Im Onko-Blog dieser Woche geht es unter anderem um die optimale Abfolge von Androgendeprivation und Bestrahlung beim Prostatakarzinom. Bei Kindern mit Hochrisiko-Lymphom verbesserte der Ersatz von Bleomycin durch Brentuximab-Vedotin in der Kombi-Chemotherapie das 3-Jahres-EFS (Ereignis-freies Überleben). Das bei verschiedenen hämatologischen Erkrankungen eingesetzte Lenalidomid ist mit einem erhöhten Risiko für Zweitmalignome assoziiert, allerdings nur beim multiplen Myelom. Wechselwirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln mit der Krebstherapie können deren Wirksamkeit reduzieren.
Prostatakarzinom: ADT und Bestrahlung optimal sequenzieren
Brustkrebs-Screening: Tomosynthese bei sehr dichtem Brustdrüsengewebe überlegen
Hochrisiko-Hodgkin-Lymphom bei Kindern: Brentuximab-Vedotin zusätzlich zu Standardtherapie verbessert Ereignis-freies Überleben
MDS: Pathogene Keimbahnveränderungen häufiger als gedacht
Lenalidomid: Risiko für sekundäre Malignome v.a. bei Myelom erhöht
Nahrungsergänzungsmittel: Wechselwirkungen können zu Therapieresistenz beitragen
Prostatakarzinom: ADT und Bestrahlung optimal sequenzieren
Männer mit Prostatakarzinom, die bestrahlt werden, profitieren häufig, wenn die Androgendeprivations-Therapie (ADT) mit der Strahlentherapie (RT) beginnt. Dies ergab eine gepoolte Analyse der Daten aus 12 randomisierten Studien, die eine internationale Arbeitsgruppe im Journal of Clinical Oncology veröffentlicht hat.
Die Arbeitsgruppe analysierte mehr als 7.400 Patientenakten, darunter 6.325 Patienten, die eine ADT vor und während (neoadjuvant/gleichzeitig) der Strahlentherapie erhalten hatten, und 1.084 Patienten, die die ADT während und nach (gleichzeitig/adjuvant) der Bestrahlung erhielten. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 10,2 Jahre.
Es zeigte sich eine signifikante Wechselwirkung zwischen der ADT-Sequenzierung und der RT-Feldgröße für alle Studienendpunkte mit Ausnahme des Gesamtüberlebens. Bei Patienten, die nur eine RT der Prostata erhielten, war eine ADT, die während und nach der Bestrahlung begann im Vergleich zu einer neoadjuvanten/gleichzeitigen ADT mit einem verbesserten Metastasen-freien Überleben verbunden.
Bei Patienten mit Bestrahlung des ganzen Beckens wurde kein signifikanter Unterschied in Abhängigkeit von der ADT-Sequenzierung beobachtet, mit Ausnahme von häufigeren Fernmetastasen bei Patienten, die die ADT gleichzeitig/adjuvant erhielten. Dieser Befund sollte jedoch aufgrund der Details zur Strukturierung der einzelnen Studien mit Vorsicht interpretiert werden.
Die Autoren schlussfolgern, dass die ADT-Sequenzierung einen signifikanten Einfluss auf die klinischen Ergebnisse mit einer starken Korrelation zur RT-Feldgröße hat. Eine gleichzeitige und adjuvante ADT sollte der Behandlungsstandard sein, wenn eine kurzzeitige ADT in Kombination mit einer RT der Prostata indiziert ist.
Brustkrebs-Screening: Tomosynthese bei sehr dichtem Brustdrüsengewebe überlegen
Vor allem bei Frauen mit extrem dichtem Brustdrüsengewebe detektiert die Tomosynthese häufiger Brustkrebs als die digitale Mammografie. Dies ergab eine Subgruppenanalyse der weltweit größten randomisierten, kontrollierten Studie zur Brustkrebs-Früherkennung ToSyMa (TOmosynthesis plus SYnthesized MAmmography), die von der Münsteraner Arbeitsgruppe in Radiology publiziert worden ist.
Die aktuelle ToSyMa-Subanalyse konzentrierte sich auf die Brustkrebsdiagnostik in den 4 Brustdichte-Kategorien. Das Ergebnis: Die Detektionsrate von invasiven Brustkrebs-Diagnosen mit der Tomosynthese war bei den Frauen, die ein extrem dichtes Brustdrüsengewebe haben, um etwa 250% höher als bei der digitalen Mammografie. „Das legt nahe, dass ein Mammografie-Screening mit digitaler Brust-Tomosynthese radiologische Summationseffekte und Überlagerungseffekte deutlich mindert und den Grenzen der digitalen Mammografie entgegenwirkt“, so Studienmanagerin Prof. Dr. Stefanie Weigel in einer Pressemitteilung.
