Transthyretin-Amyloidose mit Kardiomyopathie: drastische Verbesserung nach CRISPR/Cas9-Therapie

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

8. November 2022

Chicago – Britischen Medizinern ist es erstmals gelungen, Transthyretin-Amyloidose mit Kardiomyopathie (ATTR-CM) in vivo mit der Genschere CRISPR/Cas9 zu behandeln. Eine einzige Infusion der neuartigen Genome-Editing-Therapie NTLA-2001 habe zu einer signifikanten Reduktion an Transthyretin (TTR) im Blut der Patienten geführt, wie Studienleiter Prof. Dr. Julian D. Gillmore bei den Scientific Sessions der American Heart Association in Chicago berichtete [1].

Die ATTR-CM ist eine ATTR-Amyloidose, bei der die kardiale Beteiligung im Vordergrund steht. Die Ablagerung abnormer TTR-Proteine (Amyloidfibrillen) im Herzen führt zu einer Kardiomyopathie. Es gibt eine erbliche Variante (mit Mutation im TTR-Gen, ATTRv-CM), von der weltweit etwa 50.000 Menschen betroffen sind. Weitere 200.000 bis 500.000 Patienten haben eine nicht erbliche Variante, die auch als Wildtyp (ATTRwt-CM) bezeichnet wird. Bei letzterer kommt es ohne genetische Mutation zu Ablagerungen von Amyloidfibrillen in Organen wie dem Herzen.

Oft zu spät diagnostiziert und immer tödlich

„Zur Behandlung der ATTR-Amyloidose stehen TTR-Proteinstabilisatoren zur Verfügung, die die Erkrankung ein wenig ausbremsen können. Aber es bleibt dennoch eine fortschreitendende und letztlich tödliche Erkrankung – die oft auch zu spät diagnostiziert wird“, sagte Gillmore, der am Centre for Amyloidosis des University College London, London, Vereinigtes Königreich, forscht. „Jüngste klinische Studien, die eine Dauertherapie mit Gene-Silencing-Substanzen(RNAi) untersuchten, zeigten, dass es sich günstig auf das Herz auswirkt, die TTR-Proteinkonzentrationen zu senken.“

NTLA-2001 besteht aus einem Lipid-Nanopartikel, das die mRNA für das Protein SpCas9 und eine Single-Guide-RNA (sgRNA), die am TTR-Gen angreift, einschließt. Die Genschere schaltet das TTR-Gen in der Leber aus, um so die Produktion der abnormen TTR-Proteine zu minimieren.

Verschiedene Dosierungen bei verschiedenen Schweregraden

An der Studie nahmen 12 Patienten mit ATTRv-CM und ATTRwt-CM teil. Sie hatten eine Herzinsuffizienz verschiedener Schweregrade, die aber in allen Fällen behandlungsbedürftig war. Bei den Patienten mit einer Herzinsuffizienz der NYHA-Klasse I/II wurden 2 Dosierungen untersucht (0,7 mg/kg und 1,0 mg/kg), bei Patienten der NYHA-Klasse III nur 1 Dosierung (0,7 mg/kg).

Sie erhielten einmalig eine Infusion mit NTLA-2001. Die TTR-Konzentrationen im Blut wurden zu Studienbeginn, nach 7, 14 und 28 Tagen sowie nach 2, 4 und 6 Monaten gemessen.

Abnorme TTR-Proteine anhaltend um mindestens 90% reduziert

„Die TTR-Konzentrationen sanken bei allen Teilnehmern rasch und eindrücklich“, so Gillmore. Nach 28 Tagen war die Konzentrationen an zirkulierendem TTR-Protein bei allen Patienten und mit allen Dosierungen um mindestens 90% gesunken.

Und der Effekt war anhaltend: Auch bei den Messungen nach 4 und 6 Monaten befanden sich die Konzentrationen weiter auf einem niedrigen Niveau. Die Ergebnisse waren bei Patienten mit erblicher oder nicht-erblicher Variante der ATTR-CM sowie bei Herzinsuffizienz der NYHA Klasse I/II und III vergleichbar.

Gillmore berichtete, dass die Therapie mit NTLA-2001 im Allgemeinen gut vertragen worden sei. Die Mehrzahl der Nebenwirkungen waren leicht und vorübergehend, zumeist Lokalreaktionen auf die Infusion. Es kam zu einer schweren Nebenwirkung – eine schwere infusionsbedingte Reaktion – die sich aber ohne klinische Folgen zurückbildete.

Eine erste kleine Studie, die aber Hoffnung macht

„Unsere Studie beweist, dass Gene Editing im menschlichen Körper möglich und über eine kurzen Beobachtungszeitraum auch sicher ist“, sagte Gillmore. „Wir waren beeindruckt von den signifikanten und konsistenten Reduktionen der TTR-Konzentrationen bei unseren Patienten.“

 
Wir waren beeindruckt von den signifikanten und konsistenten Reduktionen der TTR-Konzentrationen bei unseren Patienten. Prof. Dr. Julian D. Gillmore
 

Bei der Interpretation der Ergebnisse müsse berücksichtigt werden, dass es sich um eine erstmalige Dosiseskalationsstudie der Phase 1 handele, so Gillmore. „Aber die Ergebnisse deuten darauf hin, dass NTLA-2001 eine potenzielle neue Therapieoption sein könnte. Sie könnte bei Patienten mit ATTR-CM das Fortschreiten der Erkrankung aufhalten oder sogar zu einer Verbesserung führen.“

Nächster Schritt: Auswirkungen auf die Kardiomyopathie

Um die langfristige Sicherheit und Wirksamkeit von NTLA-2001 zu etablieren seien weitere Forschungsarbeiten nötig. Auch die potenziellen Konsequenzen der beträchtlich reduzierten TTR-Konzentrationen der Patienten auf klinische Outcomes müssten überwacht und evaluiert werden.

 
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass NTLA-2001 eine potenzielle neue Therapieoption sein könnte. Prof. Dr. Julian D. Gillmore
 

Gillmore und seine Kollegen werden in einer zweiten Studienphase untersuchen, wie sich die Therapie mit CRISPR/Cas9 auf klinische Parameter der kardialen Erkrankung – Bildgebung, Biomarker, kardiopulmonale Leistung, Sechs-Minuten-Gehvermögen – auswirkt.

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Kommentar

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