Fall: Bei dieser jungen Frau bleibt die Regelblutung aus – der Grund ist außergewöhnlich. Ihre Vermutung? 

George T. Griffing

Interessenkonflikte

14. November 2022

Das Körpergewicht dieser Patientin war normal. Ein klares Untergewicht, wie es bei der Bulimie oder der Anorexia nervosa vorkommt, kann mit einer hypothalamischen Amenorrhö einhergehen. Der physiologische Stress durch ein solches Untergewicht kann die normale Fortpflanzungsfunktion und damit eine Schwangerschaft hemmen. Vermutlich hemmen auch andere Stressoren auf hypothalamischer Ebene die Fortpflanzungsfunktionen.

Übergewicht wird hingegen häufiger mit dem PCOS in Verbindung gebracht, das durch Hyperandrogenismus, Oligo- oder Anovulation und polyzystische Ovarien gekennzeichnet ist (Abb. 2-4), wobei für die Diagnose 2 dieser Kriterien erfüllt sein müssen. Die Erscheinungsformen der PCOS-Trias können variieren, und die meisten Frauen haben eher eine unregelmäßige Menstruation als eine Amenorrhö [4,5].

Obwohl die Ätiologie des PCOS unklar ist, handelt es sich wahrscheinlich um einen multifaktoriellen Prozess, bei dem eine Insulinresistenz zum Hyperinsulinismus führt, der wiederum eine ovarielle Hyperandrogenese auslöst. Diese hat dann eine überaktive Aromatase im Fettgewebe zur Folge, wodurch vermehrt Androgene in Östrogene umgewandelt werden. PCOS-Therapien zielen auf verschiedene Punkte in diesem Prozess ab, z.B. durch Gewichtsreduktion, die Gabe von Wirkstoffen, welche die Insulinempfindlichkeit wieder erhöhen (Glitazone), sowie die Gabe von Antiandrogenen, Aromatasehemmern und Ovulationsinduktoren, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg.

Da die Patientin im vorliegenden Fall weder eine Galaktorrhö noch einen erhöhten Prolaktinspiegel aufwies, wurde eine Hyperprolaktinämie als weitere mögliche Ursache einer sekundären Amenorrhö ausgeschlossen. Im Allgemeinen sind die Prolaktinwerte bei dieser Diagnose relativ hoch und zwar in der Regel 5- bis 10-mal höher als normal. Dieser Anstieg ist oft die Folge eines Prolaktin-sezernierenden Hypophysentumors. Wenn es zu einer Galaktorrhö kommt, bedeutet das, dass Prolaktin und ausreichend Östrogen vorhanden sein müssen, um die Laktogenese zu ermöglichen. In extremen Fällen lässt ein Östrogenmangel keine Galaktorrhö aufkommen, sodass auch ohne Galaktorrhö eine Hyperprolaktinämie vorliegen kann.

Auch das Asherman-Syndrom war in diesem Fall unwahrscheinlich. Beim Asherman-Syndrom kommt es zu intrauterinen Verwachsungen, die meist die Folge einer Gebärmutteroperation sind und zu einer Abflusstraktobstruktion führen können. Bei fast allen Betroffenen wurde zuvor eine Dilatation und Kürettage durchgeführt, worauf es in der Anamnese dieser Patientin keinerlei Hinweise gab. In vielen dieser Fälle kommt es auch zu uterogenen Unterleibsschmerzen, die auf die Stauung retinierten Menstruationsblutes zurückzuführen sind.

Bei knapp der Hälfte der POI-Patientinnen kann eine autoimmunologische Ursache vorliegen, die manchmal auch mit anderen Endokrinopathien verbunden ist. Bei dieser Patientin gab es klinische und biochemische Hinweise auf eine Autoimmunthyreoiditis mit ihrer Struma, dem erhöhten TSH-Wert und dem Nachweis von Anti-TPO-Antikörpern. Auch eine primäre Nebenniereninsuffizienz wurde vermutet und später bestätigt. Die Patientin war müde, hatte eine posturale Hypotonie, eine leichte Hyperkaliämie und eine Eosinophilie.

Bei näherer Betrachtung war ihre Haut an nicht gebräunten Körperstellen hyperpigmentiert, und ein erhöhter ACTH-Spiegel sowie eine unzureichende Reaktion des adrenalen Cortisols auf exogenes ACTH im ACTH-Stimulationstest traten hinzu. Die zusätzliche Bestätigung einer autoimmunen Nebennieren-Ätiologie wäre durch die Bestimmung von Nebennieren-21-Hydroxylase-Antikörpern möglich, doch wurde der Test in diesem Fall nicht durchgeführt.

Die direkte Bestätigung einer Autoimmun-Oophoritis mit Ovarialantikörpern ist noch nicht möglich, aber nachgewiesene Lymphozyteninfiltrate in den Ovarien der betroffenen Frauen legen eine solche Ätiologie nah.

Bei der Untersuchung dieser Patientin gab es Hinweise auf die Insuffizienz von 3 endokrinen Drüsen: Ovarien, Schilddrüse und Nebennieren. Das Vorhandensein mehrerer autoimmuner endokriner Erkrankungen bei ein und derselben Patientin deutet auf ein autoimmunes polyendokrines Syndrom hin (APS). Man unterscheidet die APS-Typen I bis III [8,9].

Das APS-I ist durch die klassische Trias aus Hypoparathyreoidismus, chronischer mukokutaner Candidiasis und Nebennierenfunktionsstörung gekennzeichnet, wobei die Diagnose das Vorhandensein von mindestens 2 dieser Erkrankungen voraussetzt. Es handelt sich um eine autosomal-rezessiv vererbte Störung, die im Säuglingsalter beginnt und mit einer Genmutation des Proteins Autoimmun-Regulator (AIRE) verbunden ist, wodurch sich die thymusvermittelte zelluläre Immunität verändert.

Zum APS-II gehören die Nebenniereninsuffizienz, ein Diabetes mellitus Typ 1, die Insuffizienz der Keimdrüsen, die Zöliakie und eine autoimmune Hypo- oder Hyperthyreose. Der Erbgang ist variabel, doch überwiegend sind Frauen betroffen, wobei die Krankheit in der Regel zwischen dem 20. und 60. Lebensjahr auftritt [8].

Das APS-III schließlich zeichnet sich durch eine Autoimmunthyreoiditis zusammen mit einer anderen organspezifischen Autoimmunerkrankung, wie z.B. der perniziösen Anämie, dem Diabetes mellitus Typ 1 oder auch einer Vitiligo und/oder Alopezie, aus.

Die Kombination der Befunde und Erkrankungen bei dieser Patientin spricht also für ein APS-II mit Beteiligung der Gonaden, der Schilddrüse und der Nebennieren.

Der Pathomechanismus der 3 APS-Syndrome ist nicht genau bekannt, aber die Zuordnung einer Person zu einem dieser Syndrome sollte das Bewusstsein für die Möglichkeit weiterer assoziierter Drüsenerkrankungen schärfen und vielleicht zu entsprechenden Screenings führen. Die Diagnose des APS II führte z.B. bei dieser Patientin zur Untersuchung auf Zöliakie und auf einen Diabetes mellitus Typ 1. Die Autoantikörper-Befunde waren hier jedoch negativ.

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....