Inwieweit die höhere Brustkrebs-Erkennungsrate zu einem höheren Grad an Frauengesundheit führt, muss noch geklärt werden. „Um den langfristigen Nutzen der gesteigerten invasiven Brustkrebsdetektion zu bewerten, werden Daten aus dem Krebsregister zur Nachbeobachtung in die Studie integriert, in der ToSyMa-Phase 2. Der positive Effekt der Brustkrebs-Früherkennung durch das digitale Mammografie-Screening auf die Senkung der Brustkrebs-spezifischen Sterblichkeit zeigt sich für Deutschland bereits. Die Weiterentwicklung der Mammografie-Technik könnte die Effektivität des Screenings vor allem bei Frauen mit dichtem Brustgewebe weiter verstärken“, fasst Studienleiter Prof. Dr. Walter Heindel zusammen.
Hochrisiko-Hodgkin-Lymphom bei Kindern: Brentuximab-Vedotin zusätzlich zu Standardtherapie verbessert Ereignis-freies Überleben
Die Substitution von Bleomycin durch das Antikörper-Arzneistoff-Konjugat Brentuximab-Vedotin bei Kindern mit unbehandeltem Hochrisiko-Hodgkin-Lymphom verlängerte im Vergleich zur Standardtherapie das 3-Jahres-EFS von 82,5% auf 92,1%. Das Gesamtüberleben und die Notwendigkeit einer Strahlentherapie wurden nicht verbessert. Dies ergab eine offene, multizentrische Phase-3-Studie, deren Ergebnisse im NEJM publiziert worden sind.
In die Studie AHOD1331 der Children’s Oncology Group wurden Patienten im Alter von 2 bis 21 Jahren mit zuvor unbehandeltem Hodgkin-Lymphom im Stadium IIB mit Bulky-Disease oder im Stadium IIIB, IVA oder B aufgenommen. Sie erhielten 5 Zyklen Brentuximab-Vedotin mit Doxorubicin, Vincristin, Etoposid, Prednison und Cyclophosphamid (Brentuximab-Vedotin-Gruppe) oder die Standardtherapie mit Doxorubicin, Bleomycin, Vincristin, Etoposid, Prednison und Cyclophosphamid (Standard-Gruppe).
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 42,1 Monaten betrug das Ereignis-freie Gesamtüberleben (EFS, primärer Endpunkt) 92,1% in der Brentuximab-Vedotin-Gruppe und 82,5% in der Standardbehandlungs-Gruppe (Hazard-Ratio 0,41; p < 0,001). Der Anteil der Patienten, der eine Strahlentherapie wegen langsamem Ansprechen an der betroffenen Stelle erhielt, unterschied sich nicht wesentlich (53,4% bzw. 56,8%).
Das Gesamtüberleben nach 3 Jahren betrug 99,3% in der Brentuximab-Vedotin-Gruppe und 98,5% in der Vergleichsgruppe. Unerwünschte Wirkungen waren in beiden Gruppen ähnlich.
Im begleitenden Editorial wird darauf hingewiesen, dass künftig Strategien untersucht werden müssten, mit denen auf eine Strahlentherapie bei Kindern, die eine vollständige metabolische Reaktion zeigen, verzichtet werden kann.
MDS: Pathogene Keimbahnveränderungen häufiger als gedacht
Patienten mit myelodysplastischem Syndrom (MDS), die sich einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (alloHCT) unterzogen haben, weisen häufiger pathogene Keimbahnmutationen auf, als bisher bekannt war. Dies ergab eine in Blood publizierte amerikanische Studie.
Die Arbeitsgruppe analysierte Blutproben von 404 MDS-Patienten und ihren verwandten Spendern vor der allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation auf pathogene Keimbahnveränderungen. Sie identifizierte pathogene und wahrscheinlich pathogene Keimbahnveränderungen bei 28 (7%) der Patienten in allen Altersgruppen.
33% der Veränderungen wurden in der Gruppe der 11- bis 20-Jährigen beobachtet. Darauf folgten mit 8% die Altersgruppen von 21 bis 30, 31 bis 40 und 71 bis 80 Jahren, mit 7% die Altersgruppe von 51 bis 60 Jahren und mit 6% die Altersgruppen von 41 bis 50 und 61 bis 70 Jahren.
Außerdem zeigte sich, dass 23 Patienten eine Keimbahn-Prädisposition mit autosomal-dominanter Vererbung hatten und dass diese Varianten in 20 Fällen mit den verwandten Spendern geteilt wurden. Die Ergebnisse sprechen nach Aussage der Autoren für ein routinemäßiges Keimbahn-Screening der Spender.
Aufgrund der überraschend hohen Inzidenz Keimbahn-pathogener und verdächtiger Varianten, die identifiziert wurden, schlug Prof. Dr. Lucy Godley, Universität von Chicago, laut einer Pressemitteilung vor, Patienten, die für eine allogene Transplantation in Frage kommen, bei der Diagnose auf pathogene Keimbahnveränderungen zu untersuchen. Sie hofft, dass die Ergebnisse grundlegende Veränderungen auf diesem Gebiet anregen.
