MEINUNG

 „Handlungsanweisung für Patienten, die Statine nicht vertragen“: Weniger Muskelschmerzen durch Lipid-Therapie mit Bempedoinsäure

Prof. Dr. Andreas Zeiher

Interessenkonflikte

14. März 2023

Die Daten der „schönen“ CLEAR-Studie eröffnen neue Chancen für die Prävention von kardiovaskulären Ereignissen. Prof. Dr. Andreas Zeiher erklärt, für wen diese Alternative in Frage kommt.

Transkript des Videos von Prof. Dr. Andreas Zeiher, Frankfurt

Herzlich Willkommen,

mein Name ist Andreas Zeiher, ich bin Kardiologe aus Frankfurt.

Ich freue mich sehr, dass ich Ihnen heute eines der Highlights des diesjährigen Jahresmeetings des American College of Cardiology (ACC), das vom 4. bis 6. März 2023 in New Orleans stattgefunden hat, vorstellen darf.

Es handelt sich um die CLEAR-Outcomes-Studie [1,2]. Sie hat untersucht, inwieweit Bempedoinsäure, ein seit 2020 zugelassener Cholesterinsenker, kardiovaskuläre Ereignisraten reduzieren kann (Medscape berichtete).

Besonderheiten der Bempedoinsäure

Die Bempedoinsäure zeichnet sich durch 2 Besonderheiten aus. Zum einen greift sie eine Etage oberhalb der HMG-CoA-Reduktase-Hemmer, also der Statine, an. Der wesentliche Vorteil besteht aber darin, dass Bempedoinsäure ein Prodrug ist, sie muss also im Körper zuerst in die aktive Form überführt werden.

Dabei hat sie einen interessanten Vorteil: Das Enzym Acetyl-CoA-Synthetase 1, welches die Bempedoinsäure in die aktive Substanz überführt, kommt überwiegend in den Leberzellen, aber nicht in den Muskelzellen vor. Daraus schlussfolgert man – und die initialen Studien legen das auch nahe, dass Bempedoinsäure weniger Nebenwirkungen im Sinne von Muskelschmerzen bis hin zur Muskelnekrose hat, weil der aktive Metabolit in den Muskelzellen nicht produziert wird.

CLEAR-Outcomes-Studie

Das war auch die Grundlage für die CLEAR-Outcomes-Studie. Sie hat Patienten mit Statin-Unverträglichkeit eingeschlossen. Sie hatten entweder nicht tolerierbare Muskelschmerzen, auch mit niedrigen Dosen von Statinen, oder unter der Statintherapie klassische Nebenwirkungen wie Muskel-CK-Anstieg und dergleichen.

Insgesamt wurden in der CLEAR-Outcomes-Studie fast 14.000 Patienten 1:1 randomisiert mit einer fixen Dosis Bempedoinsäure oder Placebo behandelt. Es waren überwiegend Patienten im mittleren Alter. Das Durchschnittsalter war um die 65 Jahre. Erfreulicherweise waren fast 50% der Teilnehmer weiblich.

Ungefähr 30% der Patienten hatten bisher noch kein kardiovaskuläres Ereignis, sie waren also in der Primärpräventionsgruppe. Das sind Patienten mit hohem Risiko, mit Begleiterkrankungen und mit erhöhten Cholesterinwerten, insbesondere erhöhten LDL-Cholesterinwerten.

Die anderen 70% der Patienten hatten bereits ein kardiovaskuläres Ereignis erlitten und gehörten deshalb zur Sekundärpräventionsgruppe.

Die mittlere Nachbeobachtungsdauer der Studie war um die 3,5 Jahre. Trotz der Corona-Pandemie haben die Investigatoren eine sehr hohe Nachverfolgungsrate erzielt und nur ganz wenige Patienten im Lauf der Studie verloren. Somit sind die Ergebnisse, die wir aus CLEAR-Outcome ableiten können, durchaus zuverlässig und nicht durch Effekte der Corona-Pandemie verwässert.

Bei einem Ausgangswert von 139 mg/dl reduzierte Bempedoinsäure im Mittel die LDL-Cholesterin-Konzentration über die 3,5 Jahre Beobachtungszeit um ungefähr 21%. Das entspricht dem, was wir aus den Cholesterinsenkungs-Studien mit dem Medikament bereits kennen.

Gleichzeitig wurde auch das hochsensitive CRP als Marker für eine generalisierte Entzündung, das auch prädiktiv für kardiovaskuläre Ereignisse ist, reduziert.

Erfreulicherweise konnte der primäre Endpunkt, der zusammengesetzt war aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall oder Notwendigkeit für ein Revaskularisation, um exakt 13% hoch signifikant reduziert werden.

Betrachtet man sich die Einzelkomponenten dieses zusammengesetzten primären Endpunkts, so wird deutlich, dass das Ergebnis überwiegend getrieben wurde durch eine Reduktion von nicht-tödlichen Myokardinfarkten um 23% sowie der Notwendigkeit für eine koronare Revaskularisation um 19%. Die Schlaganfälle waren mit 15% auch reduziert, allerdings war dies statistisch nicht signifikant (p = 0,14).

Wie in diesen großen sekundären Präventionsstudien jetzt allgemein üblich, waren die kardiovaskuläre Mortalität und die Gesamtsterblichkeit unverändert.

Wieviel Ereignisse können wir denn nun verhindern? Was ist die Number Needed to Treat für den primären Endpunkt mit einer absoluten Risikoreduktion von 1,6 Prozentpunkten? Sie müssen ungefähr 63 Patienten behandeln, um ein Ereignis zu vermeiden.

Was lernen wir aus CLEAR-Outcomes?

Wir haben damit jetzt eine Alternative für Patienten, die keine Statine vertragen, zusätzlich zu den PCSK-9-Inhibitoren, die nicht jeder mag, weil sie injiziert werden müssen. Wir haben den Beweis, dass die mit Bempedoinsäure erzielte Cholesterinsenkung tatsächlich auch mit einer 13%igen Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse einhergeht. Das ist das, was man von der 21%igen LDL-Reduktion erwartet.

Zur Sicherheit

Das Nebenwirkungsprofil war sehr gut. Womit müssen wir rechnen? Es ist beschrieben, dass mit Bempedoinsäure Sehnenrupturen, auch Gichtanfälle und Harnsäureanstieg auftreten können.

Bempedoinsäure sollte nicht hochdosiert mit Statin kombiniert werden, weil das die Statin-Konzentrationen im Serum erhöht.

Was wir nicht wissen, ist, ob Bempedoinsäure zusätzlich zum Statin in niedrigen Dosen auch Ereignis-reduzierend ist. Eine derartige Studie ist schwierig, weil man die Statintherapie als Basis der Sekundärprävention eigentlich nicht ersetzen kann und ein entsprechendes Studien-Protokoll nur schwierig durchzuführen ist.

Fazit

Insgesamt eine schöne Studie, sie gibt uns Handlungsanweisung für eine Alternative, wenn unsere Patienten Statine nicht vertragen. Wir können damit auch kardiovaskuläre Ereignisse reduzieren und von daher erweitert dies das Armamentarium unserer Medikamente zur Primärprävention bei Hochrisikopatienten wie auch zur Sekundärprävention bei Patienten, die insbesondere Statine nicht vertragen.

 

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Kommentar

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