Randomisierte Studie bestätigt: Mit Achtsamkeits-Übungen lässt sich der Blutdruck signifikant senken

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

14. November 2022

Chicago – Eine auf Achtsamkeit basierende Verhaltensintervention kann bei Hypertonie den Blutdruck signifikant senken, unter anderem indem sie den Patienten hilft, einen gesünderen Lebensstil anzunehmen. Das zeigt eine bei den Scientific Sessions der American Heart Association vorgestellte randomisierte Phase-2-Studie aus den USA [1].

 
Wir trainieren bei den Teilnehmern die Fähigkeiten zur Aufmerksamkeitskontrolle, Eigenwahrnehmung und Gefühlsregulation. Prof. Dr. Eric B. Loucks
 

Studienleiter Prof. Dr. Eric B. Loucks, Direktor des Mindfulness Center an der Brown University in Providence, USA, der die Intervention mitentwickelt hat, erklärte: „Wir trainieren bei den Teilnehmern die Fähigkeiten zur Aufmerksamkeitskontrolle, Eigenwahrnehmung und Gefühlsregulation. Und diese Fähigkeiten wenden sie dann auf ihre Beziehungen zu Lebensstilfaktoren an, von denen wir wissen, dass sie den Blutdruck beeinflussen – wie die Ernährung, die körperliche Aktivität, den Alkoholkonsums, die Medikationsadhärenz und Stress.“

Empfindungen ohne Wertung wahrnehmen und dann geschickt reagieren

„Achtsamkeit bedeutet, sich körperliche Empfindungen, Gefühle und Gedanken im Hier und Jetzt bewusst zu machen, ohne sie zu bewerten“, beschrieb Loucks das Prinzip. Es gehe aber auch darum, erworbenes Wissen, zum Beispiel aus der ärztlichen oder öffentlichen Gesundheitsaufklärung, geschickt in den aktuellen Moment zu übertragen. „Wissen im Kontext von erhöhtem Blutdruck kann zum Beispiel sein, dass evidenzbasierte Maßnahmen wie körperliche Aktivität, gesunde Ernährung, begrenzter Alkoholkonsum und die Einnahme von antihypertensiven Medikamenten das Wohlergehen verbessern können.“

Prof. Dr. Eric B. Loucks

Das 8-wöchige Achtsamkeitsprogramm bestand aus wöchentlichen Gruppensitzungen und täglichen Achtsamkeitsübungen über mindestens 45 Minuten, die die Teilnehmer zuhause in Eigenregie durchführten. Als Vergleichsgruppe dienten Patienten, die eine erweiterte Standardtherapie – Blutdruckmessgerät für den Heimgebrauch, Aufklärungsbroschüren über Bluthochdruck, erleichterter Zugang zu ärztlicher Versorgung bei Bedarf – erhielten.

Eingeschränkte Übertragbarkeit auf andere ethnische und soziale Gruppen

Die 201 randomisierten Patienten waren im Schnitt 59 Jahre alt und hatten einen Blutdruck über 120/80 mmHg. Die Mehrzahl von ihnen war weiß und hatte einen College-Abschluss. Die Übertragbarkeit der Studienergebnisse auf diversere ethnische Gruppen oder Menschen mit anderem Bildungsgrad ist dadurch eingeschränkt.

Nach einem Follow-up von 6 Monaten war der systolische Blutdruck in der Achtsamkeits-Gruppe im Schnitt um 5,9 mmHg gefallen (p<0,001). In der Standardtherapie-Gruppe betrug die Reduktion dagegen nur 1,4 mmHg. Auch der Unterschied zwischen den Gruppen von 4,5 mmHg war statistisch signifikant (p=0,045).

Verschiedene Post-hoc- und Sensitivitätsanalysen, die unter anderem den Ausgangsblutdruck und das Geschlecht der Studienteilnehmer berücksichtigten, ergaben etwas kleinere Unterschiede zwischen den Gruppen, die teils nicht mehr signifikant waren.

Der diastolische Blutdruck veränderte sich in keiner der beiden Gruppen merklich.

Achtsame Teilnehmer sitzen weniger und ernähren sich besser

Eine mögliche Erklärung für die Blutdruckreduktion sei der Effekt auf die im Sitzen verbrachte Zeit, sagte Loucks. Diese reduzierte sich in der Gruppe mit signifikant – im Schnitt um 351 Minuten pro Woche im Vergleich zur Standardtherapie-Gruppe. Die ihre Achtsamkeit trainierenden Studienteilnehmer berichteten außerdem von einem niedrigeren Stressniveau.

Auch bei der körperlichen Aktivität und der Ernährung schnitt die Achtsamkeits-Gruppe besser ab als Standardtherapie-Gruppe, der Unterschied erreichte allerdings keine statistische Signifikanz.

Es zeigte sich aber durchaus, dass die Patienten in der Achtsamkeits-Gruppe „häufiger herzgesunde Lebensmittel zu sich nahmen, wie sie etwa die Dietary Approaches to Stop Hypertension (DASH) empfehlen“, so Loucks.

Effektgröße könnte relevant in der Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen sein

Der Achtsamkeits-Experte wies darauf hin, dass die in der Interventionsgruppe beobachteten Effektgrößen klinisch relevant sein könnten: „Eine Metaanalyse mit mehr als 300.000 Teilnehmern zeigte, dass eine Reduktion des systolischen Blutdrucks um 5 mmHg mit einer Verringerung des kardiovaskulären Erkrankungsrisikos um 10% verknüpft ist.“

 
Sollten sich die Ergebnisse bestätigen, könnten Achtsamkeitsprogramme zur Blutdrucksenkung zu einer wirksamen Intervention bei Menschen mit Bluthochdruck werden. Prof. Dr. Eric B. Loucks
 

Zwar müsse der Einsatz des Achtsamkeitsprogramms zur Blutdrucksenkung noch weiter erforscht werden, so Loucks. Offen sei etwa noch, wie lange die Effekte einer solchen Intervention anhalten. Auch die Wirksamkeit außerhalb einer vorwiegend weißen Population mit höherem Bildungsgrad sei noch ungeklärt. Letzteres wollen Loucks und seine Kollegen als nächstes in einer Population von Native Americans erforschen. „Aber sollten sich die Ergebnisse bestätigen, könnten Achtsamkeitsprogramme zur Blutdrucksenkung zu einer wirksamen Intervention bei Menschen mit Bluthochdruck werden“, sagte Loucks .

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Kommentar

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