Chicago – Die Rate schwerer kardiovaskulärer Ereignisse bei älteren Hypertonie-Patienten, die mit den Thiazid-Diuretika Chlortalidon oder Hydrochlorothiazid (HCTZ) behandelt wurden, unterscheidet sich nicht. Dieses Ergebnis der großen randomisierten Studie „Diuretic Comparison Project“ (DCP) hat Dr. Areef Ishani, Minneapolis Primary Care and Specialty Care Integrated Care Community und Veterans Administration (VA) Midwest Health Care Network, bei den Scientific Sessions 2022 der American Heart Association (AHA) präsentiert [1].

Dr. Areef Ishani
Es zeigten sich keine Unterschiede zwischen den beiden Diuretika in der Wirkung auf die Ereignisrate des kombinierten Endpunkts sowie auf dessen Einzelkomponenten (wie Herzinfarkt, Schlaganfall, nicht Krebs-bedingte Todesfälle, Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz oder Notfall-Revaskularisation). Nach Aussage von Ishani sind damit beide Diuretika für die Behandlung von Bluthochdruck geeignet.
Diskutant Dr. Daniel Levy, Direktor der Framingham Heart Study am National Heart, Lung, and Blood Institute, Bethesda, bezeichnete die Ergebnisse der Studie als überzeugend, es blieben jedoch einige Fragen offen. So sei unklar, ob die Ergebnisse möglicherweise für HCTZ vorteilhafter waren, weil die Studie nur Patienten einschloss, die bereits dieses Diuretikum einnahmen und darauf gut mit Blutdrucksenkung und wenigen Nebenwirkungen angesprochen hatten.
Unklar sei auch, ob die Ergebnisse auf Frauen sowie auf jüngere Personen übertragen werden könnten, weil 97% der Probanden Männer (Veteranen) und alle über 65 Jahre alt waren.
Thiazide zur Blutdrucksenkung
Das Thiazid Hydrochlorothiazid und das Thiazid-Analogon Chlortalidon werden seit Jahrzehnten zur Behandlung der Hypertonie eingesetzt. Diese Diuretika steigern die Ausscheidung von Natrium- und Chloridionen sowie von Kalium- und Magnesiumionen. Die Exkretion von Calcium- und Phosphationen wird dagegen vermindert. Chlortalidon hat eine wesentlich längere Halbwertszeit als HCTZ.
Frühere Studien hatten auf bessere kardiovaskuläre Ergebnisse bei einer Hypertonie-Behandlung mit Chlortalidon hingedeutet, die wurde jedoch in neueren Beobachtungsstudien nicht bestätigt. Sie ergaben ein höheres Risiko für Nebenwirkungen von Chlortalidon wie Hypokaliämie, akute Nierenschädigung und chronische Nierenerkrankung.
In der Real-World-Studie DCP sollte nun die Frage, ob Chlortalidon dem HCTZ überlegen ist, definitiv beantwortet werden.
Real-World-Studie zum direkten Vergleich
DCP wurde als klinische Point-of-Care-Studie durchgeführt, bei der Teilnehmer und medizinisches Fachpersonal wussten, welche Medikamente verschrieben wurden. Die Medikamente wurden in einer realen Umgebung verabreicht. „Die Patienten können ihre normale Versorgung mit ihrem gewohnten Betreuungsteam fortsetzen, weil wir diese Studie in Einrichtungen der Primärversorgung integriert haben“, erklärte Ishani.
„Wir haben die Ergebnisse der Teilnehmer anhand ihrer elektronischen Gesundheitsakte verfolgt. Diese Studie war nicht-intrusiv, kosteneffektiv und nicht teuer. Außerdem konnten wir eine große ländliche Bevölkerung rekrutieren – fast die Hälfte der Teilnehmer –, und das ist untypisch für eine solche Studie, bei der wir uns normalerweise auf große akademische medizinische Zentren verlassen müssen“, so Ishani.
Mit Hilfe der elektronischen Patientenakten der Veterans Administration suchte die Studiengruppe nach Hausärzten, die Patienten im Alter über 65 Jahren mit Bluthochdruck betreuten, die mit HCTZ (25 oder 50 mg) behandelt wurden. Die in die offene Studie aufgenommenen Patienten wurden dann randomisiert entweder mit HCTZ weiterbehandelt (n=6.767) oder auf eine äquipotente Dosis von Chlortalidon (12,5 oder 25 mg) (n=6.756) umgestellt.
Fast 97% der Teilnehmer waren Männer, das Durchschnittsalter lag bei 72 Jahren. 45% stammten aus einer ländlichen Gegend. Rund 44% litten an Diabetes, 8% an Herzinsuffizienz, und 11% hatten bereits einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten. Ihr systolischer Blutdruck betrug im Mittel 139 mmHg. Die Mehrzahl wurde mit bis zu 4 weiteren Antihypertensiva behandelt.
Primärer Endpunkt war die Zeit bis zum Auftreten von schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen wie Schlaganfall, Herzinfarkt, nicht Krebs-bedingtem Tod, Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz oder Notfall-Revaskularisation.
Keine Unterschiede in den Endpunkten
Der kombinierte primäre Endpunkt sowie alle sekundären Endpunkte unterschieden sich in den beiden Behandlungsgruppen nicht. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 2,4 Jahren kam es bei 10,4% der Patienten unter Chlortalidon und bei 10,0% unter HCTZ zu schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen (Hazard Ratio [HR] 1,04, p=0,04).
Eine vordefinierte Subgruppenanalyse zeigte in den meisten Fällen keine Unterschiede. Bei Patienten mit einem Herzinfarkt oder Schlaganfall in der Anamnese reduzierte jedoch Chlortalidon den primären Endpunkt um 27% (HR 0,73), während es bei Patienten ohne diese Ereignisse eher schlechter wirkte (HR 1,12). Die Bedeutung dieses Befundes ist unklar. Nach Aussage von Ishani müsse man eine Studie speziell bei solchen Patienten durchführen, um zu sehen, ob Chlortalidon hier wirklich einen Nutzen hat.
Bei den einzelnen Komponenten des primären Endpunkts wurden ebenfalls keine Unterschiede zwischen der Behandlung mit Chlortalidon und HCTZ gesehen, ebenso nicht bei der Gesamtmortalität, bei Revaskularisations-Maßnahmen und bei erektiler Dysfunktion.
Unter Chlortalidon waren Hypokaliämien mit 6,0% versus 4,4% häufiger (HR 1,38). In der Chlortalidon-Gruppe wurden mehr Patienten mit Hypokaliämie (1,5%) hospitalisiert als in der Hydrochlorothiazid-Gruppe (1,1%).
Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der Link zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine Nachrichten aus der Medizin verpassen.
Credits:
Photographer: © Chemical Lab
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2022 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Chlortalidon und Hydrochlorothiazid bei Hypertonie: Kein Unterschied in der Prävention kardiovaskulärer Ereignisse - Medscape - 7. Nov 2022.
Kommentar