Endlich besser und mehr screenen: Ein europäischer Plan und neuer Ansatz soll helfen, Krebs besser zu bekämpfen

Dr. Klaus Fleck

Interessenkonflikte

8. November 2022

Mit dem 2021 von der Europäischen Kommission vorgestellten Europäischen Plan zur Krebsbekämpfung soll grenzüberschreitend die Krebsprävention, -behandlung und -versorgung verbessert und auf die wachsenden Herausforderungen durch onkologische Erkrankungen, aber auch die Chancen zu deren Überwindung eingegangen werden. Beim diesjährigen World Health Summit (WHS) in Berlin und digital diskutierten Experten den Stand und die Perspektiven dieser und mit ihr verwandter Initiativen, auch im Hinblick auf weltweite Kooperationen zur Krebsbekämpfung [1].

Besonders viele bösartige Neubildungen in Europa

Während in Europa nur rund ein Zehntel der Weltbevölkerung lebt, entfallen etwa ein Viertel aller Krebsfälle weltweit auf den europäischen Kontinent. „In Europa erhalten jedes Jahr rund 2,7 Millionen Menschen eine Krebsdiagnose, und diese Zahl wird ebenso wie die der Krebs-Todesfälle weiter steigen", berichtete Stella Kyriakides, EU-Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit beim Berliner Gipfel, der in diesem Jahr erstmals gemeinsam mit der WHO organisiert wurde. So schätzt die International Agency for Research on Cancer der WHO, dass Krebs-Todesfälle in Europa bis zum Jahr 2035 um 24% zunehmen könnten, wodurch Krebs zur häufigsten Todesursache in der EU werden würde.

 
In Europa erhalten jedes Jahr rund 2,7 Millionen Menschen eine Krebsdiagnose. Stella Kyriakides
 

„Um diese Trends umzudrehen", so Kyriakides, „brauchen wir dringende und gemeinsame Maßnahmen. In der EU haben wir deshalb mit einem Budget von mehr als 4 Milliarden Euro den Europäischen Plan zur Krebsbekämpfung auf den Weg gebracht. Er hat einen ganzheitlichen Ansatz für eine Gesundheitspolitik, die alle Interessenvertreter berücksichtigt und auch internationale Kooperationen über die EU hinaus verfolgt."

Der Plan umfasst 4 Hauptaktionsbereiche mit 10 Leitinitiativen, mit Hilfe derer etwa Screening-Empfehlungen aktualisiert, nationale onkologische Spitzenzentren vernetzt und Ungleichheiten in der EU bei der Krebsbekämpfung abgebaut werden. Welche einzelnen Initiativen und wann diese vorgesehen sind, beschreibt ein detaillierter Implementierungsfahrplan.

Mehr und bessere Krebs-Screenings

Seit Beginn der Initiative bereits realisiert wurde der EU-Kommissarin zufolge u.a. eine Wissensdatenbank für Krebs zur Koordinierung von Forschung und Innovation. Des Weiteren wurde ein neuer, evidenzbasierter EU-Ansatz für das Krebsscreening vorgeschlagen, um mehr und bessere Krebsscreenings zu ermöglichen.

Er soll die Mitgliedsstaaten unterstützen, bis 2025 90% der Bürgerinnen und Bürger der EU, die für Brust-, Gebärmutterhals- und Darmkrebs-Screenings in Frage kommen, ein solches Screening anzubieten. Mit der neuen Empfehlung wird zudem das populationsbezogene systematische Krebsscreening auf Lungen-, Prostata- und unter bestimmten Umständen auch auf Magenkrebs ausgeweitet.

Forschung nicht nur für, sondern mit Patienten

Deutschland ist nach den Worten von Prof. Dr. Veronika von Messling vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bei der Krebsforschung und -bekämpfung in einer sehr günstigen Situation. Dabei verwies sie auf das Deutsche Krebsforschungszentrum als eines der weltweit renommiertesten Zentren für onkologische Grundlagenforschung und auf das bundesweite Netzwerk onkologischer Spitzenzentren (Comprehensive Cancer Center / CCC-Netzwerk) an universitären Standorten.

