Jetzt geht es ans Verhandeln. Auf der Weltklimakonferenz im ägyptischen Sharm El-Sheikh liegen die ersten Tage der zweiwöchigen Konferenz hinter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Am Mittwoch, 9. November 2022, wollen nun die Staats- und Regierungschefs darüber beraten, wer mit wie viel Geld für die Verluste aufkommen muss, die die ärmeren Länder wegen des Klimawandels erleiden.
In seiner Rede vor dem Forum der Konferenz hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gesagt: „Zu Recht fordern die Staaten mehr internationale Solidarität, die von den Folgen des Klimawandels am härtesten betroffen sind, aber am wenigsten zu seiner Verursachung beigetragen haben.“
Wie sehr die Gesundheit der Menschen in den betroffenen Ländern, aber auch in den wohlhabenden Ländern, von einem intakten Klima abhängt, das hat auch Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) beim deutschen Launch Event zum Lancet Countdown On Health And Climate Change Report im Vorfeld der Weltklimakonferenz betont.
Seit 2017 dokumentiert der internationale Lancet Countdown anhand von 43 Indikatoren das Fortschreiten des Klimawandels in vielen Ländern der Welt. Er präsentiert die Arbeit von 99 Fachleuten aus 51 Institutionen – darunter die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) – und zeige, „dass Regierungen und Unternehmen weiterhin Strategien verfolgen, welche die Gesundheit und das Überleben der Menschen heute und künftiger Generationen zunehmend gefährden“, heißt es auf der Homepage des Lancet Countdown.
Klimawandel als „Mutter vieler Krisen“
Der Klimawandel sei die „Mutter vieler Krisen“, auch weil er zum Beispiel den Ausbruch weiterer Pandemien begünstige, so Lauterbach weiter. „Wir sehen, dass die Ausbrüche von Zoonosen inzwischen zu 75% Pandemiepotenzial haben und dass die Anzahl zoonotischer Ausbrüche exponentiell mit der globalen Erwärmung steigt.“ Man könne bereits in das Zeitalter der Pandemien eingestiegen sein, mutmaßte der Minister – „auf jeden Fall steht es uns bevor.“
Werde der Klimawandel nicht gestoppt, sei mit mehr Migration, mehr Hunger, mehr Hautkrebs und mehr Hitzetoten zu rechnen, so Lauterbach. „Ab einer Temperatur von 35 Grad sind die Lebensbedingungen so schlecht, dass Menschen nicht mehr darin leben und sich ernähren können.“
Die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels würden dramatisch unterschätzt, so Lauterbach. „Patientinnen und Patienten sollten auf die Folgen des Klimawandels für die Gesundheit bei jedem Kontakt hingewiesen werden. Ärztinnen und Ärzte können wichtige Vorbilder sein.“
Konkret zählt „Ärzte ohne Grenzen“ die dramatischen Folgen etwa der Hitzewellen für die Gesundheit der betroffenen Menschen vor allem in ärmeren Ländern auf. 2020 hätten wegen der Hitzeperioden mehr als 98 Millionen Menschen unter Nahrungsmittelunsicherheit gelitten. Es fehlte Trinkwasser für Mensch und Tier.
Die Ernten fielen geringer aus, die knappen Vorräte waren schnell verbraucht. Die Folge: Mangelernährung. Zudem verlängerten die Hitzemonate die Infektionsperioden für Malaria zum Beispiel in Mosambik.
Andernorts wurden Krankenhäuser von Wirbelstürmen zerstört und damit der Zugang zur Gesundheitsversorgung. „Jeder Bruchteil der abgewendeten Erwärmung reduziert Tod und Leid in den humanitären Kontexten, in denen wir arbeiten“, so „Ärzte ohne Grenzen“.
Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, mahnte den klimafreundlichen Aus- und Umbau von Gesundheitseinrichtungen an. „Gleichzeitig gilt es, das Gesundheitswesen selbst besser auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten“, so Reinhardt, der gleichzeitig die „Bereitstellung spezifischer Ressourcen für alle Versorgungsbereiche“ forderte.
Dr. Martin Herrmann , Vorstandsvorsitzender der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) resümierte in der Bundespressekonferenz: „Wir müssen den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen noch schneller vorantreiben, um die Erderwärmung einzudämmen und eine lebenswerte und gesunde Zukunft zu sichern.“
1,5-Grad Ziel bis 2030: Emissionen müsste halbiert werden
Doch so groß die Probleme, so träge die Verantwortlichen. Prof. Dr. Niklas Höhne, Professor für Klimaschutz an der Uni Wageningen/Niederlade, erklärte am Freitag vor der Konferenzeröffnung: Vor 5 Jahren, bei der letzten Weltklimakonferenz in Glasgow, sei man sich einig gewesen den, dass bis 2022 wesentliche Ziele des Klimaschutzes hätten erreicht werden müssen. „Das war eben der Plan, und der Plan ist leider nicht aufgegangen“, sagte Höhne bei einem Pressebriefing.
Die bisherigen Maßnahmen reichten gerade mal, um das gegenwärtige Niveau zu halten. Um noch das 1,5-Grad Ziel bis 2030 zu erreichen, müssten die Emissionen halbiert werden. „Wir sind derzeit bei 1,2 Grad“, mahnte Höhne. „Also, das muss jetzt wirklich jedem klar sein! Und deshalb wäre meine Hoffnung gewesen, dass das auch den Regierungen klar ist und dass sie deshalb nachlegen. Das haben sie aber nicht getan.“
Wie weit die in Sharm El-Sheik begonnenen Verhandlungen führen, wird abzuwarten sein. Bundeskanzler Scholz jedenfalls hat gefordert: „Unseren entschlossenen Bekenntnissen zum Klimaschutz müssen ebenso entschlossene Taten folgen.“
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Diesen Artikel so zitieren: Klimakonferenz: Wie sich Dürren, Brände und Fluten auf die Gesundheitssysteme auswirken und was Experten fordern - Medscape - 9. Nov 2022.
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