waren, sowie bei Personen mit einem höheren Maß an körperlicher Aktivität, geringerer sozioökonomischer Benachteiligung und einem niedrigeren Body-Mass-Index (BMI).
Während der Nachbeobachtungszeit starben 6,1% der Teilnehmenden (n=18.700). Nach Adjustierung der Variablen war die Odds Ratio (OR) für alle Todesursachen bei Personen mit Vitamin-D-Spiegeln unter 25 nmol/l am höchsten und schien zwischen 50 und 75 nmol/l ein Plateau zu erreichen. Bei Werten von 75 bis 125 nmol/l ging die Sterblichkeit nicht weiter zurück.
36% höhere Sterblichkeit bei Vitamin-D-Mangel
Die Mortalität war bei Teilnehmenden mit einem Wert von 25 nmol/l im Vergleich zu 50 nmol/l um signifikante 36% erhöht.
Bei der Mendel-Randomisierung zeigte sich ein L-förmiger Zusammenhang zwischen dem genetisch bestimmten Vitamin-D-Spiegel und der Gesamtmortalität (p für Nichtlinearität <0,001) sowie der Mortalität aufgrund von Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen (p für Nichtlinearität ≤0,033).
Auch hier wurde der stärkste Zusammenhang zwischen diesen Ergebnissen und dem genetisch bestimmten Vitamin-D-Spiegel bei Werten unter 25 nmol/l festgestellt; bei 50 nmol/l wurde ein Plateau erreicht.
Im Vergleich zu einem Spiegel von 50 nmol/l schätzten die Forschenden, dass die genetisch vorhergesagte Wahrscheinlichkeit der Gesamtmortalität bei Teilnehmenden mit 10 nmol/l um das Sechsfache (OR: 6,00) und bei Personen mit 25 nmol/l um 25% (OR: 1,25) ansteigen würde.
Und gegenüber einem Spiegel von 50 nmol/l hatten diejenigen mit 10 nmol/l genetisch vorbestimmte Odds Ratios von 5,98 für die kardiovaskuläre Sterblichkeit, 3,37 für die Krebsmortalität und 12,44 für die Sterblichkeit durch Atemwegserkrankungen. Beim Vergleich der Vitamin-D-Werte 25 nmol/l und 50 nmol/l betrugen die Odds Ratios für diese Punkte 1,25, 1,16 bzw. 1,96 (95% Konfidenzintervall: 1,88–4,67). Alle Resultate waren statistisch signifikant.
Eine Sensitivitätsanalyse an 20.837 Personen nicht weißer ethnischer Herkunft lieferte auch konsistente Ergebnisse, die einen kausalen Effekt eines genetisch vorbestimmten Vitamin-D-Spiegels auf die Gesamtmortalität bei Personen mit niedrigen Spiegeln nahelegen.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der Link zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine Nachrichten aus der Medizin verpassen.
Credits:
Photographer: © Megaflopp
LEad image: Dreamstime.com
Medscape Nachrichten © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Tödlicher Vitamin-D-Mangel? Daten der UK-Biobank zum Mortalitätsrisiko zeigen, dass Anhebung des Spiegels sinnvoll sein kann - Medscape - 14. Nov 2022.
Kommentar