 
Die Krebsforschung sollte nicht nur für die Patienten, sondern mit den Patienten stattfinden. Prof. Dr. Veronika von Messling
 

Zu dessen wichtigsten Zielen gehört es, Impulse in der translationalen Krebsforschung zu setzen, um neue Erkenntnisse schnell und effektiv in klinische Anwendungen zum Nutzen der Krebspatienten zu überführen. Im Hinblick auf die BMBF-Initiative Dekade gegen den Krebs betonte von Messling die Bedeutung der Patientenbeteiligung in der Krebsforschung: „Sie sollte nicht nur für die Patienten, sondern mit den Patienten stattfinden." Dabei geht es der Initiative auch darum, dass Betroffene in allen Phasen der Forschung – von der Formulierung der Fragestellung bis zur Verwertung der Ergebnisse – eingebunden werden und ihre Wünsche, Erfahrungen und Meinungen einbringen können.

Große Ungleichheiten zwischen einzelnen Ländern

Auf große Unterschiede in der Versorgung von Krebspatienten in der WHO-Region Europa wies Dr. Nino Berdzuli, Direktorin der Abteilung für Ländergesundheitsprogramme im WHO-Regionalbüro für Europa hin: „Bei der Betrachtung der 53 Länder dieser Region ist Ungleichheit ein Schlüsselwort." Dies betreffe den Zugang zu schneller Diagnose genauso wie die Behandlung von Krebserkrankungen. Als Beispiel nannte sie „schockierende Ergebnisse" eines in diesem Jahr erstmals veröffentlichten WHO-Berichts zu Ungleichheiten bei Krebserkrankungen im Kindesalter (Childhood Cancer Inequalities in the WHO European Region):

 
Bei der Betrachtung der 53 Länder dieser Region ist Ungleichheit ein Schlüsselwort. Dr. Nino Berdzuli
 

„Dabei bewegt sich die Mortalität bei Krebs im Kindesalter je nach Land zwischen 9 und 53%." Als äußerst wichtige Maßnahme forderte sie in diesem Zusammenhang: „Wir müssen nicht nur mehr Bewusstsein für Krebs schaffen, sondern vor allem die Kapazitäten in der medizinischen Grundversorgung und damit den Zugang zur frühzeitigen Diagnose von Krebs verbessern, um ihn auch entsprechend frühzeitig und qualifiziert behandeln zu können."

Besonderer Präventionsbedarf bei Übergewicht und Alkoholkonsum

Als ebenso bedeutsam bezeichnete Berdzuli daneben die Anstrengungen zur Prävention onkologischer Erkrankungen. So zeigte der im Mai für die Region Europa veröffentlichte WHO-Obesitätsbericht 2022, dass Übergewicht und Obesität rund 60% der Erwachsenen und fast eines von 3 Kindern in dieser Region betreffen. „Dabei kennen wir die Zusammenhänge zwischen Obesität und verschiedenen Krebsarten, genauso wie wir wissen, dass Alkohol das Krebsrisiko erhöht, Europa aber gleichzeitig von allen WHO-Regionen den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch reinen Alkohols hat."

 
In Europa erhalten jedes Jahr rund 2,7 Millionen Menschen eine Krebsdiagnose. Stella Kyriakides
 

Gesundheitspolitische Handlungsempfehlungen zur Reduzierung alkoholbedingter Gesundheitsgefahren enthält das aktuelle von der WHO-Region Europa herausgegebene Rahmenwerk European Framework for Action on Alcohol, 2022-2025.

Eine weitere neue Initiative dieser WHO-Region ist die Roadmap zur beschleunigten Eliminierung von Gebärmutterhalskrebs für den Zeitraum 2022 bis 2030. Ermöglicht werden soll diese durch einen umfassenden Zugang der Bevölkerung zu HPV-Impfungen sowie angemessene Screening- und Behandlungsmöglichkeiten in Bezug auf diese Krebsart. Hier wies Berdzuli darauf hin, dass immer noch nicht alle Länder der WHO-Region Europa die HPV-Impfung in ihre nationalen Impfprogramme aufgenommen haben.

Neue Technologien für Früherkennung und präzisere Therapie

Einen großen Beitrag bei der Krebsbekämpfung könnten neue Technologien leisten, so die Ansicht von Dr. Bernd Ohnesorge vom Unternehmen Siemens Healthineers. Dabei nannte er drei Aspekte: Hochempfindliche diagnostische Tools können zur Früherkennung von Krebs beitragen. Neue Möglichkeiten für eine personalisierte und damit präzisere Therapie lassen sich durch die auf künstlicher Intelligenz basierte Erstellung „digitaler Zwillinge" eröffnen. Schließlich können digitale Tools helfen, für eine bessere Krebsbekämpfung notwendiges Know-how von reichen Ländern in Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen zu bringen.

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