Prof. Dr. Hans-Christoph Diener präsentiert im Video, wichtige Studien, die im Dezember publiziert wurden – etwa zur Blutdrucktherapie bei Kavernomen und Schlaganfall, sowie Parkinson.
Transkript des Videos von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Duisburg-Essen
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen.
Heute berichte ich Ihnen über neue neurologische Studien im Dezember 2022.
Betablocker beim Kavernom
Ich beginne mit der Behandlung von Kavernomen. Vor einigen Jahren gab es eine sehr interessante Beobachtung, dass Hämangiome der Haut insbesondere bei Kindern und Jugendlichen offenbar auf eine Behandlung mit Beta-Blocker ansprechen. Daher stammt die Idee zu untersuchen, ob man mit Betablockern unter Umständen auch die Prognose von familiären Kavernomen verbessern kann.
In der Pilotstudie, die in Lancet Neurology publiziert wurde, erhielten 57 Patienten mit familiärem Kavernom entweder Propranolol plus Standard of Care oder Standard of Care allein [1]. Sie wurden über 2 Jahre nachverfolgt und es zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit ein fokales neurologisches Defizit zu erleiden um 50% reduziert war. Die Ereignisrate war insgesamt sehr gering. Deshalb brauchen wir jetzt eine größere Phase-3-Studie.
Blutdrucksenkung beim ischämischen Insult
In der 2. Studie wurde untersucht, ob es sinnvoll ist, erhöhte Blutdruckwerte bei Patienten mit ischämischem Schlaganfall, die eine mechanische Thrombektomie erhalten, zu behandeln. Das chinesische Studie ist in Lancet publiziert [2]. Sie schloss 821 Patienten mit einem systolischen Blutdruck von über 140 mm Hg ein. Therapieziel in der aggressiven Therapiegruppe war den systolischen Blutdruck unter 120 mm Hg zu senken und in der Kontrollgruppe zwischen 140 und 180 mm Hg zu halten.
Primärer Endpunkt war die modifizierte Rankin-Skala. Es ist für sie sicher keine Überraschung, dass diese Studie abgebrochen werden musste, weil die Prognose unter der aggressiven Therapie deutlich schlechter war. Die Odds-Ratio für einen schlechteren Outcome betrug 1,37.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das reiht sich jetzt in eine Vielzahl von Studien ein, die alle gescheitert sind, die versucht haben, erhöhte Blutdruckwerte beim ischämischen Insult zu senken. Das ist also offenbar nur indiziert, wenn eine hypertensive Krise besteht.
Intermittierende Ischämie bei intrakraniellen Stenosen
Die nächste Studie in Lancet Neurology kommt ebenfalls aus China [3]. Dort war im Sommer eine Studie publiziert worden, die zeigte, dass Remote Ischaemic Conditioning, also eine intermittierende Ischämie an den beiden Armen, die Prognose von akuten ischämischen Schlaganfällen verbessert.
Das sollte jetzt in der Sekundärprävention bei Patienten mit symptomatischen Intrakraniellen Stenosen untersucht werden. Über 3.000 Patienten wurden randomisiert, die aktive Behandlungsgruppe erhielt über ein Jahr jeweils 30 Minuten pro Tag eine intermittierende Ischämie an den Oberarmen.
Nach einem Jahr ergab sich aber leider kein Unterschied in der Rezidivrate an Schlaganfällen oder in der Sterblichkeit.
Impfung beim Glioblastom
Die nächste Studie kommt aus der Neuro-Onkologie und ist in JAMA Oncology publiziert worden [4]. Eingeschlossen waren Patienten mit neu diagnostiziertem oder rezidiviertem Glioblastom. Diese Studie hat zum ersten Mal einen Impfstoff gegen Glioblastome untersucht, und zwar einen Impfstoff, der aus autologen Tumorzellen, Lyse-geladenen dendritischen Zellen entwickelt wurde. 232 Patienten haben den Impfstoff erhalten und 99 Placebo. Die Überlebensrate war nach dem Impfstoff signifikant länger als bei der Kontrolle. Aber hier sind auch Replikationsstudien notwendig.
Dimethylfumarat beim radiologisch isolierten Syndrom
Die nächste Studie in Annals of Neurology befasst sich mit Patienten mit dem radiologisch isolierten Syndrom [5]. Das sind Patienten, die keine Symptome haben, bei denen sich im Kernspin aber Herde finden, wie sie für die MS typisch sind. In dieser kleinen Pilot-Studie wurden die Patienten entweder mit Dimethylfumarat behandelt oder Placebo und dann für 96 Wochen nachbeobachtet.
Hier zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit einen ersten MS-Schub zu erleiden, mit DMF-Therapie um 80% reduziert war. Natürlich gab es mehr Nebenwirkungen in der Gruppe mit Dimethylfumarat.
Diese Studie muss jetzt repliziert werden und man muss sehen, ob man ähnliche Ergebnisse erzielt wie beim isolierten klinischen Syndrom.
Simvastatin bei Parkinson-Syndrom?
In der nächsten Studie in JAMA Neurology geht es um Parkinson Patienten [6]. Präklinische Modelle an Mäusen zeigen, dass Simvastatin offenbar neuroprotektive Eigenschaften bei Parkinson-Mäusen hat.
Das wurde jetzt bei 235 Patienten mit beginnendem Parkinson-Syndrom untersucht, die entweder Simvastatin oder Placebo erhielten und über 24 Monate nachverfolgt wurden. Leider war Simvastatin nicht wirksam.
Deferipron bei Parkinson-Krankheit
Die letzte Studie im New England Journal of Medicine beschäftigt sich mit der Beobachtung, dass es bei Parkinson-Patienten in der Substantia nigra zu erhöhten Eisenablagerungen kommt [7].
Daher wurde versucht, mit einem Chelatbildner dieses Eisen aus der Substantia nigra zu entfernen. Als Chelatbildner wurde Deferipron eingesetzt. In der Phase-2-Studie wurden 372 Patienten mit neu diagnostizierten Parkinson-Syndrom, die bisher keine DOPA-Therapie brauchten, randomisiert. Es zeigte sich aber eine signifikante Verschlechterung bei den Patienten, die den Chelatbildner erhalten hatten. Offenbar ist Eisen nur ein Biomarker, aber nicht das pathologische Agens bei Morbus Parkinson.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das waren 7 interessante Studien aus dem Dezember 2022.
Ich hoffe, dass sie meine Videos auch im Jahr 2023 regelmäßig anschauen.
Ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg Essen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Medscape © 2023
Diesen Artikel so zitieren: Neuro-Talk: Ein Impfstoff gegen das Glioblastom sowie wichtige Studien zu Kavernomen, Schlaganfall, Parkinson und MS - Medscape - 16. Jan 2023.
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