„Es ist ein Weckruf“, sagte Godley. „Die Transplantationsbranche muss über diese Ergebnisse gründlich nachdenken, und wir müssen sicherstellen, dass alle Patienten mit MDS, die auf eine Transplantation warten, rechtzeitig Zugang zu Keimbahn-Prädispositionstests haben.“
Lenalidomid: Risiko für sekundäre Malignome v.a. bei Myelom erhöht
Eine Behandlung mit Lenalidomid scheint mit einem erhöhten Risiko für Sekundärmalignome assoziiert zu sein, allerdings nur beim multiplen Myelom. Keine Assoziation zeigte sich in Studien mit Lymphomen, chronischer lymphatischer Leukämie oder myelodysplastischem Syndrom. Eine amerikanische Arbeitsgruppe hat diese Ergebnisse eines systematischen Reviews in Lancet Haematology publiziert.
Sie analysierte 38 Studien mit 14.058 Patienten, wovon 18 Studien bei Patienten mit multiplem Myelom durchgeführt worden waren. Primärer Endpunkt war das Risikoverhältnis (RR) für die Entwicklung eines Sekundärmalignoms bei mit Lenalidomid und nicht mit Lenalidomid behandelten Patienten.
Das RR über alle malignen Erkrankungen hinweg betrug 1,16. Das RR bei Lenalidomid-Anwendung beim multiplen Myelom betrug 1,42. In Studien mit Lymphomen oder chronischer lymphatischer Leukämie (RR 0,90) und myelodysplastischem Syndrom (0,96) war die RR nicht erhöht.
Beim multiplen Myelom nahm durch Lenalidomid das Risiko für solide und für hämatologische Tumoren zu, und zwar bei Patienten ohne Transplantation und nach der Transplantation.
Im begleitenden Editorial wird die Vorstellung als schwierig bezeichnet, dass Lenalidomid das Risiko für sekundäre Malignome bei unterschiedlichen Tumoren unterschiedlich erhöht. Eine Hypothese könnte sein, dass „die Therapiepartner von Lenalidomid oder die Behandlungsansätze beim Myelom im Vergleich zu anderen malignen Erkrankungen dieses Risiko beeinflussen könnten. Beispielsweise werden Alkylanzien beim Myelom verwendet, insbesondere Melphalan während der autologen HSCT-Konditionierung.“
Eine alternative Hypothese sei, dass „das erhöhte Risiko von SPM (Sekundärneoplasie) beim Myelom eine direkte immunsuppressive Wirkung des Myelomklons ist, die die Tumorimmunüberwachung verändert. Eine andere Möglichkeit ist, dass genetische oder umweltbedingte Dispositionen eine Rolle spielen.“
Nahrungsergänzungsmittel: Wechselwirkungen können zu Therapieresistenz beitragen
Derzeit gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass sich die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln während einer Krebsbehandlung positiv auf die Therapie auswirkt. Im Gegenteil: In der Literatur finden sich Hinweise auf Wechselwirkungen und eine reduzierte Lebenserwartung. Zu diesem Ergebnis kommt ein systematischer Review einer Arbeitsgruppe der Hochschule Fulda in Antioxidants .
Viele Krebspatienten nehmen von sich aus komplementäre und alternative Substanzen ein. Die Informationen beziehen sie häufig aus dem Internet. Weit verbreitet sind Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamine, Mineralien oder Antioxidantien.
Die Arbeitsgruppe aus Fulda analysierte 37 Studien aus den Jahren 2006 bis 2021 mit jeweils mehr als 1.000 Teilnehmern. Es ergab sich, dass Krebskranke häufig Supplemente und Nahrungsergänzungsmittel nahmen, nämlich bis zu 77,2% der Befragten, darunter Multivitamine (bis zu 70%), Vitamin C (bis zu 41,6%), Vitamin E (bis zu 48%) oder Antioxidantien (bis zu 80,8%).
Insbesondere Antioxidantien können jedoch mit der Krebstherapie interagieren, denn häufig bekämpft sie Krebszellen mit Hilfe von oxidativem Stress. Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamine, Mineralien und vor allem Antioxidantien können den Transkriptionsfaktor Nrf-2 aktivieren, einen zellulären Abwehrmechanismus gegen oxidativen Stress, und so zur Resistenz von Krebszellen beitragen.
„Wir haben keine Hinweise auf einen positiven Nutzen durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und Supplementen während einer Krebsbehandlung finden können, aber Anzeichen für Wechselwirkungen bis hin zu reduzierten Lebenserwartungen. Diese Hinweise müssen ernst genommen werden“, so die Autoren in einer Pressemitteilung. Sie empfehlen: „Mit Blick auf den hohen Prozentsatz an Krebspatienten, die Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, ist es wichtig, das Bewusstsein für mögliche Wechselwirkungen bei Patienten wie auch beim medizinischen Fachpersonal zu stärken und den beidseitigen Austausch hierzu im Rahmen der Krebstherapie zu fördern.“
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Diesen Artikel so zitieren: Prostata-Ca: optimale Reihenfolge von ADT und Bestrahlung; Risiken durch Lenalidomid und Nahrungsergänzungsmittel - Medscape - 8. Nov 2022